„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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„Schule und Museum“ am Volkskundemuseum<br />
in Berlin in <strong>die</strong>sen Jahren<br />
ohnehin durchgeführt hat. Es ist kein<br />
Zufall, dass der Tagungsplan des Dokuments<br />
9 von 1942 von dem Lehrgangsplan<br />
des Dokumentes 1 und<br />
dem Arbeitsbericht des Dokumentes<br />
2 von 1940 nicht leicht zu unterscheiden<br />
ist. Eine irgendwie übertriebene<br />
Anbiederung <strong>Reichwein</strong>s an <strong>die</strong> NS-<br />
Ideologie ist in den Warthegau-<br />
Dokumenten, soweit sie von ihm<br />
stammen, nicht zu erkennen, wenn<br />
man sie nicht in der relativ häufigen,<br />
substantivischen oder adjektivischen<br />
Verwendung des Begriffes „Volk“<br />
entdecken will. Und gegen den Sinn<br />
und Zweck von <strong>Reichwein</strong>s Arbeit im<br />
Warthegau, nämlich <strong>die</strong> deutschstämmigen<br />
Umsiedler, wenn sie denn<br />
schon zwangsweise umgesiedelt worden<br />
waren, durch Schulung in Heimarbeit<br />
und Handwerk in ihrer neuen<br />
Umgebung heimisch zu machen und<br />
dabei gleichzeitig verschüttete bäuerliche,<br />
handwerkliche Traditionen wiederzubeleben,<br />
kann man wenig einwenden.<br />
Dass <strong>die</strong>se Zielsetzung mit<br />
der der zuständigen NS-Behörden und<br />
NS-Verbände übereinstimmte und<br />
dass <strong>Reichwein</strong> auf deren Kooperation<br />
und Unterstützung angewiesen<br />
war, kann man ihm ebenfalls kaum<br />
zum Vorwurf machen, nachdem und<br />
wenn er <strong>die</strong>sen Auftrag einmal angenommen<br />
hatte. Eine ganz andere Frage<br />
ist, warum eigentlich <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
so sehr an der Wiederbelebung<br />
des alten bäuerlichen Handwerks gelegen<br />
war, womit er für <strong>die</strong> Angebote<br />
des NS-Regimes anfällig wurde.<br />
Indessen lässt sich in den von <strong>Reichwein</strong><br />
verfassten Warthegau-<br />
Dokumenten auch nicht erkennen –<br />
und das ist das, was Frau Hohmann<br />
wiederholt kritisiert und moniert hat -<br />
, dass er sich über <strong>die</strong> Problematik<br />
seines Einsatzes für <strong>die</strong> volkskundliche<br />
Bildung der neu angesiedelten<br />
„Volksdeutschen“ aus den besetzten<br />
Ostgebieten im Warthegau im Klaren<br />
war. Die im „Warthegau“ bzw. der<br />
Provinz Posen heimischen Polen oder<br />
auch Juden werden, im Unterschied<br />
zu den alteingesessenen deutschen<br />
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
42<br />
Bauern, mit keinem Wort erwähnt,<br />
weder <strong>die</strong> dort noch ansässigen, noch<br />
<strong>die</strong> bereits ausgesiedelten, vertriebenen<br />
oder in Lager deportierten. Ebenso<br />
wenig übrigens, wie <strong>die</strong> besonderen<br />
Probleme und Lebensumstände<br />
der neu angesiedelten „volksdeutschen“<br />
Bauernfamilien, für <strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong>s<br />
Schulungskurse letztlich bestimmt<br />
waren. Dies ist in der Tat erklärungsbedürftig.<br />
Dazu kann man Folgendes sagen: Zunächst<br />
einmal handelt es sich bei den<br />
einschlägigen, vor allem bei den besonders<br />
wichtigen Dokumenten 4, 5<br />
und 7, von denen zwei eindeutig von<br />
<strong>Reichwein</strong> stammen, um amtliche<br />
Dokumente, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Aktenablage<br />
bestimmt waren. In solchen Dokumenten<br />
hat man, nach alter deutscher<br />
Beamtentradition, keine persönlichen<br />
Meinungen geäußert, wenn<br />
man sich nicht mit seinen Vorgesetzten<br />
anlegen wollte. Das galt natürlich<br />
besonders im NS-Regime und besonders<br />
für <strong>Reichwein</strong>, der bereits zu den<br />
