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„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

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ter in Burganlagen statt, womit wohl<br />

auch <strong>die</strong> Absicht verbunden war, <strong>die</strong><br />

Teilnehmer in der Abgeschiedenheit<br />

etwas Abstand von den Alltagspflichten<br />

und -sorgen gewinnen zu lassen.<br />

Mit derartigen Wochen musste <strong>die</strong> Erfahrung<br />

gesammelt werden, dass sie<br />

zwar der Schulung leitender Kräfte<br />

der örtlichen Volkshochschulen <strong>die</strong>nen<br />

sollten, aber in der Mehrzahl von<br />

Volks- und Berufsschullehrern besucht<br />

wurden. Daher ging man dazu<br />

über, gebietsweise Tagungen für Leiter<br />

örtlicher Volkshochschulen zu veranstalten.<br />

Als Geschäftsführer der Volkshochschule<br />

Thüringen war <strong>Reichwein</strong> von<br />

Anfang an bestrebt, enge Zusammenarbeit<br />

mit gleichartigen Einrichtungen<br />

in anderen Ländern zu pflegen, in denen<br />

wie im europäischen Norden <strong>die</strong><br />

Volkshochschulbewegung schon eine<br />

längere Tradition aufweisen konnte.<br />

Von <strong>die</strong>ser Absicht kündet in überzeugender<br />

Weise <strong>die</strong> Anfang August<br />

1925 auf der Albrechtsburg in Meißen<br />

veranstaltete „Deutsch-Nordische<br />

Hochschulwoche“. Sie ist von den<br />

beiden genannten Geschäftsführern<br />

in enger Zusammenarbeit mit sächsischen<br />

und skandinavischen Kollegen<br />

vorbereitet worden. Die Zusammenkunft<br />

sollte ein Gesamtbild vom Stand<br />

der Volkshochschularbeit in Deutschland<br />

und Skandinavien vermitteln, zugleich<br />

aber auch dem Austausch über<br />

für alle Seiten gemeinsame Probleme<br />

und dafür geeignete Lösungswege<br />

<strong>die</strong>nen.<br />

Unter den im Band enthaltenen wirtschaftsbezogenen<br />

Schriften <strong>Reichwein</strong>s<br />

gibt es einen Beitrag zur Wirtschaftskunde,<br />

der unvermutet eine<br />

Aussage zur Aufgabenstellung der<br />

Volkshochschule enthält. Danach „gehören<br />

in den Plan der Volkshochschule<br />

nur Stoffgebiete und Fragenkomplexe,<br />

<strong>die</strong> den arbeitendem Menschen<br />

wirklich lebensnah sind, d.h.<br />

von denen sie wissen, dass sie ihr<br />

Schicksal mitbestimmen oder mitbestimmen<br />

sollen“. Der hier von ihm<br />

eingenommenen Position, wonach <strong>die</strong><br />

Volkshochschule im besten Sinne „Lebensschule“<br />

sein soll, ist er in den für<br />

den Thüringer Verband geplanten und<br />

reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

64<br />

realisierten Veranstaltungen konsequent<br />

gefolgt. Prägnante Beispiele dafür<br />

waren <strong>die</strong> Lauensteinwoche sowie<br />

<strong>die</strong> pädagogisch-politische Konferenz<br />

zu Ostern 1925 in Jena. In deren<br />

Rahmen wurden in Verbindung mit<br />

der <strong>die</strong> Jetztzeit prägenden (groß-) industriellen<br />

Produktionsform mit ihrer<br />

seelenlos gewordenen Arbeit zugleich<br />

deren Auswirkungen auf <strong>die</strong> darin beschäftigten<br />

Arbeitskräfte in ihrem natürlichen<br />

Anspruch auf Selbstbestimmung<br />

und Selbstverwirklichung aufgedeckt.<br />

Zugleich wurde untersucht,<br />

welche Wege zur Humanisierung der<br />

Arbeit beschritten werden können<br />

und welchen Beitrag dazu <strong>die</strong> Sozialpädagogik<br />

leisten kann.<br />

Am Beispiel des in zwei Gruppen jeweils<br />

zweiwöchigen Sommerlagers<br />

der Volkshochschule Thüringen im<br />

Volkshochschulheim von Fritz Klatt in<br />

Prerow lässt sich zeigen, dass es der<br />

Volkshochschule um den ganzen<br />

Menschen geht mit dem Anspruch auf<br />

Erholung bzw. Erneuerung der Kräfte<br />

als auch seinem Verlangen nach aktivem<br />

