Untitled - Elternverein Baden-Württemberg eV
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CURRICULUM - TRANSITION - Ausbildung zum/r Übergangsbegleiter/in für frühkindliche Bildungsprozesse - Socrates Grundtvig 1.1 Projekt<br />
8. Modul „Netzwerkarbeit”<br />
immer auch noch die ältere Bedeutung von<br />
Zwängen und Fängen sozialer Kontrolle. Mit<br />
dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates und seiner<br />
Systeme sozialer Sicherung aber wurde das<br />
„Netz“ zugleich zum Bild dafür, dass modernes<br />
Leben in all seinen Risiken des Scheiterns<br />
durch Netze sozialer Sicherung abgefangen<br />
wird. Wir denken an riskante Akrobatik in<br />
schwindelnder Höhe, wie sie nur deshalb riskiert<br />
werden kann, weil ein darunter gespanntes<br />
Sicherungsnetz im Ernstfall den freien Fall<br />
auffangen wird.<br />
Systemvertrauen – Sozialvertrauen<br />
Das „Systemvertrauen” in die wohlfahrtsstaatlichen<br />
Systeme sozialer Sicherung könnte aber<br />
auch das „Sozialvertrauen” in die Sicherheiten<br />
sozialer Nähe und ihrer Netze entwerten. In<br />
einer mobilen Gesellschaft wird es zum paradoxen<br />
Effekt der systemischen Sicherung ihrer<br />
Normalitätsstandards, dass die Sicherheiten<br />
des Sozialen in ihrer bei langer Dauer und dichter<br />
Nähe gewachsenen „naturalen Netzen“ sich<br />
auflösen. Dies gilt gerade für die „natural networks“<br />
der verwandtschaftlichen oder nachbarschaftlichen<br />
Bindungen. Die Ablösung der<br />
sozialen Sicherheiten durch systemische Sicherungen<br />
wird zum Problem, wenn Lebenskrisen<br />
die Routinen des Alltags sprengen und<br />
nun trotz (oder wegen) der perfekten Netzwerke<br />
wohlfahrtsstaatlicher Sicherungssysteme<br />
die naturalen Netze alltäglicher, also<br />
fraglos selbstverständlicher Solidarität ausfallen.<br />
Nun erst müssen soziale Netze „künstlich“ verknüpft<br />
und vermittelt werden. Die soziale<br />
Gruppenarbeit wie auch die Selbsthilfebewegung<br />
in sozialen Problemfeldern sind Signale<br />
dafür, wie lebensnotwendig Netzwerkkompetenzen<br />
und -kontexte gerade in Lebenskrisen<br />
sein können.<br />
Doch gerade die Netze der Not verweisen darauf,<br />
dass Sozialarbeit nicht nur reagieren<br />
muss auf soziale Schwäche, sondern immer<br />
auch aktivierend Bezug nehmen kann auf soziale<br />
Stärken. In vielen Feldern der Aktivierung<br />
sozialer Kräfte (Selbsthilfe, Solidarhilfe, Selbststeuerung)<br />
beginnt heute das Prinzip Netzwerk<br />
sich durchzusetzen.<br />
Dieser Prozess wird heute durch die neuen Medien<br />
telematischer Vernetzung noch beschleunigt.<br />
(Vgl. Bader 2000)<br />
Netzwerke sozialen Kapitals<br />
Neben den (inter)aktiven Netzen sozialen Kapitals<br />
gewinnt das Prinzip der Vernetzung auch<br />
in seiner wirtschaftlichen Produktivität neue Bedeutung.<br />
Ein aktuelles Beispiel wirtschaftlicher<br />
Vernetzung geben viele Gründungsstrategien<br />
unternehmerischer Selbständigkeit. War die<br />
Unternehmensgründung früher angewiesen auf<br />
ihr wirtschaftliches Kapital an flüssigem Geld<br />
und festem Grund über die maschinellen und<br />
menschlichen Produktionsmittel unter dem<br />
Dach einer „Firma” zu bündeln, so bauen junge<br />
Unternehmen heute eher auf den Beziehungsreichtum<br />
von Netzwerk-Kompetenz und Netzwerk-Kapital.<br />
Entscheidend wird dann die<br />
Fähigkeit, latente oder virtuelle Netze zu produktiven<br />
Synergien zu aktivieren. Aus dem<br />
einst fest angestellten Mitarbeiter wird nun der<br />
bei akutem Bedarf kooperativ ins Netz zu rufende<br />
Kontrakt-Partner. Dass diese Produktivität<br />
virtueller Netze jenseits der klassischen<br />
Berufsarbeit und ihrer sozialen Sicherungs-<br />
Netze auch in existentielle Risiken treiben<br />
kann, demonstrieren aktuell die „Krisen der Arbeitsgesellschaft“<br />
und „Grenzen des Wohlfahrtsstaates“,<br />
aber auch die Turbulenzen in<br />
den auf neuen Techniken und Medien gründenden<br />
„neuen Märkten“. Die Flexibilität des<br />
Erwerbslebens bedarf nun entsprechend flexibler<br />
Netze der sozialen Sicherung.<br />
Umso wichtiger werden nun neue Strategien<br />
der Netzwerk-Steuerung: gerade dort, wo die<br />
klassischen Sicherungen von Arbeitsgesellschaft<br />
und Wohlfahrtsstaat auf Grenzen stoßen,<br />
eröffnen „zwischen Markt und Staat“ die<br />
Netzwerke des „Dritten Sektors“ neue Alternativen<br />
und Perspektiven selbstorganisierter Solidarität.<br />
Dies gilt gerade für die „moralischen<br />
Unternehmer” kultureller Initiative und sozialer<br />
Aktion.<br />
Offen für Komplexität<br />
Netzwerke erlauben einen interaktiven Umgang<br />
mit Komplexität, was Komplexität auf<br />
Abruf bereit („latent“) hält, ohne diese im Sinne<br />
der Perfektion dirigistischer und zentralistischer<br />
Apparate vorab reduzieren zu müssen. Komplexitätsreduktion<br />
hat nämlich ihren Preis darin,<br />
III. Methoden 165