Römisches Privatrecht I: Allgemeine Grundlagen und Sachenrecht
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Prof. Dr. B. Huwiler WS 1996/97 - SS 1997<br />
Fremdbesitzwillens enthalten. Der Brief des (S) an die (M) enthält die Annahme<br />
des Schenkungs- <strong>und</strong> des Pachtvertrages <strong>und</strong> Bildung von Eigenbesitzwillen.<br />
Die Eigentumsverschaffung geschieht wiederum nicht mittels traditio sondern Traditionssurrogat<br />
(constitutum possessorium). Die (M) gibt den Eigenbesitzwillen auf <strong>und</strong><br />
der (S) bildet ihn. Das reicht aber noch nicht aus, um eine traditio zu substituieren.<br />
Denn um Besitz zu begründen, bedarf es des animus <strong>und</strong> des corpus. Dem (S) fehlt<br />
dieses corpus, es wird aber ersetzt durch den Fremdbesitzwillen der (M). (S) erwirbt<br />
Eigentum am Gr<strong>und</strong>stück durch den Fremdbesitzwillen der (M).<br />
Die Summe der Vorgänge ergibt eine Besitzesübertragung ohne Übergabe, nur mittels<br />
Traditionssurrogat (Besitzesübertragung solo animo). Tritt zu diesem Traditionssurrogat<br />
eine iusta causa hinzu (Schenkungs- <strong>und</strong> Pachtvertrag), so wird (S) Eigentümer.<br />
Da es sich im Quellentext [Rdn. 281] um eine Gr<strong>und</strong>stück (res mancipi) handelt,<br />
wird durch die traditio bzw. das Traditionssurrogat nicht quiritisches Eigentum,<br />
sondern erst bonitarisches verschafft. Deshalb der Verweis auf die actio in rem, hier<br />
die actio Publiciana, <strong>und</strong> nicht etwa die rei vindicatio.<br />
Besitzerwerb<br />
(animo et corpore)<br />
corpore et animo ohne Übergabe<br />
(solo animo)<br />
traditio durch das Mittel<br />
zum Raumgewahrsam<br />
(z.B. Schlüssel)<br />
‘quasi traditio’ brevi manu traditio longa manu traditio<br />
4. Erhaltung <strong>und</strong> Verlust des Besitzes [KASER §20 II]<br />
Traditionssurrogate<br />
constitutum<br />
possessorium<br />
Werden Gr<strong>und</strong>stücke, z.B. Alpweiden im Winter, vorübergehend verlassen, so bleibt zwar<br />
der animus bestehen, das corpus jedoch geht unter, es besteht kein Raumgewahrsam mehr.<br />
Für den Erwerb ist das corpus (evtl. Surrogat) unerlässlich, für den Besitzerhalt ist es nicht<br />
unbedingt notwendig (Besitzerhalt solo animo) [Rdn. 316a, 317].<br />
Der Besitzverlust erfolgt ebenfalls corpore et animo. Durch Übergabe (traditio es iusta causa)<br />
oder Dereliktion (Eigentums- <strong>und</strong> Besitzaufgabe in einem Vorgang). Besitz kann auch gewaltsam<br />
verloren gehen, oder wenn der Besitzer die Sache ungewollt verliert [Rdn. 318,<br />
319]. Dauernder Verlust des corpus lässt den Besitz ebenfalls untergehen (Art. 921 ZGB).<br />
IV. Schutz des Besitzes [KASER §21]<br />
Die zentrale Funktion des Besitzes ist der Besitzesschutz. Das ZGB lässt zu diesem Zweck<br />
die erlaubte Eigenmacht (Art. 926 ZGB), die Besitzesstörungsklage (Art. 928 ZGB) <strong>und</strong><br />
die Besitzesschutzklage (Art. 927 ZGB) zu.<br />
• Erlaubte Eigenmacht: Der in seinem Besitz Gestörte hat jedoch die Verhältnismässigkeit<br />
seiner Abwehrhandlung zu beachten (Art. 34 StGB, Art. 41, 42 OR).<br />
• Besitzesstörungsklage: Die Störung ist im Gange oder steht unmittelbar bevor.<br />
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