Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
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Prof. Dr. B. Huwiler WS 1996/97 - SS 1997<br />
z.B. Pachtzinsen) sein. So lange sie mit der Muttersache verb<strong>und</strong>en sind, gehören<br />
sie dem Gr<strong>und</strong>eigentümer.<br />
Der gutgläubige Besitzer (possessor bonae fidei), der sich für den Eigentümer des<br />
Gr<strong>und</strong>es hält, erwirbt mit der Trennung (Separation) der Früchte von der Muttersache<br />
Eigentum an ihnen.<br />
Der Pächter hingegen, als blosser Besitzdiener, erwirbt Eigentum erst mit der Perzeption,<br />
d.h. mit der willentlichen Besitzbegründung (Vereinnahmung, Besitzergreifung).<br />
Dazwischen (zwischen Separation <strong>und</strong> Perzeption) verbleibt Besitz <strong>und</strong> Eigentum<br />
beim Gr<strong>und</strong>eigentümer.<br />
(Nach ZGB erwirbt der Pächter schon mit der Separation Besitz <strong>und</strong> Eigentum an<br />
den Früchten. Da der Besitzwille des Pächters sich auf das ganze Gr<strong>und</strong>stück erstreckt,<br />
wird ein aufschiebend bedingter Besitzwille auch für die Früchte angenommen,<br />
der sich aktualisiert, sobald sie von der Muttersache getrennt sind <strong>und</strong> als<br />
eigene Sache erscheinen.)<br />
In beiden Fällen geschieht der Eigentumserwerb ex iusta causa, d.h. der Eigentumserwerb<br />
bedarf eines gültigen Rechtsgr<strong>und</strong>es, der Eigentumserwerb beinhaltet (z.B.<br />
ein Pachtvertrag).<br />
Der Stein [Rdn. 276a] ist keine Frucht (kein jährlich wiederkehrender Ertrag). Jedoch<br />
bedarf es zum Eigentumserwerb ebenfalls der Perzeption <strong>und</strong> nicht nur der<br />
Separation.<br />
Die ‘quasi traditio’ ist eine Form der Besitzverschaffung, bei der nicht mehr die körperliche<br />
Übergabe der Sache (corpus) im Vordergr<strong>und</strong> steht sondern die Willensebene<br />
(Zunehmende Vergeistigung des Besitzes, EUGEN HUBER).<br />
Der Verfügende hat den Willen, den andern zum Besitzer zu machen (Besitzaufgabe)<br />
<strong>und</strong> der andere den Willen Besitz zu begründen. (Eigentumserwerb natürlich<br />
nur ex iusta causa.)<br />
B Traditionssurrogate (Besitzesübertragungstatbestände ohne Übergabe<br />
der Sache)<br />
a Übergabe langer Hand (longa manu traditio) [KASER §20 I 2]<br />
Das Recht lässt (in Art. 922 II ZGB) die Besitzesübertragung ohne Sachübergabe<br />
zu. An die Stelle der traditio tritt als Traditionssurrogat ein sogenannter Besitzvertrag.<br />
Bedingung dafür ist allerdings eine iusta causa, ein gültiges Verpflichtungsgeschäft.<br />
Der Besitzvertrag bedeutet die Einigung der Parteien darüber, dass der Käufer mit<br />
Willen des Verkäufers Besitz (<strong>und</strong> damit Eigentum) an der Sache begründe, während<br />
der Verkäufer diesen aufgibt. Es muss ausserdem im Ermessen des Erwerbers<br />
liegen, ob <strong>und</strong> wann er den räumlichen Gewahrsam an der Sache innehaben will, es<br />
muss für ihn die Möglichkeit bestehen, Gewalt über die Sache ausüben zu können.<br />
Der Erwerber muss offenen Zugang zu der Sache haben können (offene Besitzeslage).<br />
Beispiel<br />
Im Wirtshaus wird ein Kaufvertrag über einen Teil Holz (der noch im Wald liegt) gegen Fr.<br />
5000.- abgeschlossen, das Geld wird übergeben <strong>und</strong> zugleich Verfügt der Veräusserer über das<br />
Eigentum am Holz. Mit dem Willen des Veräusserers kann nun der Erwerber jederzeit das<br />
Holz in seinen räumlichen Gewahrsam nehmen.<br />
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