Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
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Prof. Dr. B. Huwiler WS 1996/97 - SS 1997<br />
Deshalb erhält (S) gegen (M) dennoch die actio legis Aquiliae utilis. Im Innenverhältnis zwischen<br />
(S) <strong>und</strong> (L) tritt die Regel über das stellvertretende Commodum in Kraft. (S) hat<br />
dem (L) seine Klage gegen (M) abzutreten, ihn zu seinem procurator in rem suam zu machen.<br />
(S) erteilt (L) den Auftrag [Vertrag, Verpflichtung] (damit uno actu die Vollmacht [Erweiterung<br />
der Geschäftsfähigkeit, einseitiges Rechtsgeschäft, Berechtigung]), die actio in seinem<br />
eignen Namen geltend zu machen, den Prozess für ihn zu führen. In die intentio <strong>und</strong> die<br />
demonstratio wird (S) <strong>und</strong> (M) eingesetzt, in der condemnatio dann wird statt des (S) der (L)<br />
genannt.<br />
(L) hätte als Beauftragter allen Nutzen aus dem Auftrag dem (S) abzutreten (Art. 400 OR),<br />
(S) könnte mit der actio mandati klagen. Deshalb vereinbaren (S) <strong>und</strong> (L) zusätzlich ein pactum<br />
de non petendo, das (L) der actio mandati des (S) einredeweise entgegenhalten kann.<br />
Bei dolus des (M) ist die Drittschadensliquidation der actio de dolo nicht übergeordnet, obwohl<br />
diese sonst streng subsidiär anzuwenden ist. Die Drittschadensliquidation ist aber eine<br />
derart prekäre Hilfskonstruktion, dass sie restriktiv allein dort anzuwenden ist, wo ansonsten<br />
rechtspolitisch unerwünschte Resultate einträten.<br />
2. Fallgruppe (Obhutsverhältnisse)<br />
Beispiel<br />
Inhalt eines Mietvertrages ist die kurzzeitige Überlassung eines Schiffes. Der Mieter (M) muss sich zur<br />
Überwindung einer Schleuse eines Schleppkahns bedienen. Wegen einer Unachtsamkeit entsteht durch den<br />
Schleppkahn ein Schaden am Schiff.<br />
Für die Schäden am Schiff selbst steht dem Vermieter (V) gegen den Schleppkahnführer<br />
(S) die ausservertragliche Haftpflicht (Art. 41 I OR) zur Verfügung. Den Betriebsausfall<br />
(weil das Schiff einige Zeit aufs Trockendock gelegt werden muss) aber kann (V) nicht<br />
über Art. 41 I OR geltend machen.<br />
Der Schaden wird auf den (M) verlagert, dieser hat gegen den (S) einen Anspruch aus Vertrag,<br />
den er dem (V) überträgt.<br />
3. Fallgruppe (Mittelbare Stellvertretung)<br />
Beispiel<br />
(V) beauftragt den Kunstkenner (S), für ihn ein Bild zu verkaufen. (S) beauftragt seinerseits den noch<br />
sachk<strong>und</strong>igeren (B), den Auftrag für ihn auszuführen. (B) verkauft die Sache auftragsgemäss, erzielt aber<br />
einen um 15% zu tiefen Preis.<br />
Beide, (S) <strong>und</strong> (B) sind nicht unmittelbare Stellvertreter des (V). Sie schliessen den Verkauf<br />
in eigenem Namen ab, aber auf fremde Rechnung (indirekte Stellvertretung).<br />
(B) würde dem (S) aus dem Auftrag wegen Sorgfaltspflichtverletzung haften. Aber (S) seinerseits<br />
haftet dem (V) nicht, er hat seine Vertragspflichten, dadurch dass er einen Spezialisten<br />
mit dem Verkauf beauftragt hat, gehörig erfüllt. Er hat dem (V) nur zu geben, was er<br />
aus dem Auftrag erhält (Art. 400 OR). Deshalb erwächst (S) kein Schaden, er kann deshalb<br />
nicht gegen (B) klagen. Und (V), dem der Schaden erwächst, kann nicht gegen (B) klagen,<br />
denn zwischen ihnen besteht kein Vertrag. Eine Haftung des (B) aus Delikt fällt auch ausser<br />
Betracht, weil (B) nicht dolos gehandelt hat (actio de dolo) <strong>und</strong> dem (V) nur ein Vermögensschaden<br />
entstanden ist (actio legis Aquiliae). Die Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR)<br />
entfällt, weil es sich nicht um ein Subordinationsverhältnis handelt.<br />
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