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PDF Katalog - Koller Auktionen

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Möbel & Antiquitäten | Möbel, Uhren, Tapisserien, Bronzen<br />

1033 (offen)<br />

1033*<br />

SCHREIBKOMMODE „A LA MATHÄUS FUNK“, Louis XV, Zürich<br />

um 1770/75.<br />

Nussbaum und -wurzelmaser sowie heimische Fruchthölzer gefriest und<br />

ausserordentlich fein eingelegt mit Blumen, Blättern, Rautenmuster und<br />

Zierfries. Allseitig bombierter, geschweifter, trapezförmiger Korpus auf ausgeschnittener<br />

Zarge mit geschweiften Beinen. Front mit schräger, abklappbarer<br />

Schreibplatte über 2 markant gebauchten Schubladen. Inneneinteilung mit<br />

grossem Zentralfach unter 4 schmalen Schubladen auf 2 Reihen mit Zentralverriegelung<br />

und 4 herausziehbaren Fächern vor 2 Geheimschubladen, flankiert<br />

von je 4 stufenförmig angeordneten Schubladen, die untersten mit<br />

Geheimfach, die Seiten reich verziert mit Blattvoluten. Vergoldete Bronzebeschläge<br />

und -sabots. Alle Schubladen innen mit altem Kleisterpapier<br />

beklebt. 140x80x(offen 117)x112 cm.<br />

Feines, qualitativ hochwertiges Möbel von bestechender Qualität und<br />

Eleganz, die von der Ebenistenkunst von M. Funk beeinflusst wird - man<br />

beachte die Formgebung, Marketerie und Proportion -, jedoch auch eine starke,<br />

eigenständige Weiterentwicklung und Adaptation aufweist.<br />

Mit ausführlichem Gutachten von Dr. T. Lörtscher, Bern 2009, in dem<br />

Folgendes festgehalten wird:<br />

„Die untersuchte Schreibkommode ist ein herausragendes Beispiel schweizerischer<br />

Möbelkunst der Übergangszeit zwischen Louis XV und Louis XVI<br />

bzw. zwischen Rokoko und Frühklassizismus. Mit Traversen, vorkragenden<br />

Schubladenfronten und einer nach aussen abfallend gestürzten Schürzenfurnierung<br />

gehört sie einer heterogenen und lokal breiter gestreuten Gruppe<br />

von Kommoden an. Das Möbel bereichert den Typus mit zweischübigen<br />

Kommodenteil und Schrägklappenaufsatz durch teilweise mehrfache und<br />

ungewöhnlich ausgeprägte Bauchungen, die mit Ausnahme der Schreibklappe<br />

und der oberen Ablagefläche alle äusseren Sichtflächen wölben. Die Konstruktion<br />

und die Materialpalette lassen keine klare lokale Zuweisung erkennen.<br />

Hingegen weisen architektonische Eigentümlichkeiten, insbesondere<br />

aber mehrere für Bern ungewöhnliche Gestaltungselemente deutlich auf<br />

Zürich hin, das im 18. Jahrhundert wie Bern eines der wichtigsten deutschschweizerischen<br />

Möbelzentren bildete. Die zahlreichen Merkmale der<br />

Schreibkommode bieten zunächst nebeneinander betrachtet hinsichtlich des<br />

Entstehungsortes ein widersprüchliches Bild. Dies ist deshalb so, weil es eine<br />

Auftragsarbeit mit aussergewöhnlichen Ansprüchen stellt, die den Ebenisten<br />

alle künstlerischen Register ziehen liess. Die gestellten Ansprüche konnten<br />

nur ein Ebenistenatelier erfüllen, das technisch gerüstet war und künstlerisch<br />

einen weiten Horizont besass. Das Möbel reflektiert die vielfältigen Beziehungen,<br />

die zwischen den grossen Schweizer Möbelzentren des späten<br />

18. Jahrhunderts, namentlich zwischen Bern und Zürich, gepflegt wurden.<br />

Dieser Austausch drückte sich bei der Rezeption von vorbildlichen, beim<br />

Käufer-publikum beliebten Formtypen und dem Import bzw. Export von<br />

modischen Halbfabrikaten, wie Bronzebeschlägen, attraktiven Marmorsorten<br />

und Kaschierpapieren aus. Das vorliegende Möbel macht zum einen klar, dass<br />

hier Bern mit dem Formtyp sicherlich den künstlerisch wesentlichen Beitrag<br />

lieferte. Offensichtlich inspirierte Bern Zürich in dieser Übergangszeit zwischen<br />

Spätbarock und Klassizismus mit seinen eleganten Kommodenformen,<br />

die das Funk’sche Vorbild weiterentwickelten. Begabte und kommerziell denkende<br />

Zürcher Ebenisten nahmen das Vorbild auf und variierten es mehr oder<br />

weniger. Bei der vorliegenden Schreibkommode wird die Anlehnung durch<br />

die Verwendung der typisch bernischen Beschläge unterstrichen. Deutlich<br />

wird hier zudem, in welcher Weise ein hervorragender Meister das zurückhaltende<br />

bernische Grundvokabular eigenständig zu variieren und mit zusätzlichen<br />

lokaltypischen Gestaltungselementen zu bereichern wusste und gleichzeitig<br />

bewährte Werkstatteigenheiten weiterpflegte. Weiteren Aufschluss über<br />

die Entstehungsumstände des Möbels würden Angaben zur Provenienz<br />

bieten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass auch die<br />

Angehö-rigen der führenden Auftraggeberschicht bei der Städte teilweise<br />

enge familiäre, persönliche und geschäftliche Beziehungen unterhielten.“<br />

CHF 70 000.– / 120 000.–<br />

(€ 58 300.– / 100 000.–)<br />

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