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LP<br />
REVIEWS<br />
HERBIE HANCOCK<br />
MAN-CHILD<br />
Natürlich ist Herbie<br />
Hancocks<br />
Hinwendung<br />
zu populären<br />
Stilen kritisch zu sehen,<br />
besonders wenn<br />
es in Richtung der<br />
Platten-Zerkratzer-<br />
Disco-Hymne “Rockit” geht. Wenn er allerdings<br />
eine Melange aus Jazz und Funk kreiert<br />
und damit selbst stilistisches Neuland betritt,<br />
wirken Hancocks Klangwelten deutlich interessanter<br />
und innovativer. Dazu kommt<br />
noch die hochkarätige Besetzung, denn<br />
neben Wayne Shorter, Stevie Wonder und<br />
Wah Wah Watson geben sich Mike Clarke<br />
und viele andere die Ehre. Der Schwerpunkt<br />
des Albums liegt auf den Rhythmen, die<br />
trotz der messerscharfen Präzision immer<br />
groovy klingen. Funk-Jazz mit exzellenten<br />
Bläsereinsätzen (“The Trai<strong>to</strong>r”), lässiger<br />
Street-Funk (“Steppin’ In It”) und das heiße,<br />
sehr rhythmische “Heartbeat” zählen zu<br />
den ersten Anspieltipps eines über die ganze<br />
Länge gelungenen Albums. (180g-Pressung,<br />
Klappcover.)<br />
(Speakers Corner Records, 1975,<br />
6 Tracks) at<br />
VIRUS<br />
THOUGHTS<br />
Das<br />
THOUGHTS-<br />
Original hängt für 500<br />
Euro in einem Bielefelder<br />
Plattenladen,<br />
nun neu auf Vinyl: Die<br />
ostwestfälische<br />
Progressive-Band<br />
machte<br />
sich als Mans World mit Blues-Rock einen<br />
Namen, reüssierte dann als Virus mit Psychedelic<br />
Rock. Das Debüt REVELATION<br />
ist unvergessen mit ausgedehntem Titelsong<br />
inklusive “Paint It Black”, das die S<strong>to</strong>nes-<br />
Fassung veredelte. 1971 das Angebot zum<br />
zweiten Album: Nur Keyboarder Dieter Krahe<br />
und der Drummer Wolfgang „Dicken”<br />
Rieke waren übrig – unvergessen, wie der<br />
in Nadelstreifen aufschlug, um im weißen<br />
Nach<strong>the</strong>md auf Bühnen zu s<strong>to</strong>lzieren: handwerklich<br />
grandios, geschmacksicher. Mit<br />
Neuzugängen wie Werner „Ente” Vogt am<br />
Bass wurde die Chance wahrgenommen,<br />
neue bluesrockige Songs, stilistisch zwischen<br />
Frumpy und Deep Purple Mark I, bei<br />
Conny Plank in Hamburg einzuspielen, von<br />
denen “King Heroin” noch heute Kultstatus<br />
genießt. In “Old Time Movie” zeigt Gitarrist<br />
Bernd Rösner, dass ausgedehnte Soli gebaut<br />
werden konnten, ohne das böse Wort „nudeln”<br />
zu provozieren. Das sechsminütige<br />
“Take Your Thoughts” wirkt im besten Sinne<br />
hypnotisch.<br />
(Malesch Records/ Long Hair <strong>Music</strong>,<br />
1971/2013, 12 Tracks) utw<br />
TIM BUCKLEY<br />
GOODBYE AND HELLO<br />
Beim Nachfolger seines<br />
Debütalbums verabschiedete<br />
sich der<br />
rasant<br />
entwickelnde<br />
Twen zum Teil schon<br />
von seinen Folkwurzeln.<br />
Das fast ins Hysterische<br />
gesteigerte t “I Never Asked To Be<br />
Your Mountain” nimmt die Eskapaden späterer,<br />
zum Teil unerträglich experimenteller<br />
Alben vorweg. Doch zum Glück überwiegt<br />
nach wie vor erstklassige Songwriter-Kunst,<br />
manchmal orchestral aufgedonnert wie im<br />
Titelsong, manchmal streicherversülzt wie<br />
in “Morning Glory”. Gegenüber der 2005<br />
erschienenen Pressung vom Label Four Men<br />
With Beards braucht sich die preiswertere,<br />
gleichfalls 180 Gramm schwere Neufassung<br />
im Klappcover von MOV nicht zu<br />
verstecken, trotz einiger Rillengeräusche.<br />
Im Vergleich zu mehreren kursierenden CD-<br />
Fassungen stellt sich wieder mal die Frage,<br />
welcher Tonträger hier wohl schlapper (oder<br />
„wärmer”) klingt.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1967,<br />
10 Tracks) lbr<br />
LED ZEPPELIN<br />
CELEBRATION DAY<br />
Zu dem, zu DEM Konzert am 10. Dezember<br />
2007 ist alles gesagt und – auch in Good-<br />
Times – geschrieben. Dass die nach zwei<br />
