Robert Ritter: Ein Menschenschlag.Erbärztliche und - sifaz
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im Umherziehen suchen mußten1). Die Bettelleute kehrten allwöchentlich<br />
oder allmonatlich ein- bis zweimal in ihre ärmlichen<br />
Behausungen zurück <strong>und</strong> verbrachten wohl auch die strengen<br />
Wintermonate in ihnen.<br />
Wie sich aus alten Akten ergibt, erwiesen sich diese Siedlungen<br />
für die Landbevölkerung der näheren <strong>und</strong> weiteren<br />
Umgebung als unerträgliche Neuschöpfungen. Heimatliche Ruhe<br />
<strong>und</strong> Sicherheit des Eigentums waren durch die halbseßhaften<br />
Vagab<strong>und</strong>en ständig bedroht. Die Bauern vermochten sich dieser<br />
zudringlichen Bettler kaum mehr zu erwehren. An <strong>Ein</strong>gaben <strong>und</strong><br />
Bittschriften der Landgemeinden, die Siedlungen mit „Stumpf<br />
<strong>und</strong> Stiel" auszurotten, hat es denn auch nicht gefehlt <strong>und</strong><br />
dementsprechend auch nicht an Ansätzen zu einem strengen Vorgehen<br />
gegen das Diebs- <strong>und</strong> Bettelgesindel. Wenn man auch<br />
zuzeiten durch Zuzugs- <strong>und</strong> Heiratsverbote bemüht war, die<br />
Zahl der „Kolonisten" einzuschränken, so konnte man doch den<br />
Fortbestand, die Ausbreitung des Schlages durch derartige Verbote<br />
nicht verhindern.<br />
Die Zahl der im Laufe der Generationen in diesen Kolonien<br />
geborenen unehelichen Kinder brachte die weiblichen Glieder<br />
des Schlages im ganzen Lande in den Ruf größter Liederlichkeit.<br />
Man wußte, daß ihnen das Verschwenden <strong>und</strong> die Neigung zum<br />
Trunke mehr im Blute lag als das Sparen <strong>und</strong> gab nichts auf ihre<br />
Beteuerungen, daß es ihnen am Gelde fehlte, um den Heiratskonsens<br />
zu erhalten.<br />
Die Nachkommenschaft der alten Vagab<strong>und</strong>engeschlechter —<br />
also ein beträchtlicher Teil des ganzen Schlages — ballte sich in<br />
diesen Siedlungen eng zusammen. Diese Tatsache trug aber ihrerseits<br />
nur wieder zur Erhaltung des Schlages bei, denn die Möglichkeit,<br />
sich mit fremdschlägigem Blut zu vermischen <strong>und</strong> dadurch<br />
die ererbte Eigenart zu verlieren, war infolge des gelegentlichen<br />
Zusammenhausens der Siedler geringer denn je.<br />
Wie die Kirchenbücher ausweisen, paarten sich die Bewohner<br />
der Siedlungen in allen Generationen immer wieder untereinander<br />
<strong>und</strong> erhielten zu einem nicht unbeträchtlichen Teil — auch auf<br />
1) A. Neher, Wirtschaftsgeschichte der Gemeinde S . . . In dieser<br />
lesenswerten Arbeit wird der Versuch gemacht, den seit zwei Jahrh<strong>und</strong>erten<br />
bestehenden Pauperismus der ärmsten Gemeinde Schwa -<br />
bens aus rein ökonomischen Ursachen heraus zu erklären. <strong>Robert</strong><br />
Sandel, Waldsee 1914.