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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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war es sogar gerade <strong>die</strong>ses<br />

Warthegau-Projekt, das ihm bei der<br />

Urteilsverkündung am 20.10.1944<br />

den Vorwurf eintrug, er habe das NS-<br />

Regime trotz der Chancen, <strong>die</strong> es ihm<br />

geboten habe, verraten. Immerhin<br />

haben sich ein Paar der BDM-<br />

Führerinnen, mit denen er im<br />

Warthegau zu tun hatte, nach seiner<br />

Verhaftung für ihn eingesetzt.<br />

Schließlich hatte es <strong>Reichwein</strong> auch<br />

„nur“ mit dem SS-Obergruppenführer<br />

direkt zu tun, nicht mit dem Reichsstatthalter<br />

Greiser und dem Reichskommissar<br />

f.d.F.d.V. Heinrich Himmler.<br />

Beide hat er in den von ihm verfassten<br />

Dokumenten jedenfalls namentlich<br />

nicht erwähnt. Der SS-<br />

Obergruppenführer Wilhelm Koppe<br />

(1896 – 1975), General der Waffen-SS<br />

und der Polizei, war aber ein Mann,<br />

der aktiv und führend an der „Säuberung“<br />

des Warthegaus von polnischen<br />

und jüdischen „Elementen“ und am<br />

Holocaust beteiligt war und tausende<br />

von Menschenleben auf dem Gewissen<br />

hatte, wofür er, trotz mehrerer<br />

Strafverfahren in den 1960er Jahren,<br />

nie verurteilt und bestraft worden ist.<br />

Ob und was <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> bei seinem<br />