eher peinlichen Versuchen endlich gelungene<br />
Reunion der größten Hard-Rockband<br />
aller Zeiten medial ausgeschlachtet würde,<br />
war klar. Blu-ray und Doppel-CD kaufte<br />
der Au<strong>to</strong>r am Erscheinungstag. Muss denn<br />
nun noch die analoge Konserve sein? Statt<br />
scheinunheilig den bösen Kommerz zu verdammen,<br />
sollte man sich das in festen Kar<strong>to</strong>n<br />
verpackte, mit einem leider nicht allzu<br />
üppigen Booklet und ohne weitere Zugaben<br />
aufwartende Drei-LP-Set einfach mal reinziehen.<br />
Die drei alten Knaben Page, Plant<br />
und Jones, an den Drums angeheizt von<br />
Bonzo-Sohn Jason Bonham, lieferten eine<br />
fantastische Show ab. Kaum zu glauben (und<br />
nur an wenigen Stellen zu merken), dass<br />
Gitarrist Jimmy Page mit kaum geheiltem<br />
Fingerbruch antrat, schwer zu fassen, dass<br />
Sänger Robert Plant seinerzeit schon auf die<br />
60 zumarschierte. Doch das eigentlich unglaubliche,<br />
das eigentlich unfassbare Glück<br />
ist, dass das Millionärs-Quartett den Job verdammt<br />
ernstnahm und nach kleinen Anlaufschwierigkeiten<br />
Megahits und Albumtracks<br />
in durchwegs relevanten Versionen darbot.<br />
Wow. Ach so, der Sound: durchschnittlich,<br />
aber gut. Pressung erstklassig. Und eigentlich<br />
egal. Led-Zep-Fans, lasst die Rentner-<br />
Rock-Hasser geifern – und greift zu.<br />
(Rhino/Warner, 2013, 16 Tracks) lbr<br />
THELONIOUS MONK<br />
STRAIGHT, NO CHASER<br />
Auch den Backkatalog<br />
des großen Jazzpianisten<br />
Thelonious Monk<br />
bringt <strong>Music</strong> On Vinyl<br />
sukzessive wieder<br />
auf Vinyl. Auch beim<br />
sechsten Album für Columbia<br />
unter der Regie von Jazz-Produzentengigant<br />
Teo Macero behielt MOV das originale<br />
Tracklisting bei, verzichtet also auf die drei<br />
Bonus-Tracks des 1996er CD-Reissues. 1966<br />
konnte das spätere Alkohol- und Drogenwrack<br />
Monk noch grandios musizieren. Ein letztes<br />
Mal mit Quartett im Studio, lässt er mit “Locomotive”<br />
ein typisches Stück abfahren. Ein<br />
simples Sechs-Ton-Riff, das sich herrlich vermonken<br />
lässt, rhythmisch vertrackt verschieben,<br />
mit überraschenden Licks auffüllen. In<br />
“We See” wird gehardbopt wie der Teufel, im<br />
Solostück “Between The Devil And The Deep<br />
Blue See” zitiert der Pianist flugs mal Pop-<br />
Jazzhits. Stereo-Remastering und Pressqualität<br />
gerieten überdurchschnittlich.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1967, 6 Tracks) lbr<br />
MILT JACKSON<br />
IN A NEW SETTING<br />
Herrlich! Die Scheibe<br />
von Milt Jackson lässt<br />
die Ära des Vibrafons<br />
wieder lebendig werden,<br />
ein Instrument,<br />
das in der Moderne<br />
leider nur noch ein<br />
Schattendasein Shtt fristet. fittNeben Lionel Hamp<strong>to</strong>n<br />
und Red Norvo zählt Jackson eindeutig<br />
zu den besten Vertreten. Der Mann, der den<br />
größten Erfolg mit dem Modern Jazz Quartet<br />
hatte, widmete sich gelegentlich Soloprojekten,<br />
um seine eigenen Ideen umzusetzen.<br />
Die im Dezember 1964 bei Radio Recorders<br />
in Hollywood aufgenommene Platte kann<br />
unter anderem mit Jazz-Blues aufwarten<br />
(“Sonny’s Blues”), treibendem Swing (“No<br />
Moon At All”), einer Nummer, bei der Jackson<br />
rasante und perlende Vibrafonläufe spielt<br />
(“Spanish Fly”), und einem coolen Bar-Jazz-<br />
Track (“Lazy Melody”). Charmant und gleichermaßen<br />
beeindruckend. Die Ausgabe<br />
kommt als 180g-Pressung in einem Klappcover<br />
auf den Markt.<br />
(Speakers Corner Records, 1965, 11 Tracks) at<br />
CHEAP TRICK<br />
ONE ON ONE / NEXT POSITION<br />
PLEASE<br />
In den USA vergeht kein Tag, an dem Cheap-<br />
Trick-Songs nicht zum Rotationsprogramm<br />
der lokalen Rock-Radiostationen gehören.<br />
Hier zu Lande kann man Leute, die mit dem<br />
Namen der Band mehr als nur “I Want You To<br />
Want Me” – wenn überhaupt – verbinden, mit<br />
der Lupe suchen. Umso wärmer seien Rockfans<br />
die aktuellen Wiederveröffentlichungen<br />
von Cheap-Trick-Alben bei SPV ans Herz<br />
gelegt, denn es lohnt sich, dieses Quartett zu<br />
entdecken. Allein die beiden Scheiben ONE<br />
ON ONE (1882) und NEXT POSITION<br />
PLEASE (1983) machen deutlich, dass die<br />
Band stilistisch nie so recht zu fassen war (sicher<br />
ein Grund, weshalb sich das europäische<br />
Publikum mit ihr so schwertat). Während<br />
ONE ON ONE ein ungestümes Getöse aus<br />
Glam, Heavy Rock und New Wave zu bieten<br />
hat, gerieren sich Cheap Trick auf dem weitaus<br />
weniger erfolgreichen Nachfolger wie<br />
Bowie, Cars und Tubes. Alles klingt irgendwie<br />
<strong>the</strong>atralisch überzogen, verliert aber nicht<br />
eine gewisse Eingängigkeit. Und dass die<br />
Songs von Gitarrist Rick Nielsen dann auch<br />
immer wieder an die Beatles erinnernde Har-<br />
Vinyl<br />
monien bereithalten, dürfte sogar jenen auffallen,<br />
die nicht jedes Lied analytisch hören.<br />
(Steamhammer/SPV, 1982/1983,<br />
10/12 Tracks) jub<br />
RUSH<br />
CLOCKWORK ANGELS<br />
Überaus<br />
vielschichtig<br />
präsentierten sich<br />
Geddy Lee (voc, b),<br />
Alex Lifeson (g) und<br />
Neil Peart (dr) letztes<br />
Jahr mit CLOCK-<br />
WORK<br />
ANGELS.<br />
Von harten, treibenden Epen über Streicherunterstützte<br />
Zwischenspiele bis zu kurzen<br />
Songs im Radioformat schlugen Rush dabei<br />
die Brücke zwischen klassischem Prog<br />
und verspieltem Power-Rock. Klanglich ist<br />
der Unterschied zwischen der CD und dem<br />
jetzt veröffentlichten Doppelvinyl marginal,<br />
bleibt Geschmackssache, allenfalls kann<br />
man der Analogversion einen etwas luftigeren<br />
Klang bescheinigen. Haptisch kann<br />
sie ihre Trümpfe aber voll entfalten: aufklappbares<br />
Cover, darin (in lesbarer Größe!)<br />
ausführliche Produktionsinfos sowie persönliche<br />
Worte der Band, dazu noch auf den<br />
Innenhüllen die Texte – so macht es definitiv<br />
am meisten Spaß, dieses Album zu genießen.<br />
(Roadrunner/Cargo, 2012, 2 LPs,<br />
12 Tracks) us<br />
INGA RUMPF<br />
WHITE HORSES<br />
Die Frau ist ein Phänomen.<br />
Seit Mitte<br />
der 60er im Geschäft,<br />
kann die 1946 geborene<br />
Hamburgerin noch<br />
immer mitreißen wie<br />
wenige<br />
Sängerinnen<br />
ihrer (Alters-)Klasse. Bluesgetränkt, raukehlig<br />
und fast rabenschwarz füllt sie jeden Song<br />
mit so viel Seele, dass die meisten afroamerikanischen<br />
Designer-R&B-Miezen unendlich<br />
verblassen. Die ehemalige Sängerin der<br />
City Preachers, von Frumpy und Atlantis hat<br />
die letzten Jahre solo oder mit Band unzählige<br />
Live-Alben veröffentlicht, doch dieses<br />
ist ein wirklich Besonderes. Edel wagte mit<br />
ihr gleich eine Doppel-LP in der höchst verdienstvollen<br />
„AAA”-Reihe, direkt im mit 40<br />
gebannten Zuhörern gefüllten Studio live aufs<br />
analoge Zweispurband geschnitten, ohne alle<br />
digitalen Mätzchen oder produktionstechnischen<br />
Aufhübschungen. Meist singt die<br />
Songschreiberin Eigenkompositionen, eignet<br />
sich aber auch Fremdmaterial wie “Angie”<br />
von den S<strong>to</strong>nes an, als wär’s ihr ureigenes.<br />
Ob es an der Sonderklasse und Erfahrung von<br />
Rumpf samt ihren beiden Begleitern Thomas<br />
Biller (Bass) und Joe Dinkelbach (Piano,<br />
Orgel) oder an der Aufnahme oder an allem<br />
zusammen liegt: Hier kommt eine Intensität<br />
rüber, die ihresgleichen sucht.<br />
(edel, 2013, 2 LPs 18 Tracks) lbr<br />
AMERICA<br />
HEARTS<br />
Kein Geringerer als<br />
Sir George Martin,<br />
die graue Eminenz<br />
der Beatles, nahm<br />
für das fünfte Album<br />
von Gerry<br />
Beckley (voc, g),<br />
<strong>GoodTimes</strong> 4/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 47