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Vorjudikatur beachten oder missachten dürfte oder gar, wenn er an jede Vorjudikatur<br />
gebunden wäre.<br />
Abgesehen von den genaueren Voraussetzungen und Grenzen der Bindung, die<br />
noch geklärt werden müssen, ergeben schon die bisherigen Ausführungen, dass<br />
eine brauchbare Einordnung des Richterrechts in unser Rechtssystem jedenfalls<br />
Antwort auf die normative Bindungsfrage (und nicht bloß globale soziologische<br />
Aussagen über die regelmäßige Auswirkung von Vorjudikatur) geben muss und dass<br />
weiter der Vorrang des Gesetzes unangetastet bleiben muss.<br />
3. Unterschiedliche Ansätze zur beschränkten<br />
Bindungskraft des Richterrechts<br />
Die Lehre von einer beschränkten Bindungskraft der Vorjudikatur ist, nach dem<br />
bisher Gesagten naheliegenderweise, relativ alt und besonders in der<br />
schweizerischen Literatur verbreitet. Sie ist aber keineswegs einheitlich. Das kann<br />
hier nur an einigen Beispielen angedeutet werden.<br />
Eine sehr ausgearbeitete Richterrechtstheorie der „Fallnorm“ begrenzt die, hier<br />
allerdings streng verstandene Bindung auf den Bereich richterlicher<br />
Rechtsfortbildung und lehnt im Bereich der Gesetzesauslegung dafür jede Bindung<br />
an Präjudizien ab. Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist für diese Unterscheidung<br />
kein ausreichender Grund zu sehen, da auch der Bereich der (ergänzenden)<br />
richterlichen Rechtsfortbildung durchaus kontrollierenden rechtlichen Kriterien<br />
unterliegt, wie dies oben dargelegt wurde. Wer dies verneint und die richterliche<br />
Rechtsfortbildung grundsätzlich als Rechtsfindung contra legem versteht, mag zu<br />
einer anderen Sicht kommen. Doch ist dabei schon die abweichende Prämisse,<br />
nämlich die Aufgabe des Vorranges des Gesetzes, nicht zu billigen. Richtig ist<br />
freilich, dass der Vorrang des Gesetzes in der Regel umso weniger verletzt werden<br />
kann, je weniger bestimmt die gesetzliche Regelung und ihre normativen Grundlagen<br />
sind. Das begründet aber keine kategorial durchgreifende Verschiedenheit<br />
hinsichtlich der Legitimität der Rechtsfortbildung.<br />
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