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2012 spieltest du auf der „Zappanale“,<br />
einem Familienfestival in Bad Doberan.<br />
Ich beobachtete eine Mutter, die ihren<br />
zwei vielleicht zehn- bis zwölfjährigen<br />
Töchtern die Augen zuhielt und mit<br />
ihnen die Flucht ergriff. Braucht ein<br />
Alice-Cooper-Konzert eine Altersbeschränkung?<br />
Es gibt wirklich nichts in meiner Bühnenshow,<br />
was zum Beispiel ein Zwölfjähriger<br />
nicht sehen dürfte. Ich versuche gerade,<br />
den Teil der Show ausfindig zu machen,<br />
bei dem so reagiert werden könnte. Denn<br />
in meiner Show gibt es keine Nack<strong>the</strong>it,<br />
keine schlimmen Wörter. Wenn es die Guillotine<br />
war: Das ist ein Trick, und jeder weiß,<br />
dass es einer ist.<br />
Es war die Szene mit der Puppe, pe,<br />
die du schlägst.<br />
Ah, das. Also zunächst einmal: Es ist eine Puppe,<br />
es ist kein Mensch. Ich würde niemals eine reale<br />
Frau verletzen.<br />
Vielleicht wusste sie nicht, wie du das<br />
meinst.<br />
Ja, wahrscheinlich. Jeder interpretiert alles so, wie er<br />
es sehen möchte. Die meisten Menschen müssen<br />
über die Sachen<br />
auf der Bühne<br />
lachen. Und dann<br />
gibt es einige, die<br />
das alles zu ernstnehmen.<br />
Wenn man das<br />
macht, läuft was falsch.<br />
Du bist in 40 Karrierejahren in<br />
viele Schub laden gesteckt worden.<br />
Meist vereinnahmte dich die Metalszene.<br />
Fühlst du dich einer Szene zugehörig?<br />
Ich glaube nicht, dass sich Alice Cooper jemals<br />
ändern kann im Sinne seiner Natur – und die ist<br />
Hard Rock. Das andere setze ich obendrauf. Aber<br />
wenn man Alice Cooper auf das runterbricht, was<br />
er wirklich ist, dann sind wir eher wie die Yardbirds<br />
oder The Who. Und dann packt man die<br />
anderen Texte von uns obendrauf. Jeder ist<br />
doch von irgendwem beeinflusst. Wir waren<br />
es von den Beatles und den S<strong>to</strong>nes, von der<br />
„West Side S<strong>to</strong>ry" und von Horrorfilmen<br />
und Shakespeare. Und wenn du dir dann<br />
aktuell Bands wie Rob Zombie oder Marilyn<br />
Manson ansiehst – die wiederum sind<br />
beeinflusst von Alice Cooper. Sie haben uns<br />
gesehen, gelernt, wie sie es machen müssen,<br />
und es dann in unterschiedliche Richtungen<br />
entwickelt.<br />
Und du warst beeinflusst von<br />
Zappa ...<br />
Ja, Frank Zappa war mein Produzent<br />
– und wie mein großer Bruder. Wir<br />
hatten den gleichen Sinn für Humor<br />
und waren uns sehr ähnlich, was<br />
die Persönlichkeit betrifft.<br />
In Deutschland waren wir<br />
überrascht, dich in TV-<br />
Spots für einen Elektronik-Fachmarkt<br />
zu<br />
sehen.<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
Fo<strong>to</strong>: © Dale Manning<br />
Diese Werbespots waren sehr, sehr teuer. Sie haben<br />
diese Mon- ster extra geschaffen, irgendwie war es<br />
auch wie bei „Star Wars". Ich<br />
fand die Spots sehr lustig. Ich<br />
habe damals gesagt, ich mache<br />
diese Werbung mit, wenn<br />
die wirklich aussehen wie aus<br />
einem Film. Ich mochte<br />
das, habe mich dabei<br />
sehr amüsiert. Die<br />
zehn Spots haben<br />
uns viel Zeit gekostet,<br />
etwa<br />
eine komplette<br />
Woche.<br />
Es war ziemlich<br />
kompliziert. Sie wollten<br />
ja plötzlich auch, dass ich<br />
das auf Deutsch mache,<br />
ich musste dafür ein paar<br />
Wörter lernen.<br />
Ist die Geschichte<br />
von WELCOME TO MY<br />
NIGHTMARE jetzt beendet,<br />
oder könnte es einen<br />
dritten Teil geben?<br />
Es kann definitiv einen dritten<br />
Part geben. Meinetwegen<br />
kannst du so viele Albträume<br />
haben, wie du willst im Leben.<br />
Nicht nur einen oder<br />
