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Robert Ritter: Ein Menschenschlag.Erbärztliche und - sifaz

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98 ___<br />

Und zwar wurde ein jeder demjenigen Ort zugeteilt, in dem<br />

er zufällig geboren worden war, oder in dem er 5 Jahre „den<br />

Schutz genossen" hatte.<br />

Dieses Gesetz war für diejenigen Orte von katastrophalen<br />

Folgen, die den heimatlosen Leuten gegenüber Duldsamkeit hatten<br />

walten lassen.<br />

So finden sich zahlreiche Ortschaften, in denen sich vor<br />

5 Generationen eine größere Anzahl von Vagantenfamilien niederlassen<br />

mußte. Die Gemeinden nahmen sie nicht als Bürger auf,<br />

sondern räumten ihnen nur widerwillig das Beisitzerrecht ein.<br />

Welche Last die Regierung den Gemeinden durch diese Verfügung<br />

auferlegt hatte, davon reden die auffindbaren Urk<strong>und</strong>en<br />

eine eindringliche Sprache, denn wo es auch war, zeigte es sich<br />

immer wieder, daß weder die Jugend noch das Alter den angeborenen<br />

Hang zur Landstreicherei <strong>und</strong> zum Müßiggang, zum<br />

Bettel <strong>und</strong> Diebstahl ablegen konnte.<br />

Aus dem Wunsche, die zugeteilten „Fremden" abzuschieben<br />

<strong>und</strong> baldmöglichst loszuwerden, erwuchsen <strong>Ein</strong>gaben über <strong>Ein</strong>gaben<br />

an die Regierungen, in denen dargelegt wurde, daß der<br />

„Heimatlose" zu Unrecht dem betroffenen Orte zugewiesen sei,<br />

<strong>und</strong> daß er, da er knapp jenseits der Markungsgrenze geboren sei,<br />

der Nachbargemeinde oder etwa dem Geburtsort seiner unehelichen<br />

Mutter oder gar einem andern Lande zugeteilt werden<br />

natisse 1) .<br />

Die behördlichen Auseinandersetzungen über die Heimatverhältnisse<br />

der Vaganten waren nicht selten von jahrelanger<br />

Dauer, da zahlreiche Rückfragen sich nur auf diplomatischem<br />

Wege erledigen ließen.<br />

Die Vagab<strong>und</strong>en wußten demzufolge oft selbst nicht, woran<br />

sie waren oder nutzten diese Rechtsunsicherheit ihrerseits aus <strong>und</strong><br />

vagierten weiter umher. Vor allem dort, wo in einem Ort <strong>und</strong> seiner<br />

Umgebung mehrere Vagantenfamilien seßhaft gemacht worden<br />

waren, kam es immer wieder durch Generationen hindurch zur<br />

Vermischung untereinander, wodurch auch hier der alte Schlag<br />

<strong>und</strong> seine Eigenart erhalten blieb.<br />

Für jede neue Bürgergeneration, für jeden neu gewählten<br />

Gemeinderat waren die Hintersassen, Beisitzer <strong>und</strong> Armen-<br />

1) Vgl. Akten die Vaganten betreffend des kgl. Ministeriums des<br />

Innern (Staatsfilialarchiv Ludwigsburg).

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