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Kontext der tatsächlichen Fallumstände und der streitigen Rechtsfragen des früheren<br />
Falles zureichend bestimmt ist, auf in Wirklichkeit ganz andere Problemlagen<br />
anwenden. So kann z. B. aus der in ganz anderem Zusammenhang getroffenen<br />
gerichtlichen Aussage, dass Optionsverträge von Vorverträgen zu unterscheiden<br />
sind, unversehens und falsch eine Ablehnung der analogen Anwendung der<br />
clausula-Bestimmung des § 936 ABGB auf Optionsverträge werden (jedenfalls, wenn<br />
jemand zusätzlich die Judikaturen nicht kennt, die diese Analogie ohnehin<br />
ausdrücklich bejaht).<br />
Das Schwergewicht der Präjudiziensuche und Präjudizienverwertung bei der<br />
praktischen Rechtsfindung würde sehr missverstanden, wenn man daraus etwa die<br />
Überflüssigkeit oder doch die geringe Bedeutung der oben erörterten methodischen<br />
Kriterien und Gedankengänge ableiten wollte. Dieser Schluss wird zwar von<br />
manchen gezogen, ist aber aus mehreren Gründen falsch. Zunächst müssen<br />
selbstverständlich Rechtsprobleme auch dann so begründet wie möglich beurteilt<br />
werden, wenn zu ihnen noch keine gerichtlichen Präjudizien vorliegen. Weiter gibt es<br />
auch in der Rechtsprechung umstrittene Fragen. Schließlich müssen, wie ausführlich<br />
zu erörtern sein wird, die vorhandenen Vorentscheidungen kritisch auf ihre eigene<br />
zureichende rechtliche Begründung überprüft werden, was nur mit Hilfe der<br />
methodologischen Kriterien der Jurisprudenz möglich ist.<br />
Endlich ist aber in den „kontinentaleuropäischen“ Rechtsordnungen des kodifizierten<br />
Systems die genaue rechtliche Bedeutung vorhandener, auch einheitlicher<br />
Präjudizien außerordentlich umstritten. Und in letzter Linie beweist die ausführliche<br />
Verwertung von Vorjudikatur schon deshalb nichts gegen die üblichen<br />
Methodenregeln, weil – von bloßen Billigkeits- oder Gefühlsentscheidungen mit mehr<br />
als fragwürdiger Legitimität abgesehen – in ihre Begründung bereits die methodisch<br />
korrekten Rechtsgewinnungsargumente eingegangen sein müssen, sodass der<br />
Verweis auf bestimmte Präjudizien jedenfalls mittelbar auch die darin enthaltenen<br />
(oder rekonstruierbaren) methodischen Argumente mit erfasst.<br />
Aus dem letztgenannten Grund wird die Vorjudikatur noch ziemlich einheitlich<br />
(mindestens) als „Rechtserkenntnisquelle“ anerkannt; ähnlich wie ein Lehrbuch oder<br />
eine wissenschaftliche Abhandlung: Es handelt sich hier wie dort um bereits<br />
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