„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

konstatiert. Eine Art Entrechtung besteht
für die Indianer im Norden Amerikas
durch die Bestimmung, wonach
das von ihnen besessene Land im Todesfall
verkauft werden muss mit der
Folge einer Enterbung. Nachteilig für
die Indianer ist auch die Tatsache,
dass ihre Kinder, bei Fehlen einer Tagesschule
eine entfernte Internatsschule
besuchen müssen, wodurch
der erzieherische Einfluss der Familie
auf sie beträchtlich reduziert wird.
Der dritte zur Anthropogeographie
erschienene Teil wendet sich der großen
Völkerwanderung zu, die nach
Abschaffung der Leibeigenschaft, dem
Erlangen der individuellen Freiheit im
Ergebnis der Französischen Revolution
und infolge der beginnenden Industrialisierung
einsetzte. Sie übertraf
alle bisherigen Wanderungen, kam
aus allen Kontinenten und vollzog sich
auch zwischen denselben.
Der Zuführung neuer Arbeitskräfte
auf den amerikanischen Kontinent
diente außer der Zuwanderung ein
„Kontraktsystem“, das gewährleistete,
dass diese in der benötigten Anzahl
für Saisonarbeiten bereitgestellt
wurden.
Der vierte Teil der Schrift orientiert
zunächst über die in einem Bezirk des
australischen Staates Südwales voranschreitende
Rassenmischung zwischen
der Urbevölkerung und den
Weißen. Danach ist statistisch belegt,
dass sich dort in einem vierzigjährigen
Zeitraum das Anfangsverhältnis von
5:1 auf 1:6 verschoben hat. Davon
lässt sich, so Reichwein, ableiten, dass
sich die unterentwickelte Ethnie der
zivilisatorisch überlegenen angeglichen
hat.
Der anschließende Text widmet sich
der Frankreichkunde, nachdem diese
im Mittelpunkt einer von der
Deutsch-Französischen Gesellschaft
veranstalteten Woche gestanden hat
und die Erkenntnis reifen ließ, dass
von den gut freundschaftlichen Beziehungen
zwischen beiden europäischen
Großstaaten „die Zukunft des
Kontinents überhaupt abhängt“.
Darüber hinaus wurden in Verbindung
mit dieser Woche viele wertvolle Aussagen
zu Mentalität und Kultur und
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012
68
zum tieferen Verstehen des französischen
Volkes getroffen.
Unter Zwischenüberschriften informieren
alle zur Anthropogeographie
erschienenen Teile über durchgeführte
Kongresse, Tagungen und Forschungsreisen,
ferner zu Neugründungen
und anerkennenswerten Leistungen
wissenschaftlicher Einrichtungen,
des weiteren über beachtenswerte
Neuerscheinungen und schließlich
über personelle Veränderungen
auf diesem Fachgebiet und im Umkreis
anderer dafür wichtiger Disziplinen.
Der in den Band einbezogene Dokumententeil
enthält zuerst Auszüge aus
den Arbeits- bzw. Lehrplänen der
Volkshochschule Jena, die während
der gesamten Zeitspanne des Wirkens
Adolf Reichweins in Jena von 1923 bis
1929 für die einzelnen Lehrabschnitte
erschienen sind. Dazu ist noch anzumerken,
dass das Lehrjahr 3 jeweils
dreimonatige Lehrabschnitte umfasste.
Reichweins Volkshochschullehrtätigkeit
war sehr umfangreich und erstreckte
sich auf alle der Volkshochschule
zugehörigen Bestandteile. Im
Rahmen der traditionellen Volkshochschule
waren seine Kurse dem Sachgebiet
„Wirtschaft, Staat, Gesellschaft“
zugeordnet, das später noch
um Landes- und Volkskunde erweitert
wurde. Die inhaltlichen Schwerpunkte
widmeten sich aktuellen wirtschaftlichen
und politischen Entwicklungen,
dienten der Schulung des politischen
Denkens, befassten sich mit dem Wirken
namhafter Reformer der kapitalistischen
Wirtschaft, vermittelten Erkenntnisse
seiner rohstoffwirtschaftlichen
Forschung und auf seiner Weltreise
gewonnene länderkundliche
Einsichten. Ferner informierten die
Lehrplanauszüge über gemeinsame
Veranstaltungen wie Aussprachen
und Feiern, die der Jugendvolkshochschule,
dem Volkshochschulheim und
der Wirtschaftschule gestellten Aufgaben
und die dafür vorgesehenen
Stoffplanungen. Zudem unterrichten
sie über zeltlagermäßige Wochenendveranstaltungen,
offene Abende und
Wochenendfeiern im Volkshoch-
schulheim sowie über Vorbereitungen
zur Balkanfahrt 1929.
In der Gesamtsicht auf das Wirken
Reihweins an der Volkshochschule Jena
lässt sich feststellen, dass es von
hoher Originalität und äußerster Aktivität
geprägt war.
Unter den in den Band einbezogenen
Zeitungsbeiträgen sind besonders die
anonym erschienene Schrift „Arbeiter
und Volkshochschule“ und ein später
veröffentlichter Nachsatz beachtenswert.
Er stammt von August Siemsen
und lässt darauf schließen, dass auch
der Anonym-Artikel von ihm war. In
der Erstschrift wird den Volkshochschulen
vorgeworfen, dass deren Besucher
aus der Jungarbeiterschaft von
ihren Klasseninteressen abgelenkt
und dem Kampf ihrer Klasse entzogen
werden. In diesem Zusammenhang
werden auch Empfehlungen zum Besuch
einiger „unbedenklich“ erscheinender
Kurse erteilt. Ein weiterer
1929 erschienener Zeitungsartikel informiert
zum ersten Schwerpunkt
über die Gesamtheit der Angebote,
die im Dienst der „Erziehung der Jugend
zum Staatsbürgertum“ die erforderliche
Sachkunde zum Eindringen
in politische Sachverhalte vermitteln.
Zu einem zweiten Schwerpunkt
wird über den Jahresverlauf der
Volkshochschule die Bilanz in inhaltlicher
und finanzieller Hinsicht gezogen.
Ein weiterer von August Siemsen
verfasster Zeitungsartikel gab eine
ausführliche Information über die
Zehnjahrfeier des Thüringer Volkshochschulverbandes
und der Volkshochschule
Jena und hauptsächlich
über den Inhalt des von Prof. Keßler
aus Leipzig gehaltenen Vortrages. Darin
legte er sowohl deren Aufgaben
dar und verwies auf deren Grenzen,
die außer den verfügbaren Mitteln
vor allem ihr Unvermögen zur sozialen
Versöhnung betreffen. Am wichtigsten
war darin die Feststellung,
dass das auf die Bildung einer Lebensgemeinschaft
gerichtete Ziel der
Volkshochschule unerreichbar ist, solange
Klassengegensätze bestehen.
Otto Haase, damals Leiter der Trüperschen
Erziehungsheime auf der Sophienhöhe
in Jena, berichtete in der