08.03.2013 Aufrufe

„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

· Susanne Wildhirt: Lehrstückunterricht<br />

gestalten. „Man müsste in <strong>die</strong> Flamme<br />

hineinschauen können“<br />

<strong>Reichwein</strong>s<br />

reformpädagogische<br />

Goethe-Schule<br />

in Tiefensee<br />

Ein Dank 41 an Heinz Schernikau für seinen<br />

tiefgründigen und hellsichtigen <strong>Reichwein</strong>-Aufschluss<br />

in seinem Buch:<br />

Tiefensee – ein Schulmodell aus dem<br />

Geist der deutschen Klassik. Reformpädagogik<br />

am Beispiel <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s<br />

(2009)<br />

Hans Christoph Berg<br />

Einleitung mit einem Überblick über<br />

<strong>Reichwein</strong>s Schulbericht und einer<br />

Leseprobe aus Schernikaus Buch darüber<br />

2<br />

1. <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> hat 1937 seinen<br />

zweihundertseitigen Bericht über sei<br />

ne vierjährige Arbeit in Tiefensee vorgelegt:<br />

„Schaffendes Schulvolk"; anschaulich<br />

und gedankenreich, traditionskundig<br />

und aussichtsreich, zupackend<br />

und feinfühlig geschrieben –<br />

41 Es ist nach 25 Jahren ein zweiter Dank:<br />

„Zwar hat endlich Schernikau (1981) Herders<br />

Weltgeschichte und Humboldts Kosmos<br />

als curriculare Leitschriften des 19.<br />

Jahrhunderts dargestellt; aber meine drei<br />

Dauerfragen nach Lehrstücken und Lehrregeln<br />

im Traditionsstrom an meine Kollegen<br />

von der herrschenden Didaktik sind erst<br />

dann positiv beantwortet, wenn <strong>die</strong>se beiden<br />

Werke didaktisch kommentiert und<br />

sachlich novelliert in unsere Lehrerbildung<br />

eingebracht werden.“ (Berg: Lehrkunst im<br />

Traditionsstrom – dank Wagenschein,<br />

1986).<br />

2 In <strong>die</strong>ser Einleitung übernehme ich im Abschnitt<br />

1 <strong>die</strong> Einleitung aus meinem Nachwort<br />

zur <strong>Reichwein</strong>-Neuedition (1993,<br />

2 2009, mit dem Präludium Berg/Amlung<br />

1988), und im Abschnitt 2 <strong>die</strong> Ankündigung<br />

meiner Schernikau-Rezension im <strong>Reichwein</strong>-Forum<br />

Nr. 15/Juni 2010.<br />

reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />

53<br />

(= Lehrkunstdidaktik, Band 2). hep,<br />

Bern 2008<br />

zugleich ein journalistisch gekonnter<br />

Schulreport wie ein pädagogischliterarisches<br />

Meisterstück, eines der<br />

paar Dutzend klassischen Meisterwerke<br />

der Pädagogik, in Art und Rang<br />

benachbart Pestalozzis Stanser Brief,<br />

Tolstojs Jasnaja Poljana und Neills<br />

Summerhill.<br />

Von den vier Kapiteln bringt das erste<br />

– „Von der Gestaltung" – <strong>die</strong> Grundlinien<br />

oder den Satz der siebenteiligen<br />

Regel, <strong>die</strong> sich in Analogie zur „Odenwald-Ordnung"<br />

(Wagenschein 42008)<br />

und zur „Salemer Regel" (Hahn 1986)<br />

vielleicht als „Tiefensee-Regel" zusammenfassen<br />

lassen. Die sieben Teilregeln<br />

sind: Selbsthilfe (1) und Gegenseitige<br />

Hilfe (2), Einleben in den natürlichen<br />

Kreislauf der Dinge (3) und<br />

Aneignung des maßgeblichen kulturellen<br />

Grundstocks (4), Sparsame Beschränkung<br />

