„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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Schularbeit mit “Erfolg” gehalten habe,<br />
einen in der Landschaft Dorset und<br />
einen in der Landschaft Devon, dass er<br />
auch “Gelegenheit” hatte, das englische<br />
Schulwesen kennenzulernen und<br />
dass er noch an der “Sommerschule<br />
eines befreundeten Kreises von Engländern”<br />
(S. 143), gemeint ist der<br />
Springhead-Ring, teilnehmen werde<br />
(vgl. Amlung 1999, S. 350 ff.). Dass<br />
sein Vortrag über das ländliche Schulsystem<br />
in Deutschland tatsächlich<br />
recht positiv aufgenommen worden<br />
war, ergibt sich aus zwei englischen<br />
Presseberichten und aus dem Protokoll<br />
von Lis Hasager (AR-WA 4, 2011,<br />
S. 447ff.). Gardiner hat in seinem Aufsatz<br />
über “<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>” (1949) 35<br />
über <strong>die</strong>sen Besuch <strong>Reichwein</strong>s berichtet.<br />
Das Anliegen der Schule in Tiefensee<br />
charakterisiert er wie folgt: Das<br />
Leitmotiv der Schule hieß “Etwas aus<br />
nichts zu machen”, und tatsächlich<br />
habe sich <strong>die</strong> Schule ihre eigene Welt<br />
erst geschaffen: den Garten, <strong>die</strong><br />
Werkstatt, <strong>die</strong> Möbel, das Geschirr,<br />
<strong>die</strong> Musikinstrumente, ein Treibhaus.<br />
<strong>Reichwein</strong> habe mit seinen “sparsamen<br />
Methoden” gezeigt, wie <strong>die</strong> Kinder<br />
“ohne Hilfe eines teuren Apparates<br />
und kostbarer Geräte” lernten; sie<br />
waren an den “Unterrichtgegenständen”<br />
interessiert, “weil alles im Zusammenhang<br />
mit lebendiger Erfahrung<br />
und praktischer Arbeit gelehrt<br />
wurde” (1949, S. 21). Nichts im “Schaffenden<br />
Schulvolk” lasse “auch nur von<br />
fern an <strong>die</strong> Naziideologie oder Propaganda”<br />
denken, und trotzdem habe er<br />
sich mit dem Buch <strong>die</strong> Behörden nicht<br />
zu “Gegnern” (S. 20) gemacht. <strong>Reichwein</strong><br />
habe auch einige englische Schulen<br />
besucht, dabei auch moderne<br />
Zentralschulen, meine aber, dass <strong>die</strong><br />
englische Schulreform “auf dem falschen<br />
Wege” sei; er habe <strong>die</strong> Förderung<br />
von “Sparsamkeit” und “Selbstvertrauen”,<br />
von “Phantasie und Spontaneität”<br />
für viel wichtiger gehalten<br />
als “das Einfiltrieren einer vorgekauten<br />
Wissenschaft und sogenannten<br />
35 Vgl. in Henderson 1958, S. 136 – 139 <strong>die</strong><br />
Übersetzung des Berichtes aus: Wessex Letters<br />
vom Springhead.<br />
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
25<br />
´Kultur`” (S. 21). In einem Brief an<br />
Gardiner vom 1.2.1938 schrieb <strong>Reichwein</strong>s<br />
dann, dass er “nicht neidlos<br />
bleiben (könne) angesichts der Stetigkeit<br />
solchen Aufbaus” bei der Schulreform,<br />
wenn er auch “Einwände” (LBD<br />
1999, S. 151) habe. Der Aufbau der<br />
englischen Schulen fand also durchaus<br />
sein Interesse, und er überlegte, wie<br />
er seine Landschule in Tiefensee weiter<br />
ausbauen könnte. Nicht zuletzt<br />
durch <strong>die</strong> “´offizielle` Resonanz” auf<br />
sein Buch “Schaffendes Schulvolk”<br />
beim Reichsnährstand und bei der Hitlerjugend<br />
hatten sich seine Kontakte<br />
hierhin verstärkt (vgl. Brief an Flitner<br />
vom 3.12.1938, in: LBD 1999, S. 146);<br />
der Reichsnährstand war durch Gardiner<br />
auf <strong>Reichwein</strong>s ländliches Schulkonzept<br />
aufmerksam gemacht worden<br />
(S. 340). <strong>Reichwein</strong> hatte als “Ehrengast”<br />
am 6. Reichsbauerntag (20. –<br />
27.11.1938) in Goslar teilgenommen<br />
und an der Erstellung eines “Sonderheftes<br />
