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PDF-Download - Bayerische Staatsoper

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INGRId BEtANCouRt<br />

Mj Wie haben Sie die politische Arbeit Ihrer Frau<br />

unterstützt?<br />

jCl Ich übernahm die Öffentlichkeitsarbeit, weil ich darin<br />

Erfahrung hatte. Ich kümmerte mich um Werbung, Kommunikation<br />

und schaute, durch welche Aktionen wir die<br />

öffentliche Meinung mobilisieren konnten. daneben arbeitete<br />

ich als Ingrids Berater. Sie hörte auf mich und befolgte<br />

meine Ratschläge. Ich glaube, wir leisteten wirklich gute<br />

Arbeit. dadurch wurde mir bewusst, wie wichtig auch eine<br />

„Ich hielt mich an der Liebe<br />

fest, von der ich hoffte, dass<br />

sie diese großen Prüfungen<br />

überstehen würde.“<br />

einzelne Stimme ist und wie wichtig es ist, zur Wahl zu<br />

gehen. Ich verlor meine frühere Skepsis und erkannte, dass<br />

es um eine gerechte Sache geht, für die es sich lohnt zu<br />

kämpfen.<br />

Mj „Ich hab auf Gott und Recht Vertrauen“, sagt<br />

Beethovens Leonore. Gilt das vielleicht auch für<br />

Ingrid Betancourt?<br />

jCl Ingrid hat immer auf Gott vertraut. Sie war gläubig –<br />

nicht zwanghaft, sondern auf natürliche Art und Weise. Sie<br />

hielt sich an Gott fest und ich hielt mich an der Liebe fest,<br />

an unserer Beziehung, einer sehr starken Beziehung, von der<br />

ich hoffte, dass sie diese großen Prüfungen überstehen würde.<br />

„drei von vier Ehen gehen<br />

nach einer langen Entführung<br />

auseinander. unsere war eine<br />

sehr lange Entführung.“<br />

Mj und Sie? Glauben Sie an göttliche und menschliche<br />

Gerechtigkeit?<br />

jCl Ja, ich glaube, aber mein Glauben an Gott ist sehr<br />

persönlich, für mich selbst zurechtgelegt. Ich glaube zum<br />

Beispiel nicht daran, dass man in einem nächsten Leben für<br />

das bezahlen muss, was man in diesem Leben verbrochen<br />

hat. Es gibt viele schlechte Menschen, die sehr mächtig sind<br />

und niemals für irgendetwas bezahlen werden. An diese<br />

göttliche Gerechtigkeit glaube ich nicht. Ich glaube allerdings<br />

auch nicht an die menschliche Gerechtigkeit.<br />

Mj Nach Ingrid Betancourts Befreiung haben Sie<br />

sich getrennt. Angeblich ist die Scheidungsrate bei<br />

Entführungsopfern überdurchschnittlich hoch.<br />

jCl die Stiftung „País libre“ (Freies Land) macht Studien<br />

über die Entführungsopfer in Kolumbien, erstellt Statistiken<br />

und gibt auch psychologische Hilfe. danach gehen drei<br />

von vier Ehen nach einer langen Entführung auseinander.<br />

Als lange Entführung gelten zwei Jahre und mehr – unsere<br />

4<br />

3<br />

war also eine sehr lange Entführung. Wie soll man das erklären?<br />

Während einer so langen zeit passieren viele dinge.<br />

Plötzlich ist die Liebe weg. Ingrid hat sich während ihrer<br />

Entführung sehr verändert – und ich natürlich auch. Ich<br />

habe geglaubt, nicht in diese Statistiken zu fallen. Ich habe<br />

gedacht, dass unsere Liebe stark genug ist, damit wir zusammenbleiben<br />

können. darauf setzte ich. daran glaubte<br />

ich. dafür kämpfte ich. Aber ich habe verloren.<br />

Mj Wie hat sich die Veränderung bei Ihrer Frau<br />

bemerkbar gemacht?<br />

jCl Ich erkannte sie nicht wieder, wenn sie sprach. zum<br />

Beispiel wenn es um Geld und materielle dinge ging, erschien<br />

sie mir irgendwie anders. die Psychologin von „País<br />

libre“ hatte mich darauf vorbereitet: Entführungsopfer haben<br />

viele Jahre lang ohne jeden Besitz gelebt – ohne Brille,<br />

„Jetzt kann ich mein Leben<br />

leben und nach vorne blicken.<br />

die Geschichte mit Ingrid<br />

gehört der Vergangenheit an.“<br />

ohne Stift, ohne telefon, ohne uhr. da sie nichts hatten,<br />

möchten sie, wenn sie wieder frei sind, nur noch haben,<br />

haben, haben. Manche entwickeln andere Auffälligkeiten,<br />

aber mit Sicherheit übersteht niemand sechs Jahre Gefangenschaft,<br />

als ob nichts geschehen wäre. Ingrid stellte dann<br />

diese merkwürdige Forderung, dass die Regierung sie finanziell<br />

entschädigen müsste.<br />

Mj Sie haben jetzt in Frankreich ein Buch über<br />

Ihre Erfahrungen veröffentlicht: „Ingrid et moi. une<br />

liberté douce-amère“. Was war Ihre Motivation?<br />

jCl Ich will mit dem Buch meine Vergangenheit hinter<br />

mir lassen. das hervorzuholen, was mich in meinem tiefsten<br />

Inneren bewegte, was ich in meinem Körper und meinem<br />

Herzen verschlossen hielt, war wie ein Exorzismus. danach<br />

war es möglich, das Ganze aus einer distanzierteren Perspektive<br />

zu betrachten. Jetzt kann ich diese zeit wirklich<br />

begreifen, mein Leben leben und nach vorne blicken. die<br />

Geschichte mit Ingrid gehört der Vergangenheit an.

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