Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts - OECD Online ...
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<strong>Gesellschaft</strong>lich-wirtschaftliche Konsequenzen fortschreitender Komplexität und Wissensbildung<br />
Außerdem könnte es, wie Handy (1984) dargelegt hat, mit der Zunahme der relativen<br />
und absoluten Kosten fachlicher Fähigkeiten mehr Fälle, in denen Arbeitsverträge<br />
durch de facto und de jure freiberufliche Tätigkeit ersetzt werden, dort geben, wo der<br />
Facharbeiter seinen Vertrag ausdrücklich für ganz bestimmte <strong>Die</strong>nste abschließt, und<br />
nicht auf Arbeitsstunden. <strong>Die</strong> relativ hohen Kosten der Facharbeit üben einen starken<br />
Druck dahin aus, <strong>Die</strong>nste beruflich befähigter Einzelner oder Gruppen auf der Basis<br />
eines <strong>Die</strong>nstleistungsvertrags, und nicht eines Arbeitsvertrags, abzuschließen. Handy<br />
stellte <strong>des</strong>halb fest, dass die “Organisation als Zweckverband” [“gathered organisation”]<br />
— in der alle Fähigkeiten auf der Basis von Arbeitsverträgen im Besitz der Firma,<br />
und typischerweise an ganz bestimmten Örtlichkeiten zusammengefasst sind — allmählich<br />
durch die “vertragliche Organisation” ersetzt werden wird, die sich weitgehend<br />
auf Unter- und <strong>Die</strong>nstleistungsverträge stützt, oft mit Menschen, die zuhause oder an<br />
anderen räumlich vom Firmensitz getrennten Orten arbeiten.<br />
<strong>Die</strong> Folgewirkung <strong>des</strong> Rückgangs der “Organisation als Zweckverband”, erleichtert<br />
durch die zunehmende Nutzung <strong>des</strong> Internet oder anderer Telekommunikationsmittel,<br />
ist ein Verschwinden der örtlichen Trennung zwischen Heim und Arbeit. Historisch<br />
hatte diese Trennung vor ziemlich kurzer Zeit stattgefunden. Bis in die Frühzeit der<br />
Industrierevolution wurde viel Arbeit daheim oder nahebei geleistet. Es war der Aufstieg<br />
<strong>des</strong> modernen Fabriksystems — das sich anfänglich im neunzehnten Jahrhundert in<br />
Großbritannien ausbreitete —, welcher zuerst für eine große Anzahl von Bürgern die<br />
Arbeitswelt von der der Erholung trennte. <strong>Die</strong>se Grenzen werden wohl nicht bestehen<br />
bleiben. Nicht nur kann ein beträchtlicher Teil wissensintensiver Arbeit zuhause geleistet<br />
werden — niedrige Reisekosten und der Aufstieg der globalen Wirtschaft haben<br />
auch die Freizeitwelt erweitert, und die Bindungen an die engere Familie über die ganze<br />
Welt ausgedehnt. Arbeit wie Freizeit sind weltumspannender geworden, und diese<br />
Tendenz wird sich wohl fortsetzen. <strong>Die</strong> örtlichen und geographischen Schranken der<br />
Arbeit, Freizeit und Familie könnten der Vergangenheit angehören.<br />
<strong>Die</strong>se geographischen und anderen Entwicklungen haben wichtige zeitliche<br />
Auswirkungen. Wir haben die wachsende Rolle von Fachwissen und Kenntnissen eigener<br />
Art betrachtet, die Erscheinung von realer und quasi freiberuflicher Tätigkeit, und<br />
den Rückgang der “Organisation als Zweckverband” an einem gemeinsamen Ort.<br />
Entscheidend ist, dass im Ergebnis die Festsetzung einer bestimmten Anzahl von<br />
Arbeitsstunden im Arbeitsvertrag viel von ihrer betriebspraktischen Bedeutung und<br />
Sinngebung verliert. Auch wenn er oder sie formal Arbeitnehmer bleibt, braucht der<br />
Wissensarbeiter vielleicht Zeit für Nachdenken, Lesen, Forschung oder Studium,<br />
Tätigkeiten, die nicht immer innerhalb der offiziellen Arbeitszeit stattfinden können.<br />
Umgekehrt können geplante Arbeitsstunden, die außerhalb <strong>des</strong> Betriebs verbracht werden,<br />
den Charakter einer rituellen Pause annehmen. Arbeit wird mit nachhause genommen,<br />
und stunden- oder tageweise in dem heimischen, und nicht in dem überwachten<br />
Umfeld ausgeführt. Freizeitaktivität mag für geistige Erholung noch wichtiger werden,<br />
als das für körperliche Erholung in der Vergangenheit der Fall war. Alle diese Überle-<br />
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<strong>OECD</strong> 2000