zwei, man kann 20 verschiedene<br />
Albträume haben.<br />
Wenn ich mich also entschließe,<br />
einen weiteren<br />
Teil zu machen, würde es<br />
komplett anders sein. Es<br />
ist für mich so, als würde<br />
ich einen Film schreiben.<br />
Ich versuche, verschiedene<br />
Charaktere<br />
zu entwickeln und<br />
viele verschiedene Dinge<br />
darin zu haben.<br />
Saxon-Sänger Biff Byford möchte Heavy<br />
Metal und<br />
Hard Rock als Religion aner-<br />
kannt sehen. Wie denkst du als Christ<br />
darüber? Ist das womöglich Blasphemie?<br />
Kommt auf die Inhalte an. Es wäre keine<br />
Blasphemie, wenn es sich nicht über Christus<br />
und Gott lustig macht. Und wenn das<br />
nicht seine Intention ist, dann denke<br />
ich, dass die Idee nicht unbedingt was<br />
Schlimmes hat.<br />
Wie siehst du die aktuelle Situation<br />
der Indianer in den USA?<br />
Ich glaube, sie bekommen langsam alles<br />
zurück, weil ihnen alle Casinos gehören<br />
(lacht). Sie gewinnen also unser ganzes<br />
Geld. Und einige indianische Nationen sind<br />
reicher als die Leute, die ihnen einst so zugesetzt<br />
haben. Du kannst ein Casino mittler-<br />
weile nur in einem Reservat eröffnen. Das ist<br />
ihr Weg, sich an uns zu rächen! Ich habe selbst<br />
Sioux-Blut in mir. Also bin ich mit denen verwandt,<br />
die General Custer vernichtet haben. Daher kommt<br />
bestimmt ein Teil meiner Verrück<strong>the</strong>it.<br />
2012 haben sich namhafte Musikerkollegen<br />
im Präsidentschaftswahlkampf<br />
engagiert. Was hältst du davon?<br />
Nichts, ich bin absolut dagegen! Ich finde, man sollte<br />
für seinen Kandidaten stimmen wollen und nicht danach<br />
entscheiden, was einem ein Rockstar empfiehlt.<br />
Bilde dir deine eigene Meinung, statt auf deinen<br />
Lieblingsstar zu blicken und zu schauen, für wen<br />
er abstimmt. Es ist doch komisch, wenn man zum<br />
Beispiel Fan von Beyoncé ist, und man entscheidet<br />
sich für einen der Kandidaten, weil sie es gesagt hat.<br />
Rock'n'Roll und Politik sollten nicht zusammen ins<br />
Bett gehen.<br />
Zur anstehenden Tour: Worauf legst du<br />
den Fokus für die Gigs in Deutschland?<br />
Ich habe eine großartige Band. Die Gitarristin<br />
Orianthi, die schon mit Michael Jackson gespielt<br />
hat, ist unglaublich. Sie gehört zu den besten Gitarristen,<br />
die ich je in der Band hatte. Wir werden alle<br />
Hits liefern, und dann werden wir einen Tribut an<br />
vier meiner Freunde präsentieren: Keith Moon, Jim<br />
Morrison, Jimi Hendrix und John Lennon. Wir werden<br />
vier Songs für sie spielen.<br />
Ist die Show vergleichbar mit der letzten?<br />
Ja, wir nennen sie „Raise The Dead". Und was die<br />
vier erwähnten Tributsongs betrifft: Wir wollen<br />
nicht, dass diese Songs in Vergessenheit geraten,<br />
dass die Erinnerung an diese vier Künstler stirbt.<br />
Darum machen wir das. Alice Cooper wird aber<br />
weiterhin der Bösewicht bleiben. Meine Show ist<br />
eine Geschichte. Und in jeder guten Geschichte<br />
gibt es einen Held und einen Bösewicht. Und jeder<br />
Bösewicht muss irgendeine gerechte Strafe bekommen.<br />
Deswegen hängen sie mich oder schneiden<br />
mir den Kopf ab. Oder sie stecken mich in etwas<br />
rein, und ich verwandle mich. Das ist für mich<br />
eine Art klassischer Alice Cooper. Aber ich habe<br />
ständig über verschiedene Wege nachgedacht, wie<br />
Alice auf diese Strafe antworten könnte. Am Ende<br />
kommt er ja immer wieder zurück: Der Kopf ist<br />
noch dran, im Smoking, mit Ballons, und dann<br />
gibt es eine große Party. Alice stirbt nie, er kommt<br />
immer zurück.<br />
<strong>GoodTimes</strong> 4/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 17