1020 BÜCHER <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> <strong>12|13</strong> Lesen und lesen lassen Philosophenarzt D ie großen gesellschaftlichen Fragen an den Grenzen von Leben und Tod, die jeden einzelnen Menschen Tag für Tag angehen, behandelt Georges Canguilhem, philosophischer Arzt und bekannter französischer Wissenschaftshistoriker, in den hier zusammengestellten fünf späten Essays zur Medizin. Diese Arbeiten waren bisher nur an entlegenen Orten, wenn überhaupt, auffindbar, da Canguilhem darauf verzichtet hatte, sie (zusammenhängend) zu publizieren. Die Medizin war auch nicht sein Hauptarbeitsschwerpunkt gewesen, wenngleich er sich mit Fragen der Lebenswissenschaften, vor allem denen, die sich aus der laborwissenschaftlichen Entwicklung ergaben, intensiv auseinandersetzte. Die Herkunft der Essays erklärt knapp Armand Zaloszyc. Michael Hagner setzt die Aufsätze kenntnisreich in einen wissenschaftshistorischen Zusammenhang. Thomas Laugstien hat sie aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt. Canguilhem setzt sich in seinen Essays mit dem natur- und technikwissenschaftlichen Fortschritt auseinander, der in der Medizin nicht ohne Kritik geblieben ist, und geht auch auf Psychosomatik und Komplementärmedizin, in gewisser Hinsicht als „Gegenbewegungen“, ein. Die immerwährenden philosophischen Fragen in der Medizin greift Canguilhem in seinen Ausführungen in ihren historischen, epistemologischen sowie ethischen Dimensionen auf, nimmt dabei die gesellschaftliche Perspektive ein wie die des Individuums, spürt dem Spannungsverhältnis von Krankheit zugeschrieben bekommen und Kranksein erleben nach, geht auf das Verhältnis zwischen Patient und Arzt sowie auf das grundlegende zwischen Kultur und Natur ein und stellt schließlich die sich ergebenden medizinethischen Fragen in ihrer Aktualität heraus. Liest man die hier versammelten Essays zur Medizin und reflektiert deren Inhalte, zeigt sich Canguilhem als großer Kenner der Medizin und noch einmal mehr als wahrer Philosophenarzt. Georges Canguilhem: Schriften zur Medizin. Aus dem Französischen von Thomas Laugstien. Mit einem Nachwort von Michael Hagner. diaphanes Verlag, Zürich 2013. 143 Seiten, 16,95 €. Professor Dr. Florian Steger, Universität Halle-Wittenberg Kalender 2014 der Jungen Akademie Gab es im Mittelalter Plagiate? Ist die Rechtswissenschaft eine Wissenschaft? Perfektioniert die Evolution den Menschen? Fragen wie diese, die sich nicht eindeutig beantworten lassen, sondern in Ambivalenzen hineinführen, haben 50 Mitglieder und Alumni der Jungen Akademie zu einem Kalender für das Jahr 2014 zusammengestellt. In ihren jeweiligen Antworten zeigen die Wissenschaftler die Komplexität der Fragestellung auf und erläutern, warum es aus wissenschaftlicher Perspektive notwendig ist, zu differenzieren und abzuwägen. Die Fragen und Antworten stammen aus vielen verschiedenen Disziplinen. In ihrer Zusammenstellung soll deutlich werden, dass es Ambivalenzen nicht nur in den Geisteswissenschaften gibt – Ist Arabisch eine islamische Sprache? –, sondern ebenso in den Naturwissenschaften – Ist Mathematik stringent? Die Junge Akademie versteht ihren Kalender als ein Projekt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft. Woche für Woche wird eine neue Frage beantwortet, auf die man gespannt sein kann – wenn man den Kalender nicht aus Neugierde schon vorher ganz durchgeblättert hat. Freude am Lesen und Aha-Erlebnisse – wie von der Jungen Akademie mit ihrem Kalender beabsichtigt – sind garantiert. Klaus Oschema / Ulrike von Luxburg / Marc Helbling (Hrsg.): Wissenschaft 2014. Ein Kalender der Ambivalenzen, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2013. Wochenkalender mit 56 Blättern und durchgehend farbigen Abbildungen, Spiralbindung, 19,99 €. Ina Lohaus BÜCHER ÜBER WISSENSCHAFT Karin Amos / Josef Schmid / Josef Schrader / Ansgar Thiel (Hg.): Europäischer Bildungsraum Europäisierungsprozesse in Bildungspolitik und Bildungspraxis, Nomos Verlag, Baden-Baden 2013, 289 Seiten, 49,- €. Monika Bessenrodt-Weberpals u.a. (Hg.): Coaching als Türöffner für gute <strong>Lehre</strong> Auf dem Weg zu einer studierendenzentrierten Lehr- und Lernkultur. Verlag Ziel, Augsburg 2013, 192 Seiten, 36,- €. Detlev Drenckhahn / Jörg Hacker (Hg.): Rolle der Wissenschaft im Globalen Wandel Deutsche Akademie der Naturforscher – Nationale Akademie der Wissenschaften, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2013, 396 Seiten, 29,95 €. Hans Rudi Fischer: Wie kommt Neues in die Welt? Phantasie, Intuition und der Ursprung der Kreativität. Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2013, 224 Seiten, 24,95 Sharon Bertsch McGrayne: Die Theorie, die nicht sterben wollte Spektrum Akademischer Verlag, Berlin 2013, 365 Seiten, 29,99 €. Jürgen Mittelstraß / Ulrich Rüdiger (Hg.): Macht und Wissenschaft. Heilige Allianzen und prekäre Verhältnisse. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2013, 126 Seiten, 24,- €. Monika Rößiger: Forscherfragen Berichte aus der Wissenschaft von morgen. edition Körber-Stiftung, Hamburg 2013, 184 Seiten, 16,- €. Ingo von Münch / Georg Siebeck: Der Autor und sein Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2013, 192 Seiten, 19,- €.
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