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CD REVIEWS Country & Folk<br />
GEORGE STRAIT<br />
LOVE IS EVERYTHING<br />
Wer sich wie Country-Ikone George Strait<br />
mit rund 70 Millionen verkauften Platten auf<br />
einem Niveau mit Foreigner, den Doors oder<br />
Bob Dylan bewegt und zwischenzeitlich bei<br />
Album Nr. 38 angekommen ist, der kann auf<br />
prominente Unterstützung bauen. Produziert<br />
vom langjährigen MCA-Nashville-Präsidenten<br />
Tony Brown, hat sich Strait für LOVE IS<br />
EVERYTHING entweder Top-Songwriter<br />
wie Dean Dillon (Toby Keith, Kenny Chesney),<br />
Keith Gattis (George Jones, Kid Rock)<br />
und Pat McLaughlin (Bonnie Raitt, Don<br />
Williams) ausgesucht oder hat die neuen<br />
Stücke alleine sowie im Verbund mit Sohn<br />
Bubba geschrieben. Klar ist damit auch, dass<br />
er seinem neoklassischen Stil unverändert<br />
treu bleibt, dass er mit seiner Mischung aus<br />
Western Swing, Honky-Tonk und Cowboy-<br />
Balladen immer noch zur ersten Riege in<br />
Nashville gehört.<br />
(MCA/Universal, 2013, 13/48:11) us<br />
ALEXANDER SANDY<br />
WOLFRUM<br />
DA STECKT WOLFRUM DRIN!<br />
Gewohnt humorvoll<br />
und gefühlsecht,<br />
wenn es sein muss<br />
aber auch ungeschminkt<br />
gnadenlos,<br />
so nimmt Alexander<br />
Sandy Wolfrum auch<br />
auf seinem neuesten Album kein Blatt vor<br />
den Mund. Für DA STECKT WOLFRUM<br />
DRIN hat der Liedermacher aus dem oberfränkischen<br />
Bayreuth neben einem neuen<br />
Lied, in dem er den alltäglichen Wagner-<br />
Wahn seiner Heimatstadt auf die Schippe<br />
nimmt, zurück auf seine lange Karriere<br />
geblickt. Hat zusammen mit Freunden und<br />
langjährigen musikalischen Wegbegleitern<br />
(u.a. Robert Wachsmann und Hanzie Scharrer)<br />
Songs ausgesucht, die es ihrer Meinung<br />
nach einfach Wert sind, noch einmal neu<br />
aufgenommen zu werden. So gelang ihnen<br />
ein buntes und vor allem vielschichtiges<br />
Album, das nicht nur musikalisch überzeugen<br />
kann, sondern mit seinen Texten auch<br />
einen wachen (und überraschend positiven!)<br />
Blick auf unsere Gesellschaft erlaubt.<br />
„Frank’n’Roll und Heavy-Metal-Folk”, so<br />
nennt es Wolfrum selbst, da kann ihm der<br />
Rezensent nur in bestem Oberfränkisch beipflichten:<br />
Dess basst scho’!<br />
(Intra<strong>to</strong>n, 2013, 18/64:34)<br />
us<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
COUNTRY SOUL SISTERS 2<br />
Die fabelhafte Anthologie COUNTRY SOUL<br />
SISTERS (siehe GT 6/2012) findet eine Fortsetzung!<br />
Teil zwei stellt erneut aufs Vortrefflichste<br />
unter Beweis, dass a) die Countryszene<br />
keine reine Männerdomäne ist und b) die<br />
Sängerinnen aus Nash ville & Co. nicht selten<br />
die Traute haben, feministische Themen anzusprechen.<br />
Diesmal knöpfen sich die Seelenschwestern<br />
u.a. vor: die Scheinmoral von<br />
Kleinstadtspießern („Little Town Square”/<br />
Jeannie C. Riley) sowie das Recht auf ein<br />
selbst bestimmtes Leben („My Baby Walked<br />
