„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

Erinnerungsschrift „Die Begegnung“
über das erste Zusammentreffen mit
Reichwein, als dieser bei ihm vorsprach
und ihn zur Mitarbeit an der
Volkshochschule zu Fragen der „Menschenführung
und Menschenbehandlung“
gewinnen wollte. Aus dieser
Schrift seien einige Passagen angeführt,
in denen Haase das von seinem
Gesprächspartner gewonnene Menschenbild
einfängt. „Genau so hast du
dir diesen Mann vorgestellt, in jedem
Satz und in jeder Geste er selbst, bestimmt,
liebenswürdig, klug, gesund
und vor allem gewinnend, bis zur
Entwaffnung gewinnend.“ - „Wie
packt dieser Mensch die Sprache an
.... und wie rasch dringt er in ihre Hintergründe
vor, geschmeidig und sicher,
vorsichtig und einprägsam ... Es
war ein bis ins Letzte gebildetes
Deutsch.“ - „Ich weiß nicht mehr, wie
die Unterhaltung weiterlief. Ich weiß
nur noch, daß mich allein der Mensch
interessierte, der etwas von mir wollte,
wozu ich längst im Innern ja gesagt
hatte.“
Dem Ende des vorletzten Absatzes ist
eindeutig zu entnehmen, dass dieser
Artikel erst nach der Hinrichtung
Adolf Reichweins als Widerstandskämpfer
durch den Nationalsozialismus
entstanden ist. 1927 ist Haase
erstmalig zum Vorsitzenden im Vorstand
der Jenaer Volkshochschule
gewählt worden. Ein zweiter Beitrag
von Otto Haase mit dem Titel „Die
Amerikafahrt und die Volkshochschule“
verweist anfangs auf einen weiteren
Besuch Reichweins auf der Sophienhöhe
zusammen mit dem damals
zwar noch jungen, aber schon
weithin bekannten Physiker Heisenberg.
Dieses Treffen bot die Gelegenheit,
Heisenbergs Vortragsreihe zum
philosophischen Fundament naturwissenschaftlicher
Erkenntnis mit der
des Gastgebers über Menschenkenntnis
abzustimmen, die beide
recht erfolgreich abliefen. Um für die
von Reichwein geplante Weltreise die
Leitung der Jenaer Volkshochschule in
guten Händen zu wissen, hatte er für
die Vertretung dieses Amtes Otto
Haase vorgesehen.
Die während der Abwesenheit Reich-
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012
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weins in Jena grassierende Ungewissheit
über dessen Verbleiben hatte sogar
zur Folge, dass eine Vorstandssitzung
der Volkshochschule einberufen
wurde, um die aufgeregten Gemüter
zu beruhigen. Nur den wenigsten war
bekannt, dass er auf der großen Reise
jede freie Minute zur Fertigstellung
seines wissenschaftlichen Hauptwerkes
benutzte. Die Sorge der Jenaer
um Reichwein war indessen nicht
ganz begründet, befindet sich doch
unter den abgedruckten Dokumenten
ein Brief vom Januar 1927 an den
damals in Jena sehr bekannten Dr.
Herbert Koch, worin er über seine Tätigkeit
auf dem Schiff, die während
der Seefahrt aufgenommenen Eindrücke,
ferner über die dem Entwicklungsstand
nach sehr unterschiedlichen
wirtschaftlichen Verhältnisse berichtet
und sich nach dem Helferkreis
erkundigt, dem er bei dieser Gelegenheit
seine Grüße übermittelt.
Unter den abgedruckten Dokumenten
befinden sich auch mehrere im Umfang
ganz unterschiedliche Rezensionen
zu Reichweins Buch „Die Rohstoffwirtschaft
der Erde“. Insgesamt
erfuhr das Buch trotz unterschiedlicher
Betrachtungsstandpunkte und
Herangehensweisen eine sehr positive
Bewertung im Hinblick auf die Herausbildung
einer Weltwirtschaft. Es
bietet eine Übersicht über den großen
Reichtum des Rohstoffvorkommens
auf der Erde, geht auf die Einzelgebiete
des Wirtschaftsganzen ein, gibt
Auskunft über „Entwicklungstendenzen
der einzelnen Produktionszweige
und Ländergebiete“, betont die Tendenz
zur Monopolbildung für bestimmte
Rohstoffvorkommen, verweist
auf die rasante wirtschaftliche
Entwicklung in den Vereinigten Staaten,
auf die Konfliktträchtigkeit wirtschaftlicher
Vormachtstellungen und
auf die Möglichkeit rationeller Nutzung
der Rohstoffe mit Hilfe wissenschaftlicher
Erkenntnisse. Beachtenswert
sind auch die Feststellungen,
wonach Deutschland hinsichtlich der
Kontrolle über Rohstoffe kraftlos ist,
dass in Reichweins Buch die soziale
Frage unbeachtet blieb und darin auf
die produktionssteigernde künstliche
Bewässerung und Düngung eingegangen
wurde.
Von großem Wert unter den in den
Band aufgenommenen Dokumenten
sind die Beiträge ehemaliger Teilnehmer
der Volkshochschule Jena, die
sich auf die Wirtschaftsschule, die Jugendvolkshochschule,
das Volkshochschulheim
und die Balkanreise beziehen.
Den Berichten zufolge wurde die
Wirtschaftschule mit einer Sonderwoche
zu Hauptproblemen des Arbeitsrechts
begonnen. Fortgesetzt wurde
sie mit zwei von Professoren in „Arbeitsgemeinschaften“
gehaltenen
Vortragsfolgen zur Wirtschaftsgeschichte
und Betriebslehre, zu denen
auch die behandelten Teilgebiete angeführt
wurden. Nach dem Urteil der
Teilnehmer war für sie und ihre Tätigkeit
als „Partei- und Gewerkschaftsfunktionär“
die Wirtschaftsschule von
großem Gewinn.
Die Teilnehmerberichte über den Besuch
der Jugendvolkshochschule bestätigen
das über ihre Tätigkeit an
früherer Stelle schon Ausgeführte.
Neu ist darin die Schilderung über die
im Winter bei Schnee und Kälte unternommene
Fahrt zum Thüringer
Wald, um sich dort mit der wirtschaftlichen
Lage der Heimarbeiter vertraut
zu machen, den Glasbläsern bei der
Arbeit zuzusehen, die kleine Fläschchen,
allerhand Getier und Christbaumschmuck
herstellten. Ein Museumsbesuch
in Lauscha sollte Einblick
in die Entwicklung dieser Art der
Glasverarbeitung geben, während die
Besichtigung des Sonneberger Spielzeugmuseums
mit der Entwicklung
der Spielwarenindustrie vertraut machen
sollte.
Auf der Rückfahrt vom Thüringer
Wald wurde dem Volkshochschulheim
in Dreißigacker ein Besuch abgestattet
und in Zella-Mehlis im Mercedes-
Werk der Herstellungsprozess von
Schreibmaschinen verfolgt.
Zwei Beiträge über das Volkshochschulheim
als „Bildungsstätte für junge
Arbeiter“ wurden von Teilnehmern
des ersten Heimlehrganges verfasst.
Abgesehen von der an früherer Stelle
schon erläuterten Unterrichtstätigkeit