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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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Unumwunden gibt er zu, nicht viel<br />

über den damaligen Widerstand und<br />

den „Kreisauer Kreis“ zu wissen. Drum<br />

ist er auf angenehme natürliche Art<br />

wissbegierig, an Details der Familiengeschichten<br />

aus <strong>die</strong>sem Kreis interessiert.<br />

Beim Abschied am Abend bekomme<br />

ich eine große Tüte mit dunklen Kirschen<br />

aus dem Garten hinter dem<br />

Haus mit auf den Weg. Gerührt und<br />

dankbar nehme ich sie entgegen. Sie<br />

schmeckten so lecker, dass ich sie<br />

während der Heimfahrt fast vollständig<br />

aufesse.<br />

Ich denke, dass Hildegard Kaliebe,<br />

verheiratete Becker, in deren Leben<br />

Kirschen stets eine wichtige Rolle<br />

spielten, mich dabei zufrieden und<br />

nachsichtig lächelnd beobachtet.Hildegard<br />

Becker starb nur vier<br />

Monate nach ihrem 90. Geburtstag,<br />

den sie unbedingt noch im Kreis ihrer<br />

Familie erleben wollte. „Ich habe liebe<br />

Kinder, <strong>die</strong> gut zu mir sind. Ja,<br />

meine Familie sorgt gut für mich“,<br />

hatte sie wiederholt zu mir gesagt. In<br />

der Stunde ihres Todes waren ihre<br />

Tochter mit ihrem Mann bei ihr, durfte<br />

sie sich von ihnen getragen fühlen.Nach<br />

unserem Gespräch im Oktober<br />

2010, das Konrad Vanja, Lothar<br />

Kunz und ich mit ihr und ihrer Familie<br />

führten, hatten wir den starken<br />

Wunsch, sie noch einmal besuchen zu<br />

dürfen, ahnten allerdings schon, dass<br />

es dazu vielleicht nicht mehr kommen<br />

würde. Tatsächlich wurde sie in den<br />

kommenden Monaten <strong>immer</strong> schwächer,<br />

erblindete zunehmend, zog sich<br />

mehr und mehr in sich zurück und<br />

musste vor ihrem Geburtstag noch in<br />

einem Pflegeheim untergebracht<br />

werden. Dennoch hoffte sie bis zu ihrem<br />

Geburtstag, ihn zu Hause mit ihren<br />

Lieben feiern zu können. Sie<br />

schaffte es, mit Hilfe ihrer Tochter! An<br />

<strong>die</strong>sem besonderen Tag sprach ich<br />

mit Hildegard Becker ein letztes Mal<br />

am Telefon.<br />

reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

50<br />

Ekkehard Geiger im<br />

Ruhestand<br />

Gruß- und Dankeswort auf<br />

Ekkehard Geiger<br />

zum Akademischen Abschied von<br />

der Pädagogischen Hochschule<br />

Freiburg / Université des Sciences<br />

de l'Education / University of Education<br />

am 4. Mai 2012<br />

Konrad Vanja<br />

Magnifizenz, verehrte Gäste, sehr geehrte<br />

Festredner, lieber Ekkehard,<br />

liebe Gertrud,<br />

Dass sich der <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> <strong>Verein</strong><br />

heute zu <strong>die</strong>sem festlichen Anlass zu<br />

Wort meldet, ist sicher weniger der<br />

Tatsache geschuldet, dass der heute<br />

Verabschiedete seit langen Jahren<br />

Mitglied unserer <strong>Verein</strong>igung ist. Dies<br />

wäre ein Wort des Grußes und Dankes<br />

natürlich allemal für seine Ver<strong>die</strong>nste<br />

wert. Wer erinnerte sich nicht<br />

an den Abschied von Rosemarie<br />

<strong>Reichwein</strong> vor 10 Jahren, an deren<br />

Trauerfeier er <strong>die</strong> musikalische Gestaltung<br />

so eindrucksvoll und bewegend<br />

übernommen hatte. Mit unserem<br />

Dank bezeugen wir jedoch mehr:<br />

Ekkehard Geiger ist nicht nur Mitglied<br />

einer der vielen <strong>Verein</strong>igungen wie<br />

der des <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> <strong>Verein</strong>s ge<br />

worden, <strong>die</strong> nach der verheerenden<br />

Zeit des Nationalsozialismus und den<br />

unendlichen Zerstörung von menschlichem<br />

Leben und Kulturgütern sowie<br />

ethischen Verletzungen von Menschenwürde<br />

und Gesittung nach 1945<br />

ein Zeichen für einen Neuanfang setzen<br />

wollten. Ekkehard Geiger hat sich<br />

engagiert: im Rahmen seiner akademisch-pädagogischen<br />

Arbeit an der<br />

Pädagogischen Hochschule Freiburg<br />

machte er Generationen von jungen<br />

Menschen mit <strong>die</strong>ser Thematik vertraut.<br />

Und zugleich machte er sie bekannt<br />

mit einer der großen Persönlichkeiten,<br />

<strong>die</strong> sich im Widerstandes<br />

gegen den Nationalsozialismus bewähren<br />

mussten: mit dem Pädagogen<br />

und Widerstandskämpfer <strong>Adolf</strong><br />

<strong>Reichwein</strong>, der im Kreisauer Kreis eine<br />

neue Gesellschaftsordnung für<br />

Deutschland, ja für Europa vorbereitete.<br />

Ekkehard Geiger hat sich aufgemacht,<br />

das Erbe <strong>Reichwein</strong>s, der im<br />

Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee<br />

ermordet wurde, im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft<br />

der Nachgeborenen<br />

zu übernehmen und weiterzugeben.<br />

Er hat <strong>die</strong>s in der Lehre,<br />

in der Ausstellung eines Projektseminars<br />

"<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> - Erinnerung<br />

und Bedeutung" und in den konstitutiv<br />

dazugehörenden Exkursionen nach<br />

Kreisau und Auschwitz ganz praktisch<br />

geleistet.<br />

Dabei hat er aus der Pädagogik<br />

<strong>Reichwein</strong>s <strong>die</strong> lebendigen und feinsinnigen<br />

Linien des Denkens undHandelns<br />

aufgenommen und sie in eine<br />

gegenwartsbezogene Anwendung in<br />

der pädagogischen Lehre überführt.<br />

Welche Hochschule könnte dabei geeigneter<br />

sein, an den harten Grenzen<br />

der Vergangenheit ein neues Europa<br />

zu erkunden als eine grenzüberschreitende<br />

Hochschule wie <strong>die</strong> Ihrige in<br />

Freiburg, welcher Ort könnte verbindender<br />

sein als der Treffpunkt des<br />

deutschen Widerstandes im schlesische<br />

Kreisau, das heute im polnischen<br />

Niederschlesien gelegen ein Ort der<br />

deutsch-polnischen Begegnung und<br />

Versöhnung geworden ist? Seit 2002<br />

ist Ekkehard Geiger der Vertreter des<br />

<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> <strong>Verein</strong>s im Stiftungsrat<br />

für <strong>die</strong> Stiftung Kreisau für Europäische<br />

Verständigung.

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