„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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te und promovierte in Greifswald 1923<br />
als Jurist und war später Amts- und<br />
Gerichtsrat in Hirschberg. Eberhard,<br />
zwei Jahre älter, aber durch Kriegs<strong>die</strong>nst<br />
1917-19 zeitlich zurückgeworfen,<br />
stu<strong>die</strong>rte in Berlin und Breslau<br />
und promovierte in Breslau 1924 in<br />
Medizin, 1925 in Philosophie (Neukantianer)<br />
und ging dann als Oberarzt<br />
nach Münster. Damit hatte 1925 das<br />
Wohnprojekt Fichteneck seine familiäre<br />
Basis verloren und <strong>die</strong> Familie bot<br />
das Haus zum Verkauf an. Eine neue<br />
Ära konnte beginnen: Das Boberhaus.<br />
Das Boberhaus<br />
Das Entstehen des Boberhauses 8 ist<br />
einer der erwähnten Jugendorganisationen<br />
zu verdanken, der Schlesischen<br />
Jungmannschaft, Teil der in den Jahren<br />
zwischen 1925 und 27 aus Wandervogel-<br />
und Pfadfindergruppen entstehenden<br />
Deutschen Freischar. Die<br />
Schlesische Jungmannschaft ihrerseits<br />
geht auf <strong>die</strong> <strong>die</strong> Initiative des ehemaligen<br />
Führers der Wandervogel-<br />
Hundertschaft von 1919, Hans Dehmel,<br />
zurück. Seit ihrer Gründung 1922<br />
war <strong>die</strong> Jungmannschaft stark im Bereich<br />
des östlichen Deutschlands und<br />
seiner Nachbarstaaten engagiert, insbesondere<br />
in Südost-Europa. Das hatte<br />
naheliegende Gründe in den diversen<br />
deutschen Minderheiten in den<br />
Anrainerstaaten, <strong>die</strong> man unterstützen<br />
wollte.<br />
sche Spracharchiv im Dritten Reich. In: Osnabrücker<br />
Beiträge zur Sprachtheorie 46 (1992), S.<br />
241-26. Überarbeitete Version 2002:<br />
http://homepages.unituebingen.de/gerd.simon/obst.pdf<br />
Dort beachte man <strong>die</strong> erwähnten Kontakte im<br />
Warthegau 1941 zwischen Zwirner und Reichsstatthalter<br />
Greiser, mit dem Angebot, sich der<br />
Mitarbeit des >Deutschen Spracharchivs< „bei<br />
der Bestandsaufnahme der volksdeutschen<br />
Rückwanderer zu be<strong>die</strong>nen“ (S.9)<br />
vgl. dazu in <strong>die</strong>sem Heft S. 39<br />
8 Greiff, Walter: Das Boberhaus in Löwenberg/<br />
Schlesien 1933–1937. Selbstbehauptung einer nonkonformen<br />
Gruppe.<br />
Sigmaringen: Thorbecke 1985; 146 S.<br />
Das Grenzschulheim Boberhaus in Löwenberg.<br />
In: Nasarski, Peter (Hrsg.):Deutsche Jugendbewegung<br />
in Europa. Versuch einer Bilanz. Köln: Verlag<br />
Wissenschaft und Politik, 1967; 415 S.; S. 221-225.<br />
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
8<br />
Ursprünglich wollte <strong>die</strong> Jungmannschaft<br />
eine Art Landerziehungsheim<br />
nach dem Vorbild der Lietzheime oder<br />
der Odenwaldschule errichten, einen<br />
Internatsschulbetrieb für Lehrlinge aus<br />
Schlesien und Südosteuropa, <strong>die</strong> dort<br />
in ihrer Ausbildungszeit wohnen sollten.<br />
Schon 1919 hatte es eine Tagung<br />
jener nur ein Jahr bestehenden Hundertschafter<br />
im Schloss Grembanin in<br />
Posen gegeben, auf <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Idee zurückging.<br />
Das konkretisierte sich jetzt auf ganz<br />
andere Weise durch das Haus Fichteneck.<br />
Die Jungmannschaft betrieb den<br />
Ankauf mit großem Engagement,<br />
sammelte allein 10.000 Reichsmark als<br />
Eigenbeitrag und erwarb mit staatlicher<br />
Unterstützung das Gebäude<br />
