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Phänomens „Richterrecht“ in das „kontinentaleuropäische“, primär kodifizierte Recht<br />
darstellt.<br />
5. Praktische Konsequenzen<br />
Ein Hauptanwendungsgebiet für korrekt verwendetes Richterrecht auch im<br />
kodifizierten System bilden die Generalklauseln und ähnlich unbestimmte<br />
Rechtsbegriffe im Gesetzesrecht mit ihrem oben erörterten differenzierten und nicht<br />
selten ebenfalls vagen oder widersprüchlichen Konkretisierungsmaterial. Das<br />
notwendige Minimum an Rechtssicherheit und an Gleichmäßigkeit der<br />
Rechtsanwendung ist hier in der Regel überhaupt nur bei sorgfältiger<br />
Berücksichtigung der Vorjudikatur erreichbar. Das gilt etwa für die „guten Sitten“ im<br />
allgemeinen Zivilrecht und im Wettbewerbsrecht, für die „Angemessenheit“ des<br />
Schmerzensgeldes usw. Aus diesen Gründen ist auch die Widerlegbarkeit<br />
vorhandenen Richterrechts hier beschränkt, seine Bindungskraft also praktisch<br />
erweitert. Dem Grunde nach ist aber selbstverständlich auch hier der Nachweis<br />
möglich, dass der bisherigen Judikatur zu einer bestimmten Frage aktuell<br />
überwiegende Gründe entgegenstehen, die sich aus deutlichen Veränderungen im<br />
normativen Konkretisierungsmaterial oder in normbetroffenen und daher rechtlich<br />
relevanten Tatsachen ergeben. Das bestätigen zahlreiche wohlbegründete<br />
Judikaturänderungen auch in diesem Bereich. Als Beispiele seien nur die starke<br />
neuere Betonung der Anforderungen des Leistungswettbewerbs (gegenüber früherer<br />
stärkerer Betonung der Standesmoral) sowie die Einbeziehung der<br />
Verbraucherinteressen in der Judikatur zum unlauteren Wettbewerb sowie die<br />
Erstreckung des Schmerzensgeldes auch auf empfindungsunfähig gewordene<br />
Verletzte genannt.<br />
Die herausgearbeiteten Kriterien zur Anwendung von „Richterrecht“ sind aber ohne<br />
weiteres auch im Beeich tatbestandlich präziserer Regelungen anwendbar. Das zeigt<br />
in der einen Richtung jede wohlbegründete Judikaturänderung; z. B. in Österreich die<br />
Preisgabe der langjährigen Rechtsprechung über ein angeblich rechtsgeschäftlich<br />
durch bloße reale Übergabe begründetes „außerbücherliches Eigentum“; weiter z. B.<br />
die Korrektur der alten Judikatur über die Wirkungen der Verarbeitung einer unter<br />
Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache; die Preisgabe der Auffassung, dass die<br />
Verjährung einer Schadenersatzforderung bereits vor Entstehung jedes Schadens<br />
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