12|13 Forschung & Lehre
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1024 KARRIERE-PRAXIS <strong>Forschung</strong> & <strong>Lehre</strong> <strong>12|13</strong><br />
Der<br />
Aggro-Faktor<br />
Gefahr und Nutzen<br />
von Machtspielen<br />
| JENS W EIDNER | Um an der Hochschule<br />
Karriere machen zu können, muss man die Machtspiele<br />
aller Beteiligten kennen und durchschauen. Welche<br />
Vorteile kann es haben, bissiger im Job zu agieren und welche<br />
Konsequenzen können sich daraus ergeben?<br />
Wenn man nie wieder<br />
im akademischen<br />
Berufsleben den Kürzeren<br />
ziehen will, muss man nicht<br />
hart, aber bissiger im Job<br />
werden. Unfaire Kollegen<br />
und Chefs und ihre Interaktionsrituale,<br />
die das Wissenschaftsleben<br />
schwer machen,<br />
sollte man durchschauen.<br />
Egal, ob es um Machtspiele<br />
im Fakultätsrat, mit dem Dekan<br />
oder im Professorium<br />
geht. Der „Aggro-Faktor“ gibt<br />
dem aufstrebenden, seriösen,<br />
fachlich versierten Menschen<br />
den Segen, sich im Arbeitsumfeld<br />
auch bissig positionieren<br />
zu dürfen – für eine<br />
gute Sache, etwa eine bessere<br />
<strong>Lehre</strong>, das hoffnungsvolle<br />
<strong>Forschung</strong>sprojekt oder<br />
schlicht einen besseren Service<br />
für die Studierenden.<br />
Hier mit viel Kraft aktiv zu<br />
werden, um die Scientific<br />
Community voranzubringen,<br />
das ist aller Ehren wert. Damit<br />
wird eine Lebenseinstellung<br />
beschrieben, die eines<br />
glasklar stellt: man eignet<br />
sich nicht zum reinen Ja-Sager<br />
und Schäfchen-Typ, mit<br />
dem man im Berufsleben alles<br />
machen kann.<br />
Klag- und lustlos<br />
Vielen Berufstätigen im Wissenschaftsbereich<br />
fällt diese<br />
Haltung allerdings nicht<br />
leicht. Sie arbeiten klag- und<br />
manchmal auch lustlos, lassen<br />
sich von Ellenbogen-Karrieristen<br />
unterbuttern und<br />
übervorteilen, werden übergangen<br />
oder mit ihren Leistungen<br />
nicht anerkannt. Die<br />
Ratgeber Peperoni-Strategie<br />
(Zielgruppe Führungskräfte)<br />
und Hart, aber unfair (Zielgruppe<br />
aufstiegsorientierte<br />
Arbeitnehmer) wollen damit<br />
Schluss machen und haben<br />
deswegen über 900 Frauen<br />
und Männer aus Deutschland,<br />
der Schweiz und Österreich<br />
zu den Schattenseiten<br />
des Berufslebens befragt.<br />
Diese haben über 4 000 Antworten<br />
gegeben, etwa zu der<br />
Frage, welche bissigen Taten<br />
sie im Job – im viktimologischen<br />
Sinne – erlebt oder<br />
selbst auf Kosten Dritter begangen<br />
haben. Herausgekommen<br />
sind ehrliche, entwaffnende,<br />
nicht immer politisch<br />
korrekte Statements,<br />
die eines deutlich machen: es<br />
gibt noch zu viele Opfer mit<br />
zu wenig Biss im Berufsleben.<br />
Genau diese Menschen<br />
sollen unterstützt werden.<br />
Frei nach dem Motto einer<br />
Interviewpartnerin: „Teamplaying<br />
ist, wenn fünf Füchse<br />
und ein Hase über das<br />
Abendessen abstimmen. Intelligenz<br />
ist, wenn der Hase<br />
bei der Abstimmung eine<br />
Schrotflinte in der Pfote<br />
hält“. Der Hase hat den drohenden<br />
Ärger antizipiert und<br />
für sich entschieden, die Opferrolle<br />
mit ‚sanftem‘ Druck<br />
zu verlassen.<br />
Ein ethikfreies Arbeiten<br />
soll hier natürlich nicht propagiert<br />
werden. Aber Wissenschaftler<br />
sollen ermutigt werden,<br />
auch einmal nicht so<br />
nett zu agieren, wenn es beruflich<br />
angemessen erscheint<br />
oder Kollegen vom ‚Stamme<br />
Nimm‘ anfangen, andere mit<br />
Arbeit zu überlasten, weil sie<br />
Meister im Delegieren sind<br />
und man deren Hinterhältigkeit<br />
nicht sofort durchschaut.<br />
Simone Lerche, Ingenieurin<br />
und Teammitglied bei Würzburg<br />
formuliert das so: „Mein<br />
Wunsch ist, meinen Standpunkt<br />
länger im Gespräch<br />
halten zu können, weniger<br />
kompromissbereit zu sein<br />
und vor allem keine Abschweifungen<br />
auf Nebenschauplätze<br />
zuzulassen.“ Ein<br />
stellvertretender Projektleiter<br />
erkennt: „Mir fehlt es<br />
schlicht am ‚Standing‘, ich<br />
knicke einfach zu schnell<br />
ein.“ Beiden kann geholfen<br />
werden – vorausgesetzt, sie<br />
beachten einige zentrale<br />
Macht- und Kommunikationsspielregeln<br />
der Berufswelt,<br />
wie zum Beispiel das<br />
Paradoxon der Macht:<br />
Das beschreibt, einfach<br />
formuliert, dass Wissenschaftschefs<br />
und Führungskräfte<br />
jeder Couleur permanent<br />
unter der Angst der<br />
Machtbeschneidung leiden.<br />
Für Aufstiegsorientierte heißt<br />
das: wenn man seinem Chef<br />
diese Beschneidungsangst<br />
nehmen kann, liegen diese im<br />
besten Fall zu Füßen, im<br />
schlechtesten Fall werden die<br />
Bahnen wenigstens nicht gestört.<br />
Wie das geht? Ganz einfach:<br />
man sollte grundsätzlich<br />
all sein Handeln, das den<br />
Chef-Radius berühren könnte,<br />
vorab informell unter vier<br />
Augen kurz mit ihm abstimmen.<br />
Man hole sich solange<br />
das Ok, bis man zu hören bekommt:<br />
„Sie brauchen nicht<br />
immer vorher Bescheid zu<br />
sagen, Sie machen das<br />
schon…!“ Erst jetzt steht das<br />
Vertrauensverhältnis, und erst<br />
jetzt geht die Beschneidungsangst<br />
des Chefs verloren. „Das<br />
ist ja anbiedernd“, könnte ein<br />
Berufsanfänger antworten.<br />
AUTOR<br />
Professor Jens Weidner ist seit 1995 Professor für Kriminologie und Erziehungswissenschaften an der Fakultät Wirtschaft und Soziales<br />
der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg. Seit 1994 ist er als Dozent am Gottlieb-Duttweiler-Institut für Wirtschaft &<br />
Gesellschaft in Zürich tätig. Er ist Eigentümer der Firma „Aggressions-Seminar-Service & Management-Training“ und Miteigentümer<br />
des „Deutschen Instituts für Konfrontative Pädagogik“.