PDF-Download - Bayerische Staatsoper
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FRANZ-JOSEF SELIG<br />
TEXT MARGIT UBER<br />
FOTOGRAFIE KUBA ŚWIETLIK<br />
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Kräftig die Statur, entschieden und doch sanft sein Händedruck,<br />
vertrauenerweckend seine unaufgeregte, uneitle Art.<br />
Franz-Josef Selig ist kein auf publikumswirksame Selbst-<br />
darstellung bedachter Sänger. Schwer vorstellbar, dass der<br />
weltweit gefragte Bass<br />
jemals die Contenance verlieren<br />
könnte. nte. Nur auf der Bühne verwandelt sich der Rheinländer<br />
in einen machtbesessenen Herrscher, geldgierigen Vater –<br />
aber auch in einen altersweisen Mann. Seine Stimme wird<br />
gerne mit Adjektiven wie „nobel“, „balsamisch“, „samten“<br />
oder „herrlich satt“ beschrieben. Wer sich darunter wenig<br />
vorstellen kann, wird in der Spielzeit 2010/11 reichlich<br />
Gelegenheit egenh finden, Franz-Josef Selig auf der Bühne der<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Staatsoper</strong> in drei berühmten Basspartien zu<br />
erleben: im Dezember als Sarastro in der „Zauberflöte“, im<br />
Mai als Osmin in der „Entführung aus dem Serail“, vor allem<br />
aber als Kerkermeister Rocco in der Neuproduktion des<br />
„Fidelio“, deren Premiere am 21. Dezember stattfindet.<br />
MAX JOSEPH Herr Selig, wenn in den Medien<br />
über „Opernstars“ berichtet wird, sind das in der<br />
Regel Tenöre und Sopranistinnen. Führen Bassisten<br />
ein Schattendasein?<br />
FRANZ-JOSEF SELIG Ja, das tun sie wohl, aber<br />
ich liebe dieses Schattendasein. Ständig im Scheinwerferlicht<br />
zu stehen, wäre mir ein Graus – es entspricht weder<br />
meinem Naturell noch meinem Streben. Künstler mit Soloplattenverträgen<br />
haben es schließlich nicht leicht: Sie müssen<br />
in Anbetracht all ihrer Verpflichtungen aufpassen, dass<br />
sie überhaupt noch zum<br />
Singen kommen.<br />
MJ Wann haben<br />
Sie entdeckt, dass Sie über eine<br />
bemerkenswerte Stimme verfügen?<br />
FJS Das passierte relativ früh: Schon mit 13 hatte ich<br />
eine Bassstimme. Ich bin ja mit alter Musik aufgewachsen,<br />
sang im Chor, habe dann<br />
in Köln Kirchenmusik studiert. Es<br />
war mein Gesangslehrer, der meinte, ich müsse unbedingt<br />
zur Oper. Damals stand ich dieser Idee e höchst skeptisch<br />
gegenüber – die Oper war für<br />
mich eine künstliche Welt. Bei<br />
einer konzertanten Aufführung der „Zauberflöte“ wurde der<br />
Intendant des Essener Aalto-Theaters auf mich aufmerksam<br />
und holte mich an sein Haus, wo ich dann bis 1995<br />
Ensemblemitglied war.<br />
MJ Und heute singen Sie an allen großen Bühnen<br />
der Welt, in Paris, New York, Mailand. Mit welchen<br />
Gefühlen sehen Sie nun München entgegen?<br />
FJS In den letzten Jahren war ja Paris ein Zentrum meiner<br />
Arbeit, die Opéra Garnier und die Opéra Bastille, und<br />
nun in München gleich bei mehreren Produktionen dabei zu<br />
sein, ist eine schöne Sache. Darauf freue ich mich schon<br />
sehr. Ich mag die Everding-„Zauberflöte“, vor allem aber bin<br />
ich schon sehr gespannt, wie Calixto Bieito den „Fidelio“<br />
angehen wird. Mit den Dialogtexten von Joseph Sonnleithners<br />
Libretto kann man ja so seine Probleme haben. Was<br />
also – das ist die Frage – wird Bieito mit diesen Dialogen<br />
machen? Für den Pariser „Fidelio“ von 2008 in der Neuinszenierung<br />
von Johan Simons beispielsweise hatte Martin<br />
Mosebach neue Dialoge geschrieben. Die waren zeitlos und<br />
doch zeitgemäß und gewährten tiefe Einblicke in die Innenwelten<br />
der einzelnen Charaktere.<br />
MJ In Bieitos Neuinszenierung werden Sie den<br />
Kerkermeister Rocco singen. Um sein privates Glück<br />
nicht zu gefährden, arrangiert sich Rocco mit der<br />
Staatsmacht. Wie sehen Sie seinen Charakter? Ist er<br />
ein harmloser Mitläufer?<br />
FJS Anfangs ja. In seiner Goldarie „Hat man nicht auch<br />
Gold beineben, kann man nicht ganz glücklich sein“, die<br />
ich früher übrigens grässlich fand, huldigt Rocco einer rein<br />
materiell orientierten Lebensphilosophie. Als einzige Figur<br />
im „Fidelio“ entwickelt er sich jedoch weiter. Als Pizarro<br />
ihn verdingen will zu morden, lehnt er sich auf. Er ist nicht<br />
mehr bereit, für Geld alles zu tun. Sein Gewissen ist stärker<br />
als sein Opportunismus.<br />
MJ Beethoven et hat mit seiner einzigen Oper an einen<br />
Trend seiner Zeit angeknüpft, den der Befreiungsopern,<br />
die von der Französischen Revolution beein-<br />
flusst waren. Sind die Aufreger-Themen von 1805,<br />
als „Fidelio“ uraufgeführt wurde, für Sie heute überhaupt<br />
noch relevant?