Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
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Prof. Dr. B. Huwiler WS 1996/97 - SS 1997<br />
II. Rechtsgewährleistung [KASER §41 V]<br />
Ein Rechtsmangel liegt dann vor, wenn ein Dritter stärkere private Rechte an der Sache<br />
geltend machen kann. Diese Rechte müssen schon bei Vertragsschluss (bzw. Gefahrenübergang)<br />
bestanden haben (Art. 192 OR). Die fehlende Betriebsbewilligung für ein Gerät<br />
wäre kein Rechtsmangel, sondern ein Sachmangel!<br />
1. Ohne Verschulden des Verkäufers<br />
A Bei der mancipatio [KASER §41 V 1]<br />
Wurde das Eigentum an einer Sache mittels mancipatio übertragen, entsteht die sogenannte<br />
Auktoritätshaftung, d.h. die Gewähr des Verkäufers dafür, dass die Sache keine<br />
Rechtsmängel aufweise. Auch ohne Zusicherung dessen, haftet der Verkäufer trotzdem<br />
immer für Rechtsmängel.<br />
Bei Rechtsmängeln steht dem Käufer die actio auctoritatis zu. Deren Inhalt verpflichtet<br />
den Veräusserer zunächst, die Prozessführung zu übernehmen, <strong>und</strong> dann, falls der Prozess<br />
verloren geht, auf das Doppelte des Kaufpreises zu haften. Der Vertag wird aufgehoben.<br />
B Bei der traditio [KASER §41 V 2, 3]<br />
Wird nicht manzipiert, schliessen die Parteien zusätzlich zur emptio venditio ein Rechtsgeschäft,<br />
die stipulatio duplae [Rdn. 414], welches dieselben Rechtswirkungen zeitigt, wie die<br />
actio auctoritatis. Liegt in einem solchen Fall ein Rechtsmangel vor, dann haftet der Verkäufer<br />
aus der Stipulation auf das Doppelte des Kaufpreises. Der Vertrag wird ebenfalls<br />
aufgehoben.<br />
Wenn diese Stipulation beim Zustandekommen des Kaufvertrages nicht geschlossen<br />
worden ist, kann der Käufer bei Vorliegen von Rechtsmängeln vom Verkäufer aus dem<br />
Kaufvertrag den nachträglichen Abschluss dieser Stipulation klageweise verlangen, denn<br />
dieses schuldet ihm der Verkäufer, weil es Verkehrssitte ist, aus Treu <strong>und</strong> Glauben<br />
[Rdn. 419] (facere-Verpflichtung). Der Abschluss der stipulatio duplae ist ex fide bona Vertragsinhalt<br />
der emptio venditio. Will der Verkäufer die Stipulation nicht schliessen, kann<br />
der Käufer bis zum positiven Interesse aus Schlechterfüllung klagen.<br />
2. Bei Verschulden des Verkäufers<br />
Anders liegt der Fall, wenn der Verkäufer den Rechtsmangel gekannt hat (dolus, culpa lata),<br />
oder wenn er Mängelfreiheit zugesichert hat (dictum): Dann steht dem Käufer von Anfang<br />
an die actio empti zur Verfügung, weil den Verkäufer ein Verschulden trifft. Die actio empti ist<br />
in diesem Fall auf das positive Interesse, d.h. so gestellt zu werden, wie wenn eine mängelfreie<br />
Sache geleistet worden wäre, gerichtet. Die Rechtsgewährleistung überschneidet sich<br />
hier mit der positiven Vertragsverletzung. Der Verkäufer erhält die Ansprüche aus der<br />
Rechtsgewährleistung <strong>und</strong> die Ansprüche aus Vertragsverletzung (Art. 195 I, II OR).<br />
Später hat Julian die Anwendung der actio empti generell bei allen Eviktionsfällen, also auch<br />
in dem Falle, in dem den Verkäufer kein Verschulden trifft, zugelassen. Mit ihr konnte<br />
dann auf Vertragsauflösung <strong>und</strong> das negative Interesse geklagt werden. Das war besonders<br />
in denjenigen Fällen von Vorteil, wo das Interesse höher als das duplum ausfiel. Es konnte<br />
auch bei Verschulden des Verkäufers auf das negative Interesse geklagt werden.<br />
Daneben blieben die andern Klagemöglichkeiten bestehen, d.h. auch weiterhin auf das duplum<br />
<strong>und</strong> auf das positive Interesse bei Verschulden des Verkäufers.<br />
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