Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
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Prof. Dr. B. Huwiler WS 1996/97 - SS 1997<br />
Der K<strong>und</strong>e in einer Buchhandlung ist beim Stöbern in den Büchern nur Besitzdiener.<br />
Kauft er aber ein Buch, wird ihm an der Kasse der Besitz übertragen, die Buchhandlung<br />
verliert ihren Besitz an dem Buch.<br />
Das Eigentum wird nur übertragen, wenn die traditio auf einem gültigen Rechtsgr<strong>und</strong><br />
(z.B. einem Kaufvertrag) beruht.<br />
Auch der Dieb wird Eigenbesitzer, die Buchhandlung verliert ihren Besitz. Sie bleibt allerdings<br />
Eigentümerin <strong>und</strong> erhält Besitzesschutz.<br />
Fallbeispiel zur possessio<br />
(V) verkauft dem (K) eine goldene Vase. Diese ist jedoch nicht, wie versprochen, aus purem Gold, sondern<br />
nur vergoldet. (K) ficht den Vertrag wegen Irrtums an (Art. 23ff. OR), worauf dieser ex tunc aufgelöst<br />
<strong>und</strong> die Leistungen rückabgewickelt werden.<br />
(Nach Ungültigkeitstheorie:) Die Vase ist im Eigentum des (V) verblieben, die traditio erfolgte ohne<br />
Rechtsgr<strong>und</strong>. (K) bleibt Eigenbesitzer (animus pro suo), (V) verliert durch die traditio seinen Eigenbesitz,<br />
nicht aber sein Eigentum. Die traditio ist hier reiner Realakt (Besitzbegründungstatbestand) ohne Rechtsgr<strong>und</strong>.<br />
3. Erwerbsarten<br />
A Besitzverschaffung durch Übergabe<br />
a Übergabe der Sache selbst (traditio) [KASER §24 IV, V 2a]<br />
Der Realakt der Übergabe (kein Rechtsgeschäft) führt zur Begründung der Innehabung<br />
(Raumgewahrsam). Die Wirkung der Übergabe hängt ab vom Rechtsgr<strong>und</strong>,<br />
vom zugr<strong>und</strong>eliegenden Verpflichtungsgeschäft (iusta causa).<br />
b Herstellung der tatsächlichen Gewalt<br />
Art. 922 ZGB, [Rdn. 277f.]<br />
Eine Sache kann auch durch Übergabe des Mittels, das der Herstellung des Raumgewahrsams<br />
dient (z.B. Schlüssel), übertragen werden.<br />
c ‘quasi traditio’<br />
Art. 642 II ZGB, [Rdn. 276a]<br />
Bestandteile, die mit der Hauptsache so verb<strong>und</strong>en sind, dass eine Trennung ohne<br />
Zerstörung nicht möglich ist, haben keine eigene juristische Existenz (Akzessionsprinzip),<br />
eine solche entsteht erst mit der Herauslösung aus dem Ganzen. Die<br />
Trennung des Bestandteils von der Hauptsache (z.B. das Herauslösen des Steins<br />
[Rdn. 276a]) nennt man Separation. Erst nach der Separation erhält der Bestandteil<br />
eine eigene juristische Existenz. Gebäude sind Bestandteil des Gr<strong>und</strong>eigentums,<br />
mit dem Gebäude Verb<strong>und</strong>enes gehört zum Gebäude usf. Gleiches gilt vom Pflanzen<br />
<strong>und</strong> deren Früchten.<br />
Fruchterwerb (Art. 643 ZGB) [KASER §26 II]<br />
Früchte (wiederkehrende, von einer Sache ohne Beeinträchtigung ihrer Substanz<br />
gewinnbare Erträgnisse) können entweder natürliche Früchte (fructus naturales, z.B.<br />
Äpfel, Birnen usf.) oder Zivilfrüchte (fructus civiles, juristisch begründete Früchte,<br />
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