„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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<strong>Reichwein</strong>, in der er sich persönlich,<br />
mit eigenen Worten für <strong>die</strong> Wiedereinführung<br />
der Volkskunde als ein<br />
weiteres Nebenfach in das 1. Staatsexamen<br />
für Sekundarschullehrer einsetzt,<br />
und einem zweiten Teil von 4 ½<br />
Seiten, auf denen <strong>Reichwein</strong> fortlaufend<br />
wörtlich aus den Unterrichtsrichtlinien<br />
für „Volksschulen“ und<br />
„Höhere Schulen“ der Jahre 1938 und<br />
1939 zitiert, um sein Anliegen zu begründen<br />
und zu untermauern, und<br />
zwar gegliedert nach Schulfächern<br />
und Klassenstufen. Die Richtlinien für<br />
Volksschulen wurden von <strong>Reichwein</strong><br />
deshalb herangezogen, weil in ihnen<br />
<strong>die</strong> Voraussetzungen für <strong>die</strong> höheren<br />
Schulen geschaffen werden. Unklar<br />
bleibt, ob mit dem Begriff „Nebenfach“<br />
Volkskunde ein fakultatives oder<br />
ein obligatorisches „Nebenfach“<br />
neben anderen Unterrichtsfächern<br />
oder ein weiteres Fach innerhalb des<br />
sog. Philosophicums, d.h. des pädagogischen<br />
Teils des 1. Staatsexamens<br />
gemeint war.<br />
Die erstaunlich häufige Erwähnung<br />
volkskundlicher Bezüge in den Richtlinien<br />
von 1938 und 1939, <strong>die</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
hier zusammenstellte, geht natürlich<br />
nicht auf sein Konto, sondern<br />
geht auf <strong>die</strong> NS-ideologische Begründung<br />
<strong>die</strong>ser Richtlinien zurück. Er hat<br />
sie aber gezielt zur Begründung seines<br />
Anliegens in <strong>die</strong>ser Antragsschrift<br />
verwendet. Ob <strong>die</strong>ses Anliegen und<br />
<strong>die</strong>se Denkschrift von ihm selbst ausging,<br />
oder ob es sich um <strong>die</strong> Auftragsarbeit<br />
eines Vorgesetzten handelte,<br />
muss hier offen bleiben. Jedenfalls<br />
gehört eine solche Zitatensammlung<br />
und „Fleißarbeit“ ansonsten nicht zu<br />
den Formen, in denen sich <strong>Reichwein</strong><br />
schriftlich äußerte.<br />
4. „Besprechung mit SS Obergruppenführer<br />
Koppe (Obergruppe Wartheland)<br />
in Posen 24. Juni“ (1942)<br />
Dieses Dokument ist eine Seite lang<br />
und von <strong>Reichwein</strong> am 25.6. unterzeichnet.<br />
Es handelt sich um <strong>Reichwein</strong>s<br />
Zusammenfassung einer Besprechung<br />
mit SS-Obergruppenführer<br />
Wilhelm Koppe am späten Nachmit-<br />
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
38<br />
tag des 24.6.1942 in Posen, <strong>die</strong> den<br />
Beginn seiner Tätigkeit im Warthegau<br />
markiert.<br />
Zunächst werden Abreisezeit und Ankunftszeit<br />
in Posen, <strong>die</strong> Besprechung<br />
mit Koppe von 16.30 Uhr bis 19.30<br />
Uhr, „in Anwesenheit seines Stabes,<br />
unter anderem Standartenführer<br />
Hübner“, und <strong>die</strong> Rückreise nach Berlin<br />
am 25.6. in der Frühe genau dokumentiert.<br />
Dann folgt der wichtige<br />
Satz: “ Der Obergruppenführer hat<br />
mich zu sich gebeten, um Fragen der<br />
volkserzieherischen Betreuung im<br />
Warthegau mit ihm zu besprechen.“<br />
Die im Warthegau „neu angesiedelten<br />
Volksgruppen“ sollen durch „praktische<br />
volkspflegerische Arbeit“ in <strong>die</strong><br />
„volkskulturellen Traditionen“ des<br />
Warthegaus eingeführt werden, mehr<br />
und Genaueres wird zunächst nicht<br />
gesagt. Das Projekt solle „unter dem<br />
Titel und mit den Mitteln von 'Festigung<br />
