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Robert Ritter: Ein Menschenschlag.Erbärztliche und - sifaz

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Aber nicht selten mußte der Gemeinderat schließlich doch<br />

nachgeben, da die Heiratsverbote die Zahl der Kinder nicht im<br />

geringsten einschränkten. Mit der Bemerkung, „es nütze doch<br />

nichts, den Bewerbern die Ehe zu verbieten", wurde sie ihnen<br />

dann gestattet.<br />

In der rberzeugung, wenigstens die Kinder noch zu brauchbaren<br />

Menschen erziehen zu können, hatte der Staat im Jahre<br />

1826 ein Vaganten-Kinderinstitut errichtet. Aus den noch vorhandenen<br />

Zeugnislisten dieser Kinder geht deutlich hervor, daß<br />

sie nicht schwachsinnig waren. Charakterlich dagegen machten<br />

sie ihren Lehrern die größten Schwierigkeiten. Diejenigen von<br />

ihnen, die ausschließlich Vagantenblut führten, wurden trotz aller<br />

Erziehung <strong>und</strong> Lehre „rückfällig", d. h. sie erwiesen sich als „echte<br />

Vagab<strong>und</strong>en". Dies führte man zum Teil aber darauf zurück, daß<br />

es kaum möglich war, jede Verbindung zwischen Eltern <strong>und</strong> Kindern<br />

zu lösen 1). Ganz dieselben Entwicklungen <strong>und</strong> Probleme<br />

lassen sich Generationen später auch wieder bei ihren Nachkommen<br />

finden, die ihrerseits in den Fürsorge-Erziehungsanstalten<br />

untergebracht werden.<br />

Daß der alte Gaunerschlag sich durch sozialpolitische <strong>und</strong><br />

erzieherische Maßnahmen nicht ausrotten ließ, das zeigte sein<br />

Auftreten immer wieder dort, wo sich ihm dazu Gelegenheit bot.<br />

Wenn man etwa einen Bericht liest über das Treiben einer Diebsbande,<br />

die im Jahre 1854 die Grenze gegen den württembergischbadischen<br />

Schwarzwald unsicher machte, so glaubt man eine<br />

Beschreibung vor sich zu haben, die von ihren leiblichen Vorfahren,<br />

die 4 Generationen früher lebten, spricht.<br />

1) Aus einer Verfügung der kgl. württembergischen Regierung<br />

des Schwarzwaldkreises Reutlingen, 18. August 1830: „Da man die<br />

Erfahrung gemacht hat, daß das Erziehungsinstitut für Kinder<br />

vagierender Eltern zu Weingarten, sowie die einzelnen aus dieser<br />

Anstalt entlassenen <strong>und</strong> in Gewerbelehren oder Diensten untergebrachten<br />

Kinder häufig von den vagierenden Eltern heimgesucht<br />

werden . . <strong>und</strong> da insbesondere auch ein nachteiliger <strong>Ein</strong>fluß der<br />

Besuchenden auf die Zöglinge, zumal auf diejenigen derselben, welche<br />

nicht mehr in der Anstalt selbst sich befinden, nur sehr schwer vermieden<br />

werden kann, <strong>und</strong> dieser <strong>Ein</strong>fluß bei Zöglingen der letzten<br />

Klasse sich bereits auf eine verderbliche Weise k<strong>und</strong>getan hat, <strong>und</strong><br />

da die völlige Trennung der Zöglinge von ihren Angehörigen aus dem<br />

Vagantenstand ein wesentlicher Zweck der gedachten Erziehungsanstalt<br />

<strong>und</strong> eine wesentliche Bedingung des Gelingens ihrer Aufgabe<br />

ist, so sieht man sich veranlaßt, folgendes zu verfügen: ."<br />

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