12|13 Forschung & Lehre
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<strong>12|13</strong> <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> STANDPUNKT 969<br />
Mehr Chancen für<br />
den wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs!<br />
Richard Münch<br />
ist emeritierter Professor<br />
für Soziologie an der Otto-<br />
Friedrich-Universität<br />
Bamberg.<br />
Es ist das Privileg der<br />
Jugend, für Veränderung<br />
zu sorgen. In der<br />
Wissenschaft gilt das<br />
erst recht. Erneuerung<br />
als Quelle des Erkenntnisfortschritts<br />
bedeutet immer das<br />
Verlassen ausgetretener<br />
Pfade, die Abweichung<br />
von gegebenen<br />
Methoden und Standards<br />
und die Infragestellung<br />
des herrschenden<br />
Denkens.<br />
Um dieses, dem wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs<br />
eigene Potenzial<br />
zur Entfaltung kommen<br />
zu lassen, bedarf es großer Freiräume, früher<br />
Selbstständigkeit, spätestens nach der Promotion,<br />
berechenbarer Karrierewege und einer ausgewogenen<br />
Repräsentation von Alterskohorten auf der<br />
Ebene der Professorenschaft. Die amerikanische<br />
Departmentstruktur mit ihrer Gliederung in Full,<br />
Associate und Assistant Professors bietet dafür<br />
wesentlich bessere Voraussetzungen als die deutsche<br />
Lehrstuhlstruktur. Dazu kommt noch die viel<br />
breitere Repräsentation der disziplinären Ausdifferenzierung<br />
auf Professorenebene in einem Department.<br />
Das ist die entscheidende Quelle, die neue<br />
<strong>Forschung</strong>srichtungen leichter zum Aufblühen<br />
bringt und viel schneller zu ihrer Verbreitung und<br />
Umsetzung in die <strong>Lehre</strong> führt. Darüber hinaus ist<br />
Erneuerung eine Sache von kleinen, unabhängig<br />
arbeitenden, nicht in große Beutegemeinschaften<br />
eingezwängten Teams mit nicht mehr als sechs bis<br />
acht Mitgliedern mit dichter egalitärer innerer und<br />
äußerer Kommunikation und sicherer und flexibel<br />
einzusetzender Finanzierung – ohne ständigen<br />
Zwang zur Antragstellung zwecks Einwerbung<br />
von Fördergeldern und geringen Barrieren gegen<br />
den Wechsel von <strong>Forschung</strong>sgebieten, wie wir von<br />
der Wissenschaftsforschung wissen.<br />
Der Wissenschaftsrat stimmt in die Klage über<br />
die geringen Karriereaussichten des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses in Deutschland ein, so auch<br />
in seinen neuesten Empfehlungen zu den Perspektiven<br />
des deutschen Wissenschaftssystems vom Juli<br />
2013. Mit seinen Empfehlungen zur Verstetigung<br />
der Exzellenzinitiative tut er jedoch alles, um den<br />
in Deutschland besonders ausgeprägten oligarchischen<br />
Strukturen und erneuerungshemmenden<br />
großen Tankern noch eine Spitze draufzusetzen.<br />
Etwa 200 bis 250 Merian-Professuren sollen<br />
mit einem Jahresetat von einer Million Euro und<br />
etwa 50 Liebig-Zentren mit einem Jahresetat von<br />
fünf bis acht Millionen Euro ausgestattet werden.<br />
Die Universitäten sollen ihre Strategiefähigkeit<br />
und das Qualitätsmanagement ausbauen. Das<br />
heißt insbesondere, schon etablierte Professoren<br />
und Zentren in besonders großem Umfang mit<br />
Mitarbeitern auszustatten und die wissenschaftliche<br />
Praxis strengeren Kontrollen zu unterwerfen.<br />
Das ist Oligarchie, Tankerproduktion und Panoptikum<br />
in höchster Ausprägung, verschließt Chancen<br />
für den Nachwuchs, statt sie zu öffnen, und tut<br />
alles, um Freiräume der <strong>Forschung</strong> einzuschränken<br />
und Erneuerung zu verhindern.<br />
Was wäre konkret zu tun? Die Personalstruktur<br />
an den Universitäten müsste in etwa aus je einem<br />
Viertel W3, W2, W1-Tenure Track Professuren<br />
und wissenschaftlichen Mitarbeitern bestehen. Die<br />
DFG müsste ihre Förderung auf je ein Viertel koordinierte<br />
Programme und Nachwuchsgruppen<br />
sowie 50 Prozent Einzelförderung umstellen. Das<br />
würde die Erneuerungsfähigkeit der Wissenschaft<br />
in Deutschland maßgeblich steigern.