subversiven Dissidenten des<br />
„Kreisauer Kreises“ in Verbindung<br />
stand. Aber auch in den privaten<br />
Briefen <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s von 1942<br />
finden sich, soweit sie erhalten sind,<br />
keine Hinweise auf <strong>die</strong> Probleme im<br />
Warthegau und auf <strong>die</strong> Problematik<br />
seines Arbeitseinsatzes in <strong>die</strong>sem Gebiet<br />
im Jahr 1942. Hier gilt aber im<br />
Grunde etwas Ähnliches. Seitdem das<br />
Postgeheimnis nicht mehr bestand<br />
und seitdem <strong>Reichwein</strong> zum Kreisauer<br />
Kreis gehörte, musste er mit politischen<br />
Äußerungen in seinen Briefen<br />
besonders vorsichtig sein, das hat er<br />
schon im Frühjahr 1933 Bettina Israel<br />
zu verstehen gegeben, und daran hat<br />
er sich auch gehalten. Darauf beruht<br />
ja gerade <strong>die</strong> politische Dürftigkeit der<br />
von <strong>Reichwein</strong> erhaltenen Briefe aus<br />
den 30er und 40er Jahren und auch<br />
der Briefe vieler anderer Dissidenten<br />
in <strong>die</strong>ser Zeit, welche <strong>die</strong> Historiker<br />
zur Verzweiflung treibt. Frau Hohmann<br />
hat also in den <strong>Reichwein</strong>-<br />
Dokumenten etwas gesucht und nicht<br />
gefunden, was sie dort nicht finden<br />
konnte. Und was <strong>Reichwein</strong> in persönlichen<br />
Gesprächen politisch geäu-<br />
ßert hat, wissen wir nicht. Es ist nur<br />
bekannt, dass er in solchen Gesprächen<br />
bis zur Leichtsinnigkeit offen und<br />
redselig sein konnte.<br />
Einen Sonderfall bildet in der Tat<br />
<strong>Reichwein</strong>s Kooperation mit dem SS-<br />
Obergruppenführer Koppe und über<br />
ihn mit dem Reichsstatthalter im<br />
Warthegau Arthur Greiser und mit<br />
dem Reichskommissar für <strong>die</strong> Festigung<br />
deutschen Volkstums Heinrich<br />
Himmler (vgl. Hohmann, S. 173) bei<br />
der Organisation seiner Kurse im<br />
Warthegau, <strong>die</strong> in den Dokumenten 4,<br />
5 und 7 dreimal erwähnt wird. Sie<br />
wirkt aus heutiger Sicht tatsächlich<br />
überraschend, befremdlich und bedenklich,<br />
und Frau Hohmann hat sie<br />
<strong>Reichwein</strong> besonders übel genommen.<br />
Dazu kann man zunächst feststellen,<br />
dass Obergruppenführer Koppe, wie<br />
aus Dokument 4 klar hervorgeht,<br />
<strong>Reichwein</strong> zu sich nach Posen „gebeten“<br />
hat, weil er von seiner volkskundlichen<br />
Arbeit in Ostpreußen gehört<br />
hatte und weil er mit ihm ein<br />
Projekt für eine ähnliche volkskundliche<br />
Arbeit mit den Umsiedlern<br />
im Warthegau besprechen wollte.<br />
Dass <strong>Reichwein</strong> <strong>die</strong>se Einladung von<br />
sich aus betrieben hätte, geht aus den<br />
Dokumenten nicht hervor und wäre<br />
eine böswillige Unterstellung. Konnte<br />
<strong>Reichwein</strong> <strong>die</strong>se Einladung, <strong>die</strong>se Aufforderung<br />
ablehnen? Unter den damaligen<br />
Umständen wohl kaum, er<br />
musste sich zum mindesten anhören,<br />
was Herr Koppe von ihm wollte.<br />
Konnte er danach den Vorschlag Koppes<br />
für eine „volkskundliche“ Kooperation<br />
im Warthegau ablehnen? Vielleicht,<br />
wenn er gute Gründe gehabt<br />
hätte, <strong>die</strong> in seiner ohnehin bestehenden<br />
Arbeitsüberlastung durchaus<br />
gegeben waren. <strong>Reichwein</strong> hat das<br />
nicht getan und sich auf das „Abenteuer<br />
Warthegau“ eingelassen, aus<br />
welchen Gründen <strong>immer</strong>. Ein Grund<br />
könnte gewesen sein, dass er als Angehöriger<br />
des Kreisauer Kreises <strong>die</strong><br />
„Deckung“ durch hohe NS-Führer und<br />
NS-Behörden gut gebrauchen konnte,<br />
<strong>die</strong> er bis dahin nicht hatte. Vielleicht