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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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Abschließende Bemerkungen und<br />

Einschätzungen<br />

l Gardiner und <strong>Reichwein</strong> gehörten<br />

beide der Jugendbewegung<br />

an und nahmen aktiv an ihr teil;<br />

Gardiner hatte dabei auch intensive<br />

Kontakte zur deutschen Jugendbewegung<br />

und hat an vielen<br />

ihrer Veranstaltungen mitgewirkt.<br />

Beide trafen sich in Hellerau<br />

bei einer “Nordischen Jugendtagung”<br />

und waren seitdem<br />

Freunde. Beide waren von dem<br />

Beitrag von Fahrten, Arbeitslagern,<br />

Volkshochschulen und Pädagogischen<br />

Akademien für eine<br />

“Volkwerdung” überzeugt und<br />

waren dabei auch von den Ideen<br />

C. H. Beckers und seiner Kulturpolitik<br />

beeinflusst, der seinerseits<br />

<strong>die</strong> Ideen der Jugendbewegung<br />

aufgenommen hatte. 38 Für Gardiner<br />

war der Begriff des “Volkes”,<br />

aber auch der der “Rasse”<br />

wichtig. Er plä<strong>die</strong>rt für einen Zusammenschluss<br />

der nordischen<br />

Völker um <strong>die</strong> Nord- und Ostsee;<br />

seine Vorstellungen einer “germanischen<br />

Welt” haben dabei<br />

rassistische Anklänge. - <strong>Reichwein</strong><br />

setzt sich für <strong>die</strong> Einheit des<br />

Volkes ein, möchte <strong>die</strong>se aber<br />

durch den Sozialismus anstreben<br />

und sieht dabei <strong>die</strong> “Nation” als<br />

<strong>die</strong> Verwirklichung “unserer Existenz<br />

in letzter Form” (vgl. 1932.<br />

S. 93) und auch als einen Zwischenschritt<br />

auf dem Wege zu<br />

einem Europa. Er kann offensichtlich<br />

nichts mit der Vorstellung<br />

Gardiners von der “germanischen<br />

Welt” und der anzustrebenden<br />

Einheit der nordischen<br />

Völker anfangen. Darauf spielt er<br />

wohl an, wenn er an Gardiner<br />

schreibt, dass er sich freue, ihn<br />

bald “wieder in Germanien” zu<br />

sehen (Brief vom 1.3.1939, in:<br />

LBD 1999, S. 151). Im Brief vom<br />

nach Libanon, Syrien und Jordanien geführt “<br />

habe.<br />

38 Beide haben einen Aufsatz über C. H. Becker<br />

geschrieben: <strong>Reichwein</strong> 1931, Gardiner 1945.<br />

reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

27<br />

24.4.1939 an Bettina Ostarhild<br />

spöttelt er sogar über “Rolf”, der<br />

“unentwegt auf seinem Posten”<br />

sei und “den Germanen freie<br />

Hand im slawischen – nach Rolfs<br />

Meinung staatsunfähigen - Osten”<br />

(BBF AR-Archiv) geben<br />

möchte.<br />

l Dass Gardiner mit den Nationalsozialisten<br />

sympathisierte und<br />

sich antisemitisch geäußert hatte,<br />

ist für <strong>die</strong> Zeit von 1933/34 zu<br />

belegen. Hans Raupach, von<br />

1930 bis 1932 hauptamtlicher<br />

Leiter des Grenzschulheims<br />

Boberhaus und Mitwirkender<br />

beim Aufbau der ersten Arbeitslager,<br />

hat Gardiner bei seiner<br />

“Gedenkrede” 1972 als einen<br />

“Mann der konservativen Revolution”<br />

bezeichnet, “der den Mittelweg<br />

zwischen radikaler liberaler<br />

Entbindung und kollektivistischer<br />

Zwangsordnung suchte,<br />

und der sich dabei in anschaulicher<br />

Denkweise an vorindustriellen,<br />

gleichsam gewachsenen<br />

