Robert Ritter: Ein Menschenschlag.Erbärztliche und - sifaz
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Und zwar wurde ein jeder demjenigen Ort zugeteilt, in dem<br />
er zufällig geboren worden war, oder in dem er 5 Jahre „den<br />
Schutz genossen" hatte.<br />
Dieses Gesetz war für diejenigen Orte von katastrophalen<br />
Folgen, die den heimatlosen Leuten gegenüber Duldsamkeit hatten<br />
walten lassen.<br />
So finden sich zahlreiche Ortschaften, in denen sich vor<br />
5 Generationen eine größere Anzahl von Vagantenfamilien niederlassen<br />
mußte. Die Gemeinden nahmen sie nicht als Bürger auf,<br />
sondern räumten ihnen nur widerwillig das Beisitzerrecht ein.<br />
Welche Last die Regierung den Gemeinden durch diese Verfügung<br />
auferlegt hatte, davon reden die auffindbaren Urk<strong>und</strong>en<br />
eine eindringliche Sprache, denn wo es auch war, zeigte es sich<br />
immer wieder, daß weder die Jugend noch das Alter den angeborenen<br />
Hang zur Landstreicherei <strong>und</strong> zum Müßiggang, zum<br />
Bettel <strong>und</strong> Diebstahl ablegen konnte.<br />
Aus dem Wunsche, die zugeteilten „Fremden" abzuschieben<br />
<strong>und</strong> baldmöglichst loszuwerden, erwuchsen <strong>Ein</strong>gaben über <strong>Ein</strong>gaben<br />
an die Regierungen, in denen dargelegt wurde, daß der<br />
„Heimatlose" zu Unrecht dem betroffenen Orte zugewiesen sei,<br />
<strong>und</strong> daß er, da er knapp jenseits der Markungsgrenze geboren sei,<br />
der Nachbargemeinde oder etwa dem Geburtsort seiner unehelichen<br />
Mutter oder gar einem andern Lande zugeteilt werden<br />
natisse 1) .<br />
Die behördlichen Auseinandersetzungen über die Heimatverhältnisse<br />
der Vaganten waren nicht selten von jahrelanger<br />
Dauer, da zahlreiche Rückfragen sich nur auf diplomatischem<br />
Wege erledigen ließen.<br />
Die Vagab<strong>und</strong>en wußten demzufolge oft selbst nicht, woran<br />
sie waren oder nutzten diese Rechtsunsicherheit ihrerseits aus <strong>und</strong><br />
vagierten weiter umher. Vor allem dort, wo in einem Ort <strong>und</strong> seiner<br />
Umgebung mehrere Vagantenfamilien seßhaft gemacht worden<br />
waren, kam es immer wieder durch Generationen hindurch zur<br />
Vermischung untereinander, wodurch auch hier der alte Schlag<br />
<strong>und</strong> seine Eigenart erhalten blieb.<br />
Für jede neue Bürgergeneration, für jeden neu gewählten<br />
Gemeinderat waren die Hintersassen, Beisitzer <strong>und</strong> Armen-<br />
1) Vgl. Akten die Vaganten betreffend des kgl. Ministeriums des<br />
Innern (Staatsfilialarchiv Ludwigsburg).