(5) und Sachlichkeit (6),<br />

und alles gerichtet auf Werkschaffen<br />

(7). Beispielhaft kommt seine fünfte<br />

Regel – Sparsame Beschränkung:<br />

‚mach' möglichst viel aus möglichst<br />

wenig’ – in einem seiner Unterrichtsprojekte<br />

zum Ausdruck: „Das<br />

Glasdach stellte wieder neue eigenartige<br />

Anforderungen: viel Glas und wenig<br />

Holz war <strong>die</strong> Parole. Sämtliche<br />

Hausböden wurden durchstöbert, alles<br />

erreichbare Glas zusammengetragen,<br />

geschnitten, gefügt. Es gab nach<br />

Größe und Qualität der Stücke buntes<br />

Mosaik. Wir holten aus einem entfernten<br />

Dorfe Fenster, <strong>die</strong> bei der Erneuerung<br />

des Pfarrhauses überzählig<br />

geworden waren, wir suchten im Keller<br />

der Gärtnerei nach abgelegtem<br />

Bruch von Mistbeeten, kurz, wir bemühten<br />

uns um den Beweis, dass eine<br />

einsame, ländliche Schulgemeinschaft<br />

auch ohne fremde Geldhilfe, wenn sie<br />

nur erfinderisch ist, fast aus dem<br />

(3)<br />

· Vgl. Heinz Schernikau: Tiefenee –<br />

ein Schulmodell aus dem Geist der<br />

deutschen Klassik …, S. 281<br />

Nichts ihre Arbeitsmittel selbst gestalten<br />

und dabei vieles lernen kann, wofür<br />

ihr sonst <strong>die</strong> aus eigener Arbeit<br />

gewonnene Anschauung fehlte." (<br />

<strong>Reichwein</strong> 22009, S. 66; im Folgenden:<br />

R 66)<br />

Das zweite, umfangreichste Kapitel –<br />

„Wie wir es machen" – beschreibt <strong>die</strong><br />

sieben großen Vorhaben (oder Unterrichtsprojekte),<br />

so wie sie sich auch<br />

nach Jahrzehnten in der Erinnerung<br />

seiner Schüler an ihre schöne und ergiebige<br />

Schulzeit erhalten haben mögen:<br />

Bau eines Gewächshauses, Bau<br />

und Beobachtung eines Bienenstockes,<br />

Hausbau von der Steinzeit bis<br />

heute, Erdkunde (besonders Afrika)<br />

im Fliegen, Weihnachtsspiel, schließlich<br />

<strong>die</strong> beiden großen Fahrten nach<br />

Ostpreußen und nach Schleswig-<br />

Holstein. In <strong>die</strong>sen Vorhaben lässt er<br />

seine ganze Lehrkunst spielen: „Wir<br />

machen in unserer ländlichen Schulgemeinschaft<br />

aus der Not des Beieinanders<br />

aller Altersstufen eine Tugend.<br />

Es ist <strong>die</strong> Tugend des neuen,<br />

vom Kind und seiner Sache und nicht<br />

mehr aus der Zerrissenheit der Fächer<br />

bestimmten Unterrichts" (R 57). „Das<br />

Instrument aber zu spielen, ist eine<br />

Kunst, <strong>die</strong> mit dem Orgelspiel vergleichbar<br />

ist, wenn <strong>die</strong>ser gewiss<br />

mangelhafte Vergleich überhaupt erlaubt<br />

ist..." (R 58).<br />

Im dritten Kapitel – „Von den Einfachen<br />

Formen" – legt nun der meisterliche<br />

Unterrichtshandwerker, der<br />

Schulmeister <strong>Reichwein</strong> Rechenschaft<br />

darüber ab, wie er <strong>die</strong> schulische<br />

Kleinarbeit in <strong>die</strong> großen Vorhaben<br />

des Lehrkünstlers <strong>Reichwein</strong> eingebaut<br />

hat. Denn „...Aus dem Gefüge<br />

der Orgelpfeifen Musik zu gestalten,<br />

ist im hohen Sinne nur dem Künstler<br />

gegeben. Also wird unser Erzieher et-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!