Schaffen. Diesem Bedürfnis wurde<br />

<strong>die</strong> Tätigkeit in zwei Arbeitsgemeinschaften<br />

gerecht, von denen eine<br />

<strong>die</strong> Geschichte, Gegenwartsverhältnisse<br />

sowie <strong>die</strong> Morphologie des<br />

Ostseeraumes in ihrer geologischen<br />

Bedingtheit zum Gegenstand hatte.<br />

Die zuletzt genannten Vorhaben lassen<br />

zugleich erkennen, dass erfolgreiche<br />

Volkshochschularbeit der engen<br />

Vernetzung ihrer Einrichtungen bedarf.<br />

Erwähnenswert ist auch, dass in<br />

der praktischen Arbeit sowohl das<br />

Modell der doppelten Geschäftsführung<br />

für einen Volkshochschulverband<br />

als auch das der gemeinsamen<br />

Leitung von Lehrgängen durch zwei<br />

Partner erprobt wurden.<br />

Ein das abgedruckte Schrifttum ergänzender<br />

und äußerst wertvoller Teil<br />

des Bandes enthält wichtige und aufschlussreiche<br />

Dokumente für den<br />

Zeitraum 1920 bis 1925. Darin sind<br />

<strong>die</strong> von <strong>Reichwein</strong> während des Studiums<br />

in Frankfurt a.M. und in Marburg<br />

besuchten Lehrveranstaltungen<br />

sowie der gesamte Promotionsvorgang<br />

vom Gutachten des Doktorvaters,<br />

dem Inhalt des Rigorosums mit<br />

den für <strong>die</strong> einzelnen Fächer verteilten<br />

Noten bis zu den Voten der Fakultätsmitglieder<br />

dokumentiert. Des<br />

Weiteren geben <strong>die</strong> Dokumente einen<br />

guten Einblick in das Wirken der Marburger<br />

Akademischen <strong>Verein</strong>igung,<br />

<strong>die</strong> sich als studentische Erziehungsgemeinschaft<br />

„Erkennender“ verstand,<br />

durch <strong>die</strong> Berichte über <strong>die</strong> regelmäßig<br />

abgehaltenen Tagungen. Die<br />

Mitglieder der <strong>Verein</strong>igung waren politisch<br />

äußerst aufgeschlossen und<br />

sehr regsam. Mit ihr blieb <strong>Reichwein</strong><br />

auch nach Beendigung des Studiums<br />

als stets aktiv Mitwirkender bei ihren<br />

Tagungen eng verbunden.<br />

Breiten Raum in dem der Wiedergabe<br />

von Dokumenten <strong>die</strong>nenden Buchteil<br />

nehmen Berichte von Teilnehmern<br />

der Volkshochschulwochen und anderen<br />

von der Volkshochschule Thüringen<br />

getragenen Veranstaltungen ein,<br />

<strong>die</strong> das in vorangegangenen Abschnitten<br />

schon Ausgeführte bestätigen<br />

bzw. ergänzen. Aus dem Dokumententeil<br />

sind zwei von Frauen verfasste<br />

Erinnerungsschriften an <strong>Reichwein</strong><br />

besonders hervorzuheben. Davon<br />

stammt eine von einer Stu<strong>die</strong>nfreundin<br />

von ihm aus der Frankfurter Stu<strong>die</strong>nzeit,<br />

<strong>die</strong> mit ihm und seinen Familien<br />

in erster und zweiter Ehe lebenslang<br />

eng verbunden blieb. Die zweite<br />

stammt von einer Mitarbeiterin aus<br />

der Zeit seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter<br />

für das Kinderhilfswerk in<br />

Berlin. Beide Darstellungen sind deshalb<br />

so bedeutungsvoll, weil in ihnen<br />

nicht ein unentwegt produktiv Schaffender<br />

im Mittelpunkt steht, sondern<br />

der Mensch <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> mit allen<br />

tiefer Menschlichkeit wesenseigenen<br />

Eigenschaften.<br />

Die Aufgabe der auf der Titelseite der<br />

einzelnen Bände angekündigten<br />

Kommentierung der Werkausgabe<br />

wird bandweise auf zweifache Art erfüllt.<br />

Erstens enthält jeder Band vor<br />

der Schriftenwiedergabe ein dem Umfang<br />

nach unterschiedlich langes und<br />

mit Grundinformationen zum Inhalt<br />

der darin erfassten Beiträge sowie mit<br />

Literaturverweisen ausgestattetes<br />

Editorial. Zum anderen enthält jeder<br />

Band mehrere Hundert umfassende<br />

Anmerkungen zu den abgedruckten

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