des deutschen Volkstums' stattfinden“.<br />
Hinter dem harmlosen Titel<br />
verbirgt sich, wie aus dem nächsten<br />
Dokument hervorgeht, der Reichskommissar<br />
für <strong>die</strong> Festigung deutschen<br />
Volkstums“ , und das war, nach<br />
Auskunft von Christine Hohmann<br />
(S.175, Anm. 311), niemand anderes<br />
als Heinrich Himmler. Eine seiner<br />
Dienststellen befand sich in Posen.<br />
Es folgt der Hinweis, dass Koppe <strong>die</strong><br />
Federführung des Projekts bei sich<br />
behalten wolle und mit den von<br />
<strong>Reichwein</strong> vorgeschlagenen Dienststellen<br />
(Schulverwaltung, Arbeits<strong>die</strong>nst,<br />
BDM) in dem von ihm zu bestimmenden<br />
Sinn zusammenarbeiten<br />
wolle. Dann folgt der Satz: „Ich muß<br />
ihm eröffnen, dass ich persönlich nur<br />
gelegentlich für Mitarbeit in Frage<br />
käme und dass der Schwerpunkt meiner<br />
Arbeit in Berlin läge; daß ich mich<br />
aber gerne um zeitweilige Mitarbeiter<br />
für das Vorhaben Warthegau bemühen<br />
würde.“<br />
Im übrigen folgen <strong>Reichwein</strong>s praktische<br />
Vorschläge zur Durchführung der<br />
Lehrgänge und einer mobilen Ausstellung<br />
über „Bäuerliches Kulturgut“. Die<br />
ersten Lehrgänge von 4 bis 6 Tagen<br />
könnten Ende August beginnen und<br />
<strong>die</strong> Rundfahrt des Ausstellungswagens<br />
Ende Oktober.<br />
Schließlich wird eine Aufgaben- und<br />
Arbeitsteilung zwischen <strong>Reichwein</strong><br />
und Koppe skizziert. <strong>Reichwein</strong> übernimmt<br />
1. <strong>die</strong> Aufstellung der Lehrgangspläne,<br />
2. <strong>die</strong> Vermittlung geeigneter<br />
Hilfs- und Lehrkräfte, 3. <strong>die</strong><br />
Planung des Ausstellungswagens;<br />
„Der Obergruppenführer (Koppe)<br />
übernimmt 1. <strong>die</strong> Bereitstellung einer<br />
geeigneten Schul(ungs)stätte ..., 2. <strong>die</strong><br />
Bereitstellung der Mittel … 3. <strong>die</strong> organisatorische<br />
Vorbereitung der Lehrgänge<br />
… 4. <strong>die</strong> Bereitstellung von<br />
Lastwagen und Chauffeur für <strong>die</strong> Ausstellung<br />
Bäuerliches Kulturgut“.<br />
5. „Vermerk! / Betreffend: Handwerkliche<br />
Schulung im Warthegau /<br />
Besprechung vom 24.6.42“<br />
Das Dokument ist eineinhalb Seiten<br />
lang, undatiert und von B.A.Elsas, einer<br />
Mitarbeiterin von <strong>Reichwein</strong> am<br />
Volkskundemuseum, unterzeichnet.<br />
Es handelt sich um eine zweite, gegenstands-<br />
und themenbezogene Zusammenfassung<br />
desselben Gesprächs,<br />
das wir schon aus der obigen Besprechungsnotiz<br />
von <strong>Reichwein</strong> kennen,<br />
<strong>die</strong> vielleicht ebenfalls am 25.6. formuliert<br />
wurde und offenbar für <strong>die</strong><br />
Akten bestimmt war.<br />
wieder geht es um den Beginn der<br />
volkskundlichen Arbeit <strong>Reichwein</strong>s im<br />
Warthegau. Wichtig ist wieder am<br />
Ende der einführenden Feststellungen<br />
der Satz: „Herr Prof. <strong>Reichwein</strong>, Berlin<br />
C 5, Unter den Linden 5 – hat sich auf<br />
Wunsch des Höh. SS- und Pol.führers,<br />
SS-Obergruppenführer Koppe, bereit<br />
erklärt, <strong>die</strong> Leitung und Oberaufsicht<br />
über <strong>die</strong> gesamte handwerkliche<br />
Schulung im Gau … zu übernehmen.<br />
Die Kosten wird <strong>die</strong> Dienststelle des<br />
Reichskommissars f.d.F.d.V. tragen“,<br />
d.h. <strong>die</strong> Dienststelle des Reichskommissars<br />
für <strong>die</strong> Festigung deutschen<br />
Volkstums, Heinrich Himmler, in Posen.