„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
<strong>Reichwein</strong>, 1898 in Ems geboren, von den Nationalsozialisten<br />
1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet, war<br />
Kulturpolitiker, Pädagoge und Widerstandskämpfer<br />
gegen den Nationalsozialismus. Der Lehrersohn stu<strong>die</strong>rte<br />
von 1920 bis 1923 Geschichte und Staatsbürgerkunde<br />
in Marburg. In einem Brief <strong>Reichwein</strong>s aus<br />
Marburg, den Metz-Becker zitiert, heißt es: „Studium<br />
und Menschen sind hier sehr interessant und aufregend".<br />
Später war der verheiratete Vater von vier Kindern<br />
Professor in Halle und als Pädagoge in Berlin tätig.<br />
<strong>Reichwein</strong> war laut Metz-Becker an der Niederschlagung<br />
des Kapp-Putsches aktiv beteiligt.<br />
Über sein Leben ist in entsprechenden Quellen nachzulesen:<br />
Schwer verwundet kehrt er aus dem Ersten<br />
Weltkrieg zurück, stu<strong>die</strong>rt zunächst in Frankfurt,<br />
wechselt dann nach Marburg, wird Mitglied der Akademischen<br />
<strong>Verein</strong>igung.<br />
An der Philipps-Universität promoviert er über <strong>die</strong><br />
geistigen und künstlerischen Einflüsse Chinas auf<br />
Europa im 18. Jahrhundert. In Jena gründet und leitet<br />
er <strong>die</strong> Volkshochschule und das Arbeiterbildungsheim.<br />
In seinem „Hungermarsch" durch Lappland beschrieb<br />
er, aus der Wandervogel-Bewegung kommend,<br />
tagebuchartig eine extreme Wanderung mit jungen<br />
Arbeitslosen in den hohen Norden.<br />
„Schaffendes Schulvolk”<br />
<strong>Reichwein</strong> nimmt an den Löwenbergen Arbeitslagern<br />
teil, wird Berater des preußischen Kultusministers<br />
Carl Heinrich Becker. In Halle/Saale wird er Professor<br />
an der neu gegründeten Pädagogischen Akademie. Die<br />
Nazis entlassen ihn nach der Machtergreifung aus politischen<br />
Gründen.<br />
Als Volksschullehrer in Tiefensee führt er vielbeachtete<br />
Unterrichtsversuche im Sinne der Reformpädagogik<br />
und speziell der Arbeitspädagogik und Projektarbeit<br />
durch.<br />
In seinem Werk „Schaffendes Schulvolk" nennt er<br />
Fahrten, handlungsorientierten Unterricht mit Schulgarten<br />
und jahrgangsübergreifende Vorhaben als<br />
Schwerpunkte.<br />
<strong>Reichwein</strong> teilt <strong>die</strong> Unterrichtsinhalte ein in einen<br />
Sommerkreis mit Natur- und Weltkunde und einen<br />
Winterkreis mit dem Mensch als Gestalter in seiner<br />
Landschaft. Experten halten fest: „Für den Sachkundeunterricht<br />
und seine Geschichte hat er dabei wichtige<br />
historische Dokumente geliefert.<br />
Es folgen der Wechsel ans Museum für Volkskunde in<br />
Berlin mit museumspädagogischer Arbeit. <strong>Reichwein</strong><br />
produziert an der Reichsanstalt für Film und Bild in<br />
Wissenschaft und Unterricht viele Unterrichtsfilme.<br />
Im Widerstand gegen Hitler schließt er sich dem<br />
75<br />
Kreisauser Kreis an, ist im Falle eines erfolgreichen<br />
Umsturzes sogar als Kultusministerkandiat vorgesehen.<br />
Julius Leber, Reichstagsabgeordneter der<br />
SPD und ebenfalls Widerstandskämpfer, trifft sich mit<br />
<strong>Reichwein</strong> Ende Juni 1944 mit mehreren führenden<br />
Mitgliedern der Operativen Leitung der KPD in<br />
Deutschland, von denen aber einer offenbar ein Spitzel<br />
der Gestapo ist.<br />
Auf dem Weg zu einem erneuten Treffen mit den Kommunisten<br />
wird <strong>Reichwein</strong> am 4. Juli 1944 von der Gestapo<br />
verhaftet und nach einem Prozess unter Roland<br />
Freisler vor dem Volksgerichtshof am 20. Oktober<br />
1944 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee erhängt.<br />
Zahlreiche Stätten, Schulen und Straßen sind nach<br />
ihm benannt.<br />
Zur Erinnerung, an <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> finden sich in<br />
Marburg, ein Archiv und ebenfalls eine Schule, <strong>die</strong><br />
seinen Namen tragen. Am Haus Nikolaistraße 3, in<br />
dem <strong>die</strong> Akademische <strong>Verein</strong>igung tagte, der <strong>Reichwein</strong><br />
angehörte, ist eine Gedenktafel angebracht. Auch<br />
in Limburg ist eine Schule nach <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> benannt<br />
Der im Marburger Wenzel Verlag erschienene Führer<br />
„Hundert Menschen - Hundert, Orte" kann über den<br />
Handel, im Marburger Haus der Romantik oder beim<br />
Verlag erworben werden. Er kostet 7,50 Euro.<br />
22. 09. 2011<br />
Leserbriefe<br />
Pädagoge, Widerständler und Persönlichkeit<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> wirkt fort<br />
Zum Beitrag mit der Überschrift „Die Nazis richten <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
hin", erschienen am 18. September auf den Seiten „Heimat<br />
an Lahn und Dill", erreichte <strong>die</strong> Redaktion der folgende Leserbrief.<br />
Über meine verstorbene Frau Lieselotte, geb. Rompel,<br />
eine Verwandte <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s, <strong>die</strong> ihn noch persönlich<br />
gekannt hat, habe ich einen guten Zugang zur<br />
Person <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>, seinem Leben und Wirken<br />
bekommen. Er muss eine beeindruckende Persönlichkeit<br />
gewesen sein. Eine schwere Verwundung im Ersten<br />
Weltkrieg und zahlreiche Stu<strong>die</strong>nreisen und Exkursionen<br />
durch Nordamerika, Alaska und Mexiko,<br />
Japan und China, durch Südosteuropa und Skandinavien,<br />
darunter sein berühmter, von ihm selbst in<br />
einem kleinen Buch beschriebener „Hungermarsch<br />
durch Lappland” mit jungen Arbeitslosen, haben sei-