folgenschweren Gespräch mit<br />

Koppe am 24.6.1942 über <strong>die</strong> Rolle<br />

Koppes im Warthegau wusste, wissen<br />

wir nicht. Immerhin ist es auch möglich,<br />

dass er dadurch und in der Folge<br />

an Informationen gelangt ist, <strong>die</strong> seinen<br />

Widerstandswillen verstärkt haben.<br />

Im übrigen geht aus dem Dokument 4<br />

hervor, dass <strong>Reichwein</strong> von Anfang an<br />

bemüht war, seine Kooperation mit<br />

Koppe in Grenzen zu halten und <strong>die</strong><br />

Last des Warthegau-Projekts nicht allein<br />

zu tragen, sondern <strong>die</strong> andere<br />

Seite, <strong>die</strong> das Projekt an ihn herangetragen<br />

hatte, gebührend daran zu beteiligen.<br />

Natürlich kann man aus all dem, wenn<br />

man will, - und Christine Hohmann<br />

wollte das – eine „<strong>die</strong>nstbare“, systemstützende<br />

Kollaboration <strong>Reichwein</strong>s<br />

mit dem NS-Regime im<br />

Warthegau herauslesen. Für eine sol-<br />

reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

43<br />

che, böswillige Interpretation geben<br />

aber <strong>die</strong> vorliegenden Dokumente<br />

wenig her. Sie lassen das ganze Projekt<br />

weit weniger problematisch und<br />

dramatisch erscheinen, als es Frau<br />

Hohmann – nicht ungeschickt – gemacht<br />

hat. Eigentlich hat <strong>Reichwein</strong><br />

genau das gleiche getan, was damals<br />

viele Sympathisanten, Mitläufer und<br />

auch Gegner des NS-Regimes in ihrer<br />

Berufsarbeit ebenfalls getan haben, er<br />

hat einfach mit den nationalsozialistischen<br />

Stellen, Behörden und Personen<br />

zusammengearbeitet, <strong>die</strong> für seine<br />

Arbeit nützlich und erfolgversprechend<br />

waren. Auch Otto Suhr hat später<br />

darauf hingewiesen. Es war damals<br />

in herausgehobenen Berufspositionen<br />

praktisch unmöglich, seine<br />

Berufsarbeit erfolgreich zu gestalten,<br />

und das wollte <strong>Reichwein</strong>, ohne auf<br />

Leute zu stoßen oder angewiesen zu<br />

sein, <strong>die</strong> den Nazis nahe standen oder<br />

selber Nazis waren oder sogar höhere<br />

NS-Positionen einnahmen. Im Falle<br />

<strong>Reichwein</strong>s betraf das z.B. auch den<br />

Ministerialdirektor Holfelder und den<br />

von ihm empfohlenen Erzgebirgler<br />

Friedrich Emil Krauß. Das hat Christine<br />

Hohmann offensichtlich nicht genügend<br />

bedacht. Was <strong>Reichwein</strong> sich<br />

dabei gedacht hat, wissen wir nicht.<br />

<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> und<br />

der George-Kreis<br />

Roland <strong>Reichwein</strong><br />

Wieder ist es – wie schon im Falle der<br />

Lebenserinnerungen von Wilhelm<br />

Flitner – <strong>die</strong> Lektüre eines Buches,<br />

<strong>die</strong> mich veranlasst, für das reichwein-forum<br />

einen kleinen Beitrag zu<br />

schreiben, in dem ich erneut auf einige<br />

Details im Leben <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s<br />

hinweisen möchte, <strong>die</strong> zwar weitgehend<br />

bekannt sind, hier aber in einem<br />

ungewohnten und etwas eigentümlichen,<br />

ominösen Licht erscheinen. Es<br />

handelt sich um das 530-Seiten-Buch<br />

„Kreis ohne Meister. Stefan Georges<br />

Nachleben“ von Ulrich Raulff, er-<br />

schienen 2009 im C.H.Beck-Verlag in<br />

München. In <strong>die</strong>sem Buch, das für alle<br />

an der deutschen Geistes- und Kulturgeschichte<br />

des 20. Jh. Interessierte<br />

eine spannende, ja faszinierende Lektüre<br />

sein kann, schildert und analysiert<br />

der Autor <strong>die</strong> Geschichte des<br />

George-Kreises, und zwar nicht nur<br />

<strong>die</strong> Nachgeschichte seit dem Tod „des<br />

Meisters“ im Dezember 1933, sondern<br />

auch in sporadischen Rückblicken<br />

<strong>die</strong> Hauptgeschichte des Kreises<br />

seit Beginn des 20. Jh.. Und ausgerechnet<br />

in <strong>die</strong>sem Buch taucht der<br />

Name <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s - zu meiner<br />

Überraschung – laut Personenregister<br />

<strong>immer</strong>hin fünfmal auf, und zwar im<br />

letzten Drittel des Buches, in den Kapiteln<br />

V. und VI. mit den poetischen<br />

Titeln „Finale Romane“, Unterkapitel<br />

„In der Verwandlungszone“, und „Die<br />

platonische Provinz“, erstes Unterkapitel<br />

„Ein begnadetes Leben“.<br />

Wie ist das möglich, fragte ich mich.<br />

Es ist zwar bekannt, dass <strong>Adolf</strong><br />

<strong>Reichwein</strong> in Marburg bei Friedrich<br />

Wolters, einem der ersten Freunde,<br />

Verehrer und „Jünger“ Stefan Georges<br />

und Professor für Geschichte,<br />

stu<strong>die</strong>rte und bei ihm auch seine Dissertation<br />

über China und Europa im<br />

18. Jahrhundert schrieb, aber zu all<br />

den „Kreisen“, in und zwischen denen<br />

sich der junge <strong>Reichwein</strong> in den<br />

1920er Jahren bewegte (vgl. Roland<br />

<strong>Reichwein</strong> in rf Nr. 16, Mai 2011), gehörte<br />

der George-Kreis meines Wissens<br />

mit ziemlicher Sicherheit nicht.<br />

Es ist auch bekannt, dass <strong>die</strong> drei jungen<br />

von Stauffenbergs – Alexander,<br />

Berthold und Claus -, von denen sich<br />

<strong>die</strong> zwei jüngeren später dem Widerstand<br />

gegen das NS-Regime anschlossen,<br />

zum George-Kreis gehörten, aber<br />

zu <strong>die</strong>sen hatte <strong>Reichwein</strong>, soweit bekannt,<br />

nie persönlichen Kontakt.<br />

Das Rätsel löst sich rasch auf, wenn<br />

man versteht, was Ulrich Raulff unter<br />

dem Nachleben Stefan Georges und<br />

seines Kreises versteht, welche Personen<br />

und Ereignisse er dazu rechnet<br />

und einbezieht. Da tauchen dann viele<br />

Personen auf, <strong>die</strong> Stefan George<br />

kaum oder gar nicht persönlich kannten,<br />

<strong>die</strong> also nicht zum George-Kreis

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