1926. Einer der ersten Gäste war der<br />
in Breslau wirkende Juraprofessor Eugen<br />
Rosenstock, Jahrgang 1888, und<br />
Koordinator für Volkshochschularbeit,<br />
der sich schon im September 1920 auf<br />
einer Volkspädagogentagung in Braunau<br />
jenem Personenkreis angeschlossen<br />
hatte, aus dem später der Hohenrodter<br />
Bund entstand, der dann Repräsentant<br />
der „neuen Richtung“<br />
wurde.<br />
Rosenstock überzeugte <strong>die</strong> Betreiber<br />
des Boberhauses von seiner Idee, kein<br />
Internat für Lehrlinge, sondern eine<br />
Stätte der neuen Erwachsenenbildung<br />
für <strong>die</strong>se benachteiligte Region anzubieten.<br />
1926 wurde daher das so genannte<br />
"Grenzschulheim Boberhaus" begründet,<br />
eine Mehrzweckeinrichtung mit<br />
Heimvolkshochschule. Die Arbeit der<br />
Jungmannschaft verband sich damit<br />
ganz konkret mit den Konzepten des<br />
Hohenrodter Bundes bzw. der "Deutschen<br />
Schule für Volksforschung und<br />
Erwachsenenbildung."<br />
Leiter des Boberhauses waren zunächst<br />
heute weniger bekannte Personen,<br />
seit 1927 dann Hans Dehmel,<br />
jetzt Führer der Deutschen Freischar,<br />
1930-32 Hans Raupach, Georg Keil<br />
1932/33 und Walter Greiff 1933-37.<br />
Programm<br />
Das Programm des Grenzschulheims<br />
folgt, einem „Flyer“ der damaligen Zeit<br />
zufolge, der bisherigen Linie der Schlesischen<br />
Jungmannschaft und weist<br />
daher ausdrücklich auf <strong>die</strong> Nähe zu<br />
Polen, Böhmen, Mähren und Siebenbürgen<br />
hin. Das Angebot umfasst<br />
- Ferienschullager für auslandsdeutsche<br />
Jugendliche<br />
- "Lehrjahrvermittlung ins Reich<br />
und in <strong>die</strong> Fremde" für Burschen<br />
und Mädchen aller Berufe<br />
- Schüleraustausche mit Südost-<br />
Europa, Stu<strong>die</strong>naufenthalte ausländischer<br />
Freunde, Kanzlei und<br />
Archiv für praktische Osteuropa-<br />
Kunde.<br />
- mehrmonatige Volkshochschul-<br />
Lehrgänge für männliche Teilnehmer<br />
im Winter und für weibliche<br />
Teilnehmer im Sommer.<br />
- Freizeiten für Lehrlinge und<br />
Jungarbeiter während der stillen<br />
Zeiten in den Betrieben<br />
- Landheimaufenthalt für Stadtschulen<br />
- Arbeitstagungen für Bünde und<br />
Stu<strong>die</strong>ngruppen und schließlich<br />
- Arbeitslager für Arbeiter, Studenten,<br />
Bauern, Kaufleute, Beamte,<br />
Handwerker, drei Wochen im<br />
Frühjahr und Herbst.<br />
Die Arbeit des Boberhauses ist also<br />
ganz und gar nicht eingeschränkt auf<br />
<strong>die</strong> vielerwähnten „Arbeitslager“, aber<br />
nur mit <strong>die</strong>sem Segment werden wir<br />
uns beschäftigen, denn es wird uns als<br />
Konzept durch alle drei Bildungseinrichtungen<br />
begleiten.<br />
Der Begriff irritiert heute, er ist für uns<br />
vorbelastet. Ganz anders damals. Er<br />
stammt, wie Hans Dehmel es ausdrückte,<br />
aus dem Wortschatz der „Lager-<br />
und Fahrtensprache“ der Jugendbewegung,<br />
<strong>die</strong> "Lager" für größere<br />
Gruppenveranstaltungen verwendete,<br />
gleichgültig ob dort noch real gelagert<br />
oder in festen Gebäuden gewohnt<br />
wurde. Die jährlichen studentischen<br />
„Bundeslager“ waren bereits Tradition.<br />
Genaugenommen gab es mindestens<br />
zwei Typen von Arbeitslagern: Die<br />
studentischen Arbeitslager und <strong>die</strong><br />
pädagogischen. Bei beiden war körperliche<br />
Arbeit indes kein vordringli-