Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
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Prof. Dr. B. Huwiler WS 1996/97 - SS 1997<br />
§4 Die Einrede (exceptio) [KASER §4 II 2; §9 I 2; §80 I; §82 II 4c; §83 II 11; §87 I 6, II 5]<br />
Die Einrede (wiederum eine Formel, die subjektive Rechte verkörpert) gehört in das Gebiet<br />
der ius honorarium, sie ist typisches Prätorenrecht. Die Einrede ist jedoch kein Anspruch,<br />
sondern ein Leistungsverweigerungsrecht.<br />
In den actiones <strong>und</strong> exceptiones ist das gesamte objektive Römische <strong>Privatrecht</strong> enthalten.<br />
Fallbeispiel zur Einrede:<br />
(V) verkauft dem gutgläubigen (K) eine Sache, die jedoch im Eigentum von (E) steht, von dem (V) sich<br />
die Sache geliehen hat. Gemäss Art. 714 II <strong>und</strong> Art. 933 ZGB i.V.m. Art. 3 ZGB wird (K) Eigentümer<br />
der Sache. Denn (E) hatte beim Verleihen der Sache immerhin die Möglichkeit, die Person seines<br />
Vertrauens (den Borger) einzuschätzen (Sprichwort: Trau, schau, wem). Diese Möglichkeit hatte (K) beim<br />
Kauf nicht.<br />
Art. 714 II ZGB: (K) muss gutgläubig sein. Guter Glaube ist das Nichtkennen eines<br />
Rechtsmangels, so lange man den Rechtsmangel nicht kennt, ist<br />
man gutgläubig.<br />
Erkennt (K) jedoch den Rechtsmangel aufgr<strong>und</strong> eigener Fahrlässigkeit<br />
nicht, wird sein guter Glaube nicht geschützt (auch wenn dieser<br />
weiterhin besteht).<br />
Guter Glaube vermag einen Rechtsmangel zu heilen (Konvaleszenz).<br />
Art. 933 ZGB: (E) muss (V) die Sache anvertraut haben, d.h. (V) darf sie nicht gestohlen<br />
haben u.ä.<br />
(E) hat die Möglichkeit (V) aus Vertrag haftbar zu machen, denn der Borger schuldet ihm nach Ablauf<br />
des Vertrags die Rückgabe der Sache. (Mögliche wäre auch Haftung aus unerlaubter Handlung.)<br />
Art. 934 I ZGB: Ist die Sache ohne Willen des (E) in den Besitz des (V) gekommen,<br />
dann kann (E) den Besitz innert 5 Jahren wiederherstellen, d.h. die<br />
Sache von (K) zurückfordern. Er hat einen Anspruch aus der Verletzung<br />
eines absoluten subjektiven Rechts: die rei vindicatio. In diesem<br />
Fall wird der gute Glaube des (K) nicht geschützt. (Vgl. auch<br />
Art. 920 ZGB: Nicht nur der Eigentümer, sondern auch der Besitzer<br />
kann die Sache zurückfordern.)<br />
Art. 934 II ZGB: War (V) ein Händler derartiger Sachen, d.h. hatte er eine besondere<br />
Vertrauensstellung gegenüber (K), dann wird (K) wiederum in seinem<br />
guten Glauben geschützt. (K) wird jedoch nicht Eigentümer<br />
der Sache, sondern hat nur einen Anspruch auf Vergütung des von<br />
ihm bezahlten Preises. Und so lange (E) ihm diesen Preis nicht bezahlen<br />
will, kann er die Leistung (Übergabe der Sache) verweigern.<br />
(K) macht demnach nicht geltend, dass der Anspruch nicht bestehe,<br />
sondern er macht ein subjektives Gegenrecht geltend, er hat eine<br />
Einrede. Die Einrede vermag den Anspruch zu hemmen. Sobald<br />
aber (E) den Preis bezahlt, fällt das Gegenrecht, die Einrede dahin.<br />
I. Die Einrede als subjektives Recht<br />
Die Einrede kann in zwei Varianten vorkommen: Erstens als dilatorische Einrede (z.B. Art.<br />
934 II ZGB), die eine zeitweilige Hemmung des Anspruchs bewirkt, <strong>und</strong> zweitens als pe-<br />
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