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Als der Interpretation und der – gesetzesnäheren – Analogie nachfolgende, also<br />
subsidiäre Rechtsfindungsmethode ist aber der unmittelbare Rückgriff auf die<br />
allgemeinen Rechtsgrundsätze rationalerweise unumgänglich. Das gilt trotz ihrer<br />
zuzugestehenden relativen Vagheit. Die Kritiker, die auf diese hinweisen, haben ja,<br />
wie erinnerlich, nur das überhaupt kriterienlose Ermessen bzw. die Eigenwertung des<br />
jeweiligen Beurteilers anzubieten.<br />
2. Ermittlung und Beschaffenheit von Prinzipien<br />
In vielen Rechtsgebieten und Rechtsinstituten sind seit jeher bestimmte Prinzipien,<br />
also die ganze betroffene Rechtsmaterie wesentlich beeinflussende<br />
Grundwertungen, bekannt. Sie unterscheiden sich, bei fließenden Übergängen, von<br />
den Gesetzeszwecken oder Gesetzesgründen dadurch, dass die letzteren<br />
bestimmten einzelnen Gesetzesvorschriften, nicht umfassenderen Rechtskomplexen,<br />
zugrunde liegen. Als Beispiele für leitende Grundsätze denke man etwa im<br />
Verfassungsrecht an Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz, an das<br />
Schuldprinzip oder die Maxime „nulla poena sine lege“ im Strafrecht, an die<br />
Grundsätze der Rechtskraft oder der freien Beweiswürdigung im Prozessrecht, an<br />
die (beschränkte) Eigentumsfreiheit, das Publizitätsprinzip und die absolute Wirkung<br />
der subjektiven Rechte im Sachenrecht, an die Leitgedanken der Privatautonomie<br />
und des Vertrauensschutzes im Schuldrecht, an das beide Bereiche umfassende<br />
Rechtsscheinprinzip; an den Grundsatz der umfassenden Fürsorgepflicht im<br />
Familienrecht, an Testierfreiheit und Familienerbfolge im Erbrecht usw. Schon die<br />
alte Prinzipienlehre hat in vielen Zusammenhängen die allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze in diesem Sinn, also als allgemeine systemtragende<br />
Grundwertungen, hervorgehoben und bei der Auslegung und Rechtsfortbildung<br />
nutzbar gemacht. Prinzipien in diesem Sinn sind keine in Tatbestand und<br />
Rechtsfolge gegliederte, auf schlichte Anwendung angelegte Rechtsnormen,<br />
sondern generelle Wertungstendenzen in Bezug auf umfassende Sachverhalte und<br />
die darauf bezogenen konkreteren Rechtskomplexe.<br />
Rechtstheoretisch hat die neuere Prinzipienlehre, zunächst in Gestalt der von der<br />
Rechtsdogmatik ausgehenden Theorie Wilburgs vom „beweglichen System“, eine<br />
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