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Globalaussagen über eine generelle Befolgungstendenz mögen faktisch durchaus<br />
richtig sein, lassen aber naturgemäß alles rechtlich Entscheidende offen. Sie stellen<br />
ja nur eine generelle Prognose, die im Einzelfall sogar als solche wenig hilft,<br />
insbesondere aber dazu gar nicht Stellung nimmt, welche Rolle Richterrecht<br />
legitimerweise spielen soll. Es ist ein Armutszeugnis der überkommenen<br />
Methodenlehre, wenn sie sich dieser rechtlich entscheidenden Frage verschließt. Die<br />
dargestellten Aussagen führen ja auf der normativen Ebene zu dem Schluss, dass<br />
man bei der Beurteilung von Einzelfällen vorhandene Vorentscheidungen befolgen<br />
darf – was manche Äußerungen im Rahmen des von ihnen für maßgebend<br />
gehaltenen richterlichen Ermessens, dann überflüssigerweise, noch besonders<br />
hervorheben – dass man sie aber auch ignorieren darf. Der Rechtsverkehr muss<br />
also, ungeachtet der faktischen überwiegenden Tendenz zur Befolgung, doch auch<br />
mit Ignorierung oder Verwerfung der Vorjudikatur rechnen. Das hilft weder dem<br />
entscheidungspflichtigen Richter noch dem Rechtsverkehr.<br />
Das extreme Gegenteil zum „an sich nichts“ vertreten die Meinungen, die letztlich<br />
allein das Richterrecht als rechtlich relevant und daher doch wohl als verbindlich<br />
betrachten: weil Gesetzesregeln infolge ihrer Allgemeinheit bloßes Programm seien;<br />
weil sie nur den Inhalt haben, den Richter „pflichtgemäß“ (?) daraus entnehmen; weil<br />
ein Gesetz vielleicht noch nie eine richterliche Entscheidung bestimmt habe (!), weil<br />
es überhaupt keinen erkennbaren entscheidungserheblichen Inhalt habe usw. All<br />
dies ist vollständig erfahrungswidrig, weil einfache Fälle oder Sachverhaltselemente<br />
ständig ohne alle Schwierigkeiten und ohne weiteres aus dem Gesetz beurteilt<br />
werden. Auch theoretisch müssen sich die Vertreter solcher Auffassungen fragen<br />
lassen, wieso die unzweifelhaft bestehenden Schwierigkeiten menschlicher<br />
Kommunikation und insbesondere des Textverständnisses zwar sonst nirgends zur<br />
Behauptung praktischer Unverständlichkeit aller menschlicher Äußerungen<br />
übertrieben werden, dies aber gerade für Aussagen des Gesetzgebers doch gelten<br />
soll. Besonders bizarr, weil widersprüchlich, ist die Vorstellung, dass diese völlige<br />
Unverständlichkeit zwar für das Gesetz, nicht aber für die – immer noch recht<br />
allgemeinen! – Richterrechtsregeln gelten soll; nach einer einschlägigen Stimme<br />
ebensowenig für den Gleichheitsgrundsatz, eine besonders allgemeine Norm!<br />
Manche Aussagen solcher Art dürften letztlich nicht bloß auf allgemeiner<br />
Erkenntnisskepsis, sondern auf destruktiven Tendenzen speziell gegenüber Recht<br />
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