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Dokument 1.pdf (17.982 KB) - OPUS - Universität Würzburg

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9. Scanzoni und Semmelweis<br />

auf einige Zeit ausgesetzt und was diese, mit der grössten Sorgfalt<br />

vorgenommenen Waschungen nicht vermochten, das vollbrachte ein günstigerer<br />

Genius epidemicus: die Erkrankungen minderten sich plötzlich.“ 1082 Ein zweiter<br />

Versuch der Einführung der Waschungen im Juni 1848 in der Prager Gebäranstalt<br />

führte laut Scanzoni sogar zu einem Anstieg der Sterblichkeit an Puerperalfieber.<br />

Diese irritierenden Zahlenbeispiele 1083 Scanzonis waren – neben einigen weiteren<br />

Gegenargumenten und dem Vorwurf, daß die von Skoda geforderten<br />

großangelegten Untersuchungen in Wien (durch Kleins Widerstand) politisch<br />

verhindert worden waren – entscheidend für sein Mißtrauen am Erfolg der<br />

Chlorwaschungen –: und damit an der Semmelweis´schen Lehre überhaupt. Diese<br />

in den Jahren 1848-1850 in Prag von Scanzoni und Seyfert erhobenen Statistiken<br />

bildeten ein schwerwiegendes Argument für die Gegner Semmelweis´. „Allein der<br />

Glaube an die mathematische Richtigkeit der Statistik führte auch auf<br />

medicinischem Gebiete zu Ausschreitungen.“ 1084 Es war eben nicht nur<br />

persönliche Eitelkeit aufgrund der unberechtigten Vorwürfe gegen Prag, die<br />

Scanzoni bei diesem Thema den Blick für die Wahrheit verschleierte, wie ihm<br />

immer wieder vorgeworfen wurde, sondern auch eine handfeste klinische Studie –<br />

wo auch immer der Fehler hier gelegen haben mag. Gegner Scanzonis<br />

argumentieren damit, die Waschungen seien mangels Information nicht korrekt<br />

durchgeführt worden; das läßt sich im Nahhinein freilich nicht mehr prüfen.<br />

Fatal wurde letztlich Scanzonis über Jahre tragendes ungeheures Ansehen, das die<br />

größere Zahl der deutschen Geburtshelfer beim Thema Puerperalfieber auf<br />

Scanzonis Seite brachte und die Geringschätzung der Semmelweis´schen<br />

Hypothesen verbreitete. „Scanzonis gewichtige Stimme trug dazu bei, den<br />

schreibscheuen Semmelweis zunächst von der wissenschaftlichen Bühne zu<br />

verdrängen.“ 1085 „Scanzoni hätte mit seiner großen Autorität, mit seinem Wissen<br />

und seiner didaktischen Fähigkeit viel zur Verbreitung der Semmelweis´schen<br />

1082 Scanzoni (1850), S. 29. Hierzu gewährt Scanzoni Einblick in die Klinikprotokolle und erwähnt<br />

eine strenge Kontrolle der Durchführung der Waschungen durch den Klinikdirektor Riedl.<br />

1083 In der ungarischen Literatur werden Scanzonis und Seyferts Statistiken als gefälscht<br />

bezeichnet, vgl. Pachner (1964), S. 108f.<br />

1084 Landau (1875), S. 151<br />

1085 Franke (1984), S. 39-40<br />

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