Ordnungen orientierte, deren<br />

Symbole der besseren Vergangenheit<br />

in Bauwerk, Siedlungsgestalt<br />

oder in der Musik erblickt<br />

wurden” (1973, S. 13). Als nach<br />

1933 alle Bestrebungen der Jugendbewegung<br />

unter dem NS-<br />

Regime begraben wurden, habe<br />

Gardiner sich in England bemüht,<br />

“das Positive in den ersten Jahren<br />

des Führerstaates zu entdecken<br />

und damit den Weg zum<br />

Besseren offenzuhalten” (S. 19;<br />

vgl. auch Jefferies/Tyldesley<br />

2011a, S. 11f.). Er erwartete von<br />

dem NS-Regime eine Weiterentwicklung<br />

des Volkes und von der<br />

Reichsnährstandspolitik eine Unterstützung<br />

der Landreformbewegung.<br />

Die Einschätzung Gardiners<br />

durch Raupach ist dabei<br />

sehr moderat, wenn man etwa<br />

an dessen Briefe an <strong>die</strong> “Times”<br />

und an Goebbels denkt. Ab 1934<br />

zeigte sich bei Gardiner eine Ernüchterung<br />

über das NS-Regime<br />

und eine Distanzierung von dessen<br />

Machtpolitik. - <strong>Reichwein</strong><br />

distanzierte sich 1931 vom Nati-<br />

onalsozialismus und dem “neuen,<br />

lebensgefährlichen Kollektivismus<br />

der Blutjünger” (Brief an<br />

Curtius vom 28.11.1931, in: LBD<br />

1999, S. 116), wollte der NSDAP<br />

jedoch 1932 noch <strong>die</strong> Chance zur<br />

“praktischen Bewährung ihrer<br />

sozialistischen Ideen” (Prerower<br />

Protokoll, in: LBD 1999, S. 382)<br />

geben, nicht aber mehr nach der<br />

Machtübernahme der Nationalsozialisten<br />

und dem Beginn des<br />

Dritten Reiches. Er hat offensichtlich<br />

auch bei den Treffen mit<br />

Gardiner seine Einschätzung der<br />

Nationalsozialisten und des NS-<br />

Regimes in aller Deutlichkeit vorgetragen.<br />

l Es waren zwei Freunde, deren<br />

Beziehung zueinander nicht ohne<br />

Probleme war. <strong>Reichwein</strong> war<br />

aus Sicht Gardiners zu “intellektuell”,<br />

hielt Distanz zum “Führungskern”<br />

der bündischen Jugend<br />

und hatte <strong>die</strong> “Ostidee”<br />

und <strong>die</strong> Bestrebungen des<br />

Boberhauses und des Musikheims<br />

Frankfurt/Oder in seiner<br />

“Tragweite” nicht “richtig verstanden”<br />

(Gardiner 1960, S. 7), er<br />

habe sich daher auch gegen Buske<br />

ausgesprochen. Vermutlich<br />

hat sich <strong>Reichwein</strong> in den Anfangsjahren<br />

des Dritten Reiches<br />

aus Gardiners Sicht auch zu deutlich<br />

vom NS-Regime abgegrenzt. -<br />

<strong>Reichwein</strong> wiederum distanzierte<br />

sich von Gardiners Germanentum<br />

und seinen völkischen Vorstellungen<br />

und kritisierte ihn,<br />

weil er <strong>die</strong> Ziele und <strong>die</strong> Machtpolitik<br />

der Nationalsozialisten<br />

lange unterschätzte. Bemerkenswert<br />

ist trotz der gegenseitigen<br />

Kritik: 1. Sie konnten <strong>die</strong><br />

Leistungen des anderen sehen<br />

und anerkennen: <strong>Reichwein</strong> Gardiners<br />

Aktivitäten im landwirtschaftlichen<br />

und kulturellen Bereich<br />

in Springhead, Gardiner<br />

<strong>Reichwein</strong>s Bemühungen um<br />

Schule und Erziehung sowie um<br />

ein anderes Deutschland und um<br />

ein Europa. 2. Sie akzeptierten<br />

schließlich auch, dass der andere<br />

eine andere Meinung vertrat und

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