Right Out On Me”/Wanda Jackson). Näheres<br />
zum Thema Country und Emanzipation kann<br />
man im 36-seitigen CD-Booklet nachlesen.<br />
Weitere Höhepunkte der Sammlung von mal<br />
weniger, mal stärker Soul-gefärbten Songs aus<br />
den Jahren 1956 bis 1979: Dolly Par<strong>to</strong>n („Jolene”),<br />
Linda Ronstadt („Baby, You’ve Been On<br />
My Mind”), Patsy Cline („Come On In”) sowie<br />
Kitty Wells mit ihrem Dylan-Cover „Forever<br />
Young” und Jody Miller mit ihrer Carole-King-<br />
Adaption „Natural Woman”. Frauenministerin<br />
Kristina Schröder kann bei diesen Country-<br />
Schwestern in die Lehre gehen!<br />
(Soul Jazz/Indigo, 2013, 24/67:38) frs<br />
MICHAEL CHAPMAN<br />
WRECKED AGAIN<br />
Ohne jegliches Promobudget<br />
lieblos auf<br />
den Markt geworfen<br />
und dort hilflos zerrieben<br />
zwischen Rock,<br />
Folk und Psychdelic<br />
gehört WRECKED<br />
AGAIN zu den verlorenen Klassikern der<br />
70er Jahre. Klassisch tragisch auch die Geschichte<br />
rund um dieses Album, nachzulesen<br />
im Booklet: Der chronisch an Geldmangel<br />
leidende Gitarrist und Sänger Michael<br />
Chapman kann sein Studiopersonal kaum<br />
bezahlen, so dass die Sessions für WRE-<br />
CKED AGAIN oft im Streit abgebrochen<br />
werden. Ohne Label-Unterstützung plant<br />
er zusammen mit Bassist Rick Kemp eine<br />
US-Tour, bei dem ihm zunächst auf Grund<br />
fehlender Barmittel die Einreise verweigert<br />
wird. Kaum hat Manager Andrew King dieses<br />
Problem gelöst, schmeißt King den Job<br />
hin, dazu noch brennt Kemp mit einer unterwegs<br />
aufgegabelten Frau durch. Bei seinen<br />
folgenden Solo-Auftritten versteht das US-<br />
Publikum weder Chapmans nordenglischen<br />
Akzent noch seinen kantigen britischen<br />
Humor – nachdem ihm ein Raubüberfall in<br />
New York den letzten Nerv raubt, gibt er auf<br />
und kehrt nach England zurück. Dort ist sein<br />
Album inzwischen tief im Releaseplan des<br />
EMI-Sublabels Harvest versunken, wo es bis<br />
heute seinen Dornröschenschlaf hielt – bis<br />
dieses einmalige Werk zwischen britischem<br />
Folk und psychedelischem Rock jetzt als<br />
Wiederveröffentlichung zur (späten) Entdeckung<br />
freigegen ist!<br />
(Light In The Attic/Cargo, 1971,<br />
11/44:57) us<br />
STEVE WESTAWAY<br />
LIVE AT THE MUSIC HALL<br />
WORPSWEDE<br />
Das Künstlerdorf Worpswede hat sich zu<br />
einem hanseatischen Woods<strong>to</strong>ck gemausert,<br />
neben Bris<strong>to</strong>l-Barde Westaway wohnt auch<br />
Bee-Gees-Begleiter Blue Weaver dort. Nach<br />
exzellentem Studiodebüt WHAT KIND OF<br />
(GT 2/2011) legt Singer/Songwriter Westaway<br />
eine stimmige Konzertkonserve vor:<br />
Zwei Gitarren und Cachon/Perkussion mit<br />
Nob Wesh/Ulli Neels alias Hands’n’ Woods<br />
fügen sich zu stets komplettem Klangbild –<br />
ein treibendes und doch relaxtes „Between<br />
The Spaces” akustisch, während „If I Had<br />
My Way” rockt! „Dust Road (Tears Gonna<br />
