Untitled - Elternverein Baden-Württemberg eV
Untitled - Elternverein Baden-Württemberg eV
Untitled - Elternverein Baden-Württemberg eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates Grundtvig 1.1 Projekt<br />
7. Modul „Naturwissenschaftliche Bildung“<br />
dauernden Auseinandersetzung. Wer ausgebildet<br />
werden sollte, mit welchem Ziel und mit<br />
unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen<br />
davon, was das Wissen tatsächlich ist, sind<br />
Beispiele hierfür. Die unterschiedlichen Ansichten<br />
in dieser Auseinandersetzung traten nicht<br />
erst im 19. und 20. Jahrhundert auf, letztere<br />
lässt sich bis hin zu den Ägyptern und Babyloniern<br />
zurückverfolgen. In diesen Gesellschaften<br />
existierten bereits erste Gedanken und<br />
Ideen, wie ein Staatsbeamter erzogen werden<br />
sollte. Der Gedanke von Bildung mit dem Ziel,<br />
einen freien und harmonischen Menschen zu<br />
erschaffen, der im öffentlichen Leben teilnehmen<br />
konnte, waren Ideen aus dem antiken<br />
Griechenland (die Tatsache, dass die einzigen<br />
Personen mit Ausbildung im antiken Griechenland<br />
ausschließlich männliche waren, ist ein<br />
ganz anderes Kapitel). Zur Zeit Roms wurde<br />
Bildung eher dazu genutzt, um für spezielle Berufe<br />
auszubilden. In diesen Kulturen war das<br />
Ziel der Schule nicht, die Persönlichkeit der<br />
Menschen zu beeinflussen, sondern sie sollte<br />
bestimmte Positionen der Gesellschaft festigen<br />
und Wissen und Arbeitsmittel bereitstellen.<br />
Dies ist der Unterschied zwischen der klassischen<br />
Bildung und der christlichen, die eine viel<br />
größere Bildungseinstellung besitzt. Die Christenheit<br />
betrachtet die Schule nicht zuallererst<br />
als Bildungseinrichtung, sondern als Ort für<br />
Menschen, um über ihre Persönlichkeit nachzudenken.<br />
Es gibt keine religiösen Motive mehr<br />
in der schwedischen Schulerziehung. Nichtsdestoweniger<br />
sind die christlichen Vorstellungen<br />
von der Schule als Ort zur Persönlichkeitsentwicklung<br />
die grundlegende Vorstellung,<br />
auf der schwedische Schulen aufgebaut sind.<br />
Der wachsende Wohlfahrtsstaat hat ebensogroße<br />
Ansprüche an die richtige Erziehung und<br />
Bildung wie die Kirche. Hiermit sind wir zurück<br />
bei der nicht ewigen, aber alten Diskussion darüber,<br />
was Kind, Kindheit, sowie Schule und<br />
Wissen sind. Diese Diskussion verursacht eine<br />
tägliche Auseinanderssetzung in schwedischen<br />
Schulen in ihrem Auftrag, die Vermittlung von<br />
Wissen mit einer demokratischen Erziehung zu<br />
kombinieren.<br />
Drei Begriffe können den Wandel in unserer<br />
Meinung über Kinder und Wissen während der<br />
sich erweiternden Schuljahre des 20. Jahrhun-<br />
derts beschreiben: Professionalisierung, Individualisierung,<br />
Emotionalisierung.<br />
Die erweiterte Mission der Schulen, die Kindergesundheitszentren<br />
und die Vorschulen<br />
sind Beispiele für Professionalisierung. Es sind<br />
nicht nur die Eltern, die auf die Kinder aufpassen,<br />
die ihnen geben, was sie brauchen und<br />
ihnen beibringen, was sie wissen müssen, sondern<br />
genauso die Gesellschaft. Eine Seite der<br />
Entwicklung besteht natürlich darin, dass Professionelle<br />
helfen und unterstützen. Die andere<br />
Seite ist, dass Eltern ihre exklusive Rolle als<br />
diejenigen verloren haben, die immer wissen,<br />
was am besten für das Kind ist. Sie sind auch<br />
nicht mehr diejenigen, die die Verantwortung<br />
für die Gestaltung des Tages des Kindes, seine<br />
Gedanken und Gefühle tragen. Die Professionalisierung<br />
hat auch Veränderungen in der<br />
Machtbeziehung zwischen Kindern und Erwachsenen<br />
bewirkt, ebenso wie ein verändertes<br />
Familienbild und neue Geschlechterrollen:<br />
von beiden, sowohl von Frauen als auch von<br />
Männern, wird jetzt zum ersten Mal erwartet zu<br />
arbeiten und die Verantwortung für Hausarbeit<br />
und Elternsein zu tragen. Eine weitere Konsequenz<br />
der Professionalisierung ist, dass Kinder<br />
tagsüber in gesellschaftlichen Einrichtungen<br />
schon in sehr jungem Alter das Verhalten der<br />
Erwachsenen lernen. Beispiele hierfür sind,<br />
dass sie lernen in Gruppen zu arbeiten, mit Zeit<br />
umzugehen und pünktlich zu sein.<br />
Die Professionalisierung bietet auch eine veränderte<br />
Sichtweise der Fähigkeit und Kompetenz<br />
des Kindes, wenn die Kinder ein Leben<br />
außerhalb der Familie führen, da sie viele Sachen<br />
fertig bringen, von denen vorher niemand<br />
gedacht hätte, dass sie dazu fähig wären. Das<br />
kompetente Kind ist im 20. Jahrhundert (wieder-)geboren<br />
worden.<br />
Die Ansichten über Kinder als eigenständige Individuen<br />
haben auch mit dem Auftreten von Institutionen<br />
zu tun. Der Wohlfahrtsstaat war<br />
immer zuerst auf Individuen und nicht auf Familie<br />
ausgerichtet. Frauen und Kinder wurden<br />
vor der früheren patriarchalischen Familie vom<br />
Staat beschützt, indem ihnen physische und<br />
mentale Orte angeboten wurden wie Vorschule<br />
und Karriere. Einige behaupten, dass das<br />
Wichtigste, was ein Kind lernen könne, sei, ein<br />
arbeitendes Individuum zu sein, da die Ent-<br />
II. Themen 157