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Sorgfalt zu prüfen und zu begründen. Das kann dadurch erleichtert sein, dass man<br />
nachweisen kann, dass für andere, systematisch zusammenhängende Rechtsregeln<br />
ohne die Reduktion der problematischen Regel kein sinnvoller Anwendungsbereich<br />
bliebe. Weiter ist darauf zu achten, dass nicht unter dem Deckmantel einer<br />
teleologischen Reduktion in Wahrheit „alle Umstände des Einzelfalles“<br />
berücksichtigende bloße Billigkeitsjurisprudenz betrieben wird, die die betreffende<br />
Regel alsbald überhaupt auflöst. Vielmehr muss nachzuweisen sein, dass eine<br />
ganze, abstrakt umschreibbaren Fallgruppe aus der angeordneten Rechtsfolge<br />
herauszunehmen ist.<br />
Ein Beispiel bietet etwa das Nachfristerfordernis beim Rücktritt nach § 918 ABGB. Es<br />
soll dem säumigen Vertragspartner noch eine Chance eröffnen, durch verspätete,<br />
aber doch alsbaldige Leistung den Vertrag aufrechtzuerhalten. Hat nun der säumige<br />
Vertragspartner über seinen Verzug hinaus ernstlich erklärt, dass er überhaupt nicht<br />
daran denke, den Vertrag zu erfüllen (Erfüllungsverweigerung), wäre die<br />
Nachfristsetzung bloß eine sinnlose, ihrem vernünftigen Zweck nicht dienende<br />
Formalität: Man weiß aus bester Quelle, nämlich vom Schuldner selbst, dass er die<br />
Nachholungschance nicht wahrnehmen wird. Hier ist also Rücktritt ohne<br />
Nachfristsetzung wirksam.<br />
Oder: Für Rechtsgeschäfte zwischen Eltern und minderjährigen Kindern war nach<br />
älterem Recht schlechthin, also ohne einschränkungsgeeignete<br />
Interpretationsmöglichkeit, die Bestellung eines Kollisionskurators als notwendig<br />
erklärt. (§ 271 ABGB). Für Weihnachts-, Geburtstags- oder auch sonstige reine<br />
Schenkungen der Eltern an die Kinder kann der Zweck der Vorschrift, die<br />
Vermeidung auch schon möglicher Interessenkollisionen der Eltern, schlechthin nicht<br />
zutreffen. Die Notwendigkeit der gerichtlichen Bestellung eines Kollisionskurators für<br />
die üblichen Gelegenheitsgeschenke wäre überhaupt völlig absurd. Die reine, mit<br />
keinen Belastungen verbundene Schenkung der Eltern an ihre Kinder war also aus<br />
der zitierten Vorschrift herauszunehmen. Die Neufassung des § 271 ABGB hat durch<br />
Abstellen auf tatsächlich drohende Interessenkollisionen das frühere Ergebnis der<br />
teleologischen Reduktion in das Gesetz selbst aufgenommen.<br />
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