zur Landschule” mitgewirkt,<br />
hatte es allerdings abgelehnt, den<br />
“Hauptvortrag” bei der Sondertagung<br />
“Landvolk und Schule” und auch Vorträge<br />
bei “Gemeinschaftskundgebungen<br />
der Landesbauernschaften und<br />
des N.S.L.B.” zu halten, wie er Gardiner<br />
im Brief vom 19.12.1938 mitteilte<br />
(vgl. S. 149). Kurz vorher hatte er Wilhelm<br />
Flitner geschrieben, dass vorgesehen<br />
sei, seine Schule “auszubauen”.<br />
Es solle ein neuer “äußerer Rahmen”<br />
für <strong>die</strong> Landschule geschaffen werden:<br />
“mit Lehrküche, Werkraum usw.”( S.<br />
146). <strong>Reichwein</strong> dachte aber auch weitergehend<br />
an eine “Landschulgruppe”,<br />
an eine Gruppe von Landschulen aus<br />
“drei, fünf oder sieben Dörfern”, <strong>die</strong><br />
“sich gegenseitig ergänzen, tragen und<br />
befruchten” (1934, S. 98; vgl. Amlung<br />
1999, S. 355). Im Brief vom 1.2.1939<br />
teilt er Gardiner mit, dass <strong>die</strong> “Wirkungen”<br />
seines Buches “Schaffendes<br />
Schulvolk” sichtbar seien; <strong>die</strong> Zeitschriften<br />
“Der Deutsche Erzieher” und<br />
“Weltanschauung und Schule” hätten<br />
ihn aufgefordert, einen Beitrag zu<br />
schreiben. Er verwies auf <strong>die</strong> Grenzen<br />
des Sicheinlassens mit den NS-<br />
Instanzen; man dürfe sich keine zu<br />
großen “Hoffnungen” machen, schrieb<br />
er , weil man “nie weiß, was morgen<br />
sein wird” (LBD 1999, S. 151). Es gab<br />
inzwischen auch Überlegungen, eine<br />
“englische Übersetzung” des Buches<br />
herzustellen, vielleicht sogar durch<br />
Gardiners Frau Marabel.<br />
Als <strong>Reichwein</strong> und Götsch nach der<br />
Sommerschule in Springhead nach<br />
Deutschland zurückfuhren, dachten<br />
sie und ihre englischen Freunde wegen<br />
der “Sudentenkrise” schon, der<br />
Krieg stehe bevor und dass sie “Abschied<br />
von einander nehmen“ (Gardiner<br />
1969b, S. 245) müssten; aber<br />
durch das Münchener Abkommen<br />
(29./30.9.1938) war <strong>die</strong> Gefahr erst<br />
einmal gebannt. Bald nach der Englandfahrt<br />
<strong>Reichwein</strong>s gab es eine neue<br />
Begegnung. Gardiner und <strong>die</strong> Springhead-Gruppe<br />
hatten Anfang Oktober<br />
1938 an den Kasseler Musiktagen teilgenommen.<br />
<strong>Reichwein</strong> und Gardiner<br />
hatten sich verabredet, nach <strong>die</strong>sen<br />
Tagen (nach dem 10.10.) “gemeinsam<br />
zu wandern” (LBD 1999, S. 143); beide<br />
sind dann tatsächlich gemeinsam<br />
durch <strong>Reichwein</strong>s “Heimat Hessen-<br />
Nassau” (S. 339) gewandert. Im Brief<br />
an Gardiner nach <strong>die</strong>sem Treffen vom<br />
19.12.1938 hebt <strong>Reichwein</strong> hervor,<br />
dass für <strong>die</strong> “europäischen Dinge” <strong>die</strong><br />
“letzten Wochen sehr schmerzlich“<br />
waren. Über seine Betroffenheit und<br />
ihrer beider Denken schreibt er weiter:<br />
“Ich zog mich ganz nach innen und<br />
in meine tägliche Arbeit; mein langes<br />
Schweigen ist mit darin begründet. Da<br />
ist nicht viel zu sagen. Das beruhigende<br />
ist, daß wir beide uns, unsere Meinungen,<br />
unsere Arbeit kennen. Daran<br />
ändert sich nichts.” (S. 149)<br />
Eine letzte Begegnung zwischen den<br />
beiden Freunden gab es im März<br />
1939. Gardiner war zusammen mit<br />
Lord Lymington nach Deutschland gekommen;<br />
sie hatten vorher Kontakt<br />
zum Reichsnährstand aufgenommen<br />
(vgl. S. 150) 36 Lymington, ebenfalls<br />
Gutsbesitzer, seit 1934 mit Gardiner<br />
befreundet, hatte eine rechtsgerichte-<br />
36 Über Gardeners früheren Kontakt zum<br />
Reichsnährstand und seine Teilnahme am<br />
Reichsbauerntag 1936 als “Ehrengast” s.o. Abschnitt<br />
1.