Flow)” lebt von Satzgesang und schnarrender<br />
Dobro, „Blowing My Blues Away”<br />
hätte man gerne dem späten Rick-Rubin-<br />
Reper<strong>to</strong>ire des Johnny Cash zugeordnet. Das<br />
siebenminütige „Summers Fading Song” atmet<br />
geradezu die Hitze, deren Verlust – emotional<br />
wie klimatisch – der Poet befürchtet:<br />
die Zeit tickt perkussiv zu perlenden Akustikgitarren.<br />
Das Finale ”When This Long<br />
And Angry Day Is Done” kombiniert E- und<br />
A-Klampfen congenial mit Maraccas – Wehmut<br />
ohne Nebenwirkungen!<br />
(Starfish/Viking <strong>Music</strong>, 2013, 11/58:58) utw<br />
JOHN DENVER<br />
THE RCA ALBUM COLLECTION<br />
Seite 54 ■ <strong>GoodTimes</strong> 4/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
Im Nachhinein betrachtet ist die hervorragende<br />
(und aktuell immer noch steigende!)<br />
Reputation von John Denver kaum erklärbar.<br />
Anfang der 70er Jahre, also in einer Zeit,<br />
als seine amerikanische Heimat von politischen<br />
Skandalen erschüttert wurde, in der<br />
das Trauma des Vietnamkrieges verarbeitet<br />
werden musste und das von Wirtschaftskrisen<br />
geschüttelte Land auf der verzweifelten<br />
Suche nach einer neuen Identität war, sang er<br />
(blauäugig-)optimistische Lieder über Familienglück,<br />
ländliche Idylle und Liebesbeziehungen;<br />
naiv-fröhliche Musik, die sich auf<br />
den ersten Blick weitab jeglicher Realität bewegte.<br />
Er bot auf seine ganz spezielle Art ein<br />
Alternativprogramm zur grauen Wirklichkeit<br />
an – und Millionen nutzten es! Dabei gelang<br />
es ihm, vermeintlich altmodische Werte mit<br />
einem positiven Blick in die Zukunft zu verbinden,<br />
lange bevor Umweltschutz und Menschenrechte<br />
zu Allgemein<strong>the</strong>men wurden.<br />
Und obwohl man ihn immer in die Country-<br />
Schublade steckte, gehörte er dort gar nicht<br />
hin, warf auf seinem Weg von Nashville nach<br />
Aspen, Colorado, den stumpf-konservativen<br />
Stallgeruch dieser Musik ab, ersetzte ihn<br />
durch den wahren, freien Geist des Wilden<br />
Westens. Nach seinen (Folk-)Anfängen beim<br />
Chad Mitchell Trio erkannte Produzent Milt<br />
Okun (Peter, Paul & Mary, The Bro<strong>the</strong>rs<br />
Four) schnell die Ursprünglichkeit des 1943<br />
in New Mexico geborenen John Deutschendorf.<br />
Unter seinem Künstlernamen John Denver<br />
veröffentlichte er 1969 mit RHYMES &<br />
REASONS sein Debüt, legte mit einem clever<br />
austarierten Mix aus Cover-Versionen<br />
und eigenen Stücken – darunter mit „Leaving<br />
On A Jet Plane” auch schon eine seiner erfolgreichsten<br />
Kompositionen – den Grundstein<br />
für eine wohl einzigartige Karriere. Mit<br />
POEMS, PRAYERS & PROMISES begann<br />
1971 die Reihe „goldener” Alben, die für<br />
Denvers weltweiter Siegeszug verantwortlich<br />
war, unterstützt von zahlreichen Single-Hits,<br />
von „Take Me Home Country Roads” über<br />
„Sunshine On My Shoulders” bis zu „Starwood<br />
In Aspen”. Auch wenn seine