Brauchtumslieder - Sauerlandmundart
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die Funktion des Brauches nicht mehr verstehen (TT IVa, S.23 u.24; TT VIIId, S.38;<br />
TT VIIIg,S.41).<br />
3. Ein großer Teil der im ersten Abschnitt aufgeführten Funktionen von <strong>Brauchtumslieder</strong>n<br />
konnte anhand von Beispielen bestätigt werden.<br />
a) Drei Termine des Jahreskreises, und zwar Dreikönig, Fastnacht und Stephans-/<br />
Johannesknechte, haben Bräuche ausgeprägt, die eindeutig das Heischen in den<br />
Vordergrund stellen. Hier haben die Lieder die Aufgabe, den Grund des Heischens<br />
darzustellen und ganz bestimmte, manchmal sogar brauchtumsspezifische (s.<br />
Johannes/ Stephansknechte) Gaben zu fordern.<br />
Nach Erhalt der Gaben schließt sich meist ein Dankreim an (TT IVa, S.23; TT<br />
IIIb,S.24; TT IIId,S.27). Ein Anschlussvers, welcher die Unzufriedenheit der Sänger<br />
beim Ausbleiben der Gaben ausdrückt, scheint es in den drei Untersuchungsorten<br />
nicht zu geben. Vielleicht ist die Spendenbereitschaft der Bevölkerung noch so groß,<br />
dass dererlei Antwortverse nicht nötig sind. Das Neujahrslied führt im Text zwar<br />
keine Heischeforderung mit sich, gilt jedoch als Vorleistung eines Heischegangs zu<br />
einem späteren Termin.<br />
b) Beschwörungsformeln, die zum Teil magische Kraft haben sollen, finden sich vor<br />
allem in den Liedern zum 'Bastablösen' und 'Sonnenvogelaustreiben‘.<br />
c) Die Aufgabe der Lieder zu Neujahr besteht darin, den Mitbewohnern Glück zu<br />
wünschen und somit den Zusammenhalt innerhalb des Dorfes zu fördern.<br />
d) Der Rhythmus der Bastlösereime unterstützt die bei diesem Brauch zu verrichtende<br />
Arbeit indem sie den Takt der Messerschläge und die Zeitlänge der Handlung<br />
vorgeben.<br />
e) Die in der Untersuchung aufgeführten Spottverse (TT X, S.44; TT XI, S.46) haben<br />
hier die vorrangigen Aufgaben der Sinngebung für den Brauch selber (Judas) und der<br />
Belustigung (Pinkesvoß).<br />
f) Bräuche können auch durch passende Lieder erst den rechten Rahmen bekommen<br />
und so Brauch unterstützend wirken (Fastnachtsbegräbnis).<br />
4. Durch die Auswahl der drei Dörfer, welche recht nahe zueinander liegen, rückte<br />
natürlich auch die Frage nach der Brauchselbstständigkeit der Orte in den Vordergrund.<br />
Hier wurde am Beispiel der Dreikönigslieder besonders deutlich, dass die Texte meist<br />
regional übergreifend bekannt sind, die Melodien jedoch von Ort zu Ort nicht nur in<br />
Varianten (MT Ia-b, S.18f.) sondern in gänzlich anderen, voneinander nicht abzuleitenden<br />
Formen die Selbstständigkeit der Orte hinsichtlich der Brauchausführung<br />
betonen.