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Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht

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Prof. Dr. B. Huwiler WS 1996/97 - SS 1997<br />

Im Römischen Recht musste die Besitzeslage jedoch so sein, dass nur der Berechtigte<br />

Zugang zu der Sache haben konnte [Rdn. 279] (also kein offener Zugang, kein<br />

Zugang für Dritte).<br />

Für Gr<strong>und</strong>stücke gab es etwa als Übergabesymbol eine Erdscholle oder die Beschreibung<br />

des Gr<strong>und</strong>stückes von einem benachbarten Turm aus.<br />

b Übergabe kurzer Hand (brevi manu traditio) [KASER §20 I 2]<br />

Eigentumsübertragung wird durch traditio ex iusta causa vollzogen. Ist der Erwerber<br />

des Eigentums an einer Sache bereits deren Besitzer (im Römischen Recht meist<br />

Besitzdiener), kann die Besitzesübertragung sich nur noch auf der Ebene des animus<br />

vollziehen. Am Raumgewahrsam, am corpus ändert sich nichts. Der Erwerber, der<br />

Fremdbesitzer war, wird mit dem Willen des Veräusserers, der seinerseits seinen<br />

Eigenbesitz aufgibt, Eigenbesitzer ( Besitzvertrag).<br />

Beispiel<br />

Ein Mieter kauft auf ein bestimmtes Datum hin vom Vermieter die von ihm gemietete Sache.<br />

Aus dem Kaufvertrag ergibt sich vorerst, bis zum vorherbestimmten Datum, keine Veränderung<br />

der (Besitz-)Verhältnisse. Denn auch der gleichzeitig mit dem Verpflichtungsgeschäft geschlossene<br />

Besitzvertrag ist befristet, d.h. er tritt zugleich mit dem Wirksamwerden des Kaufvertrages in<br />

Kraft.<br />

Bei Fälligkeit des Vertrages vollzieht sich die Eigentumsübertragung durch Besitzesübertragung,<br />

die Besitzesübertragung (traditio ex iusta causa) geschieht nicht durch körperliche Übergabe der<br />

Sache, sondern durch Traditionssurrogat (Besitzvertrag). Das corpus verbleibt beim Mieter, das<br />

Traditionssurrogat besteht in der einverständlichen, gegenseitigen Änderung des Besitzwillens, der<br />

Mieter wird vom Fremd- zum Eigenbesitzer, der Eigentümer gibt seinen Besitz auf.<br />

Der Tatbestand der Übergabe kurzer Hand ist im ZGB nicht geregelt, der Gesetzgeber<br />

sah ihn als selbstverständlich an [Rdn. 280]. Diese echte Gesetzeslücke wird<br />

gestützt auf die gesetzliche Lückenfüllung (Art. 1 II, III ZGB) in ständiger Rechtsprechung<br />

behoben.<br />

Julian sagt in einer Quelle [Rdn. 327], dass niemand den Gr<strong>und</strong> seines Besitzes verändern<br />

könne. Diese Aussage steht nicht im Widerspruch zu dem oben Gesagten,<br />

denn in diesem Quellentext geht es um den Unterschied zwischen possessio naturalis<br />

<strong>und</strong> possessio civilis <strong>und</strong> darum, dass kein possessor naturalis sich selbst eine iusta causa,<br />

die ihn zum possessor civilis machte, schaffen kann. Eine iusta causa entsteht nur objektiv-rechtlich<br />

durch Obligation.<br />

c Besitzeskonstitut (constitutum possessorium) [KASER §20 I 2]<br />

Im schweizerischen Recht wird das constitutum possessorium („Die Vereinbarung der<br />

Besitzer“: Besitesvereinbarung) Besitzkonstitut genannt <strong>und</strong> ist geregelt im Art. 924<br />

ZGB.<br />

Im ZGB sind zwei Fälle geregelt, erstens das eigentliche, römisch-rechtliche Besitzkonstitut,<br />

zweitens der Fall (der im Römischen Recht nicht bezeugt ist) in dem<br />

der Besitz bei einem Dritten verbleibt.<br />

Eine Mutter (M) verschenkt ihrem Sohn (S) ein Gr<strong>und</strong>stück, das sie aber sogleich<br />

wieder von ihm pachtet [Rdn. 281]. In der Offerte der (M) (ein Brief an (S)) ist die<br />

Schenkung, die Pacht <strong>und</strong> Aufgabe des Eigenbesitzeswillens <strong>und</strong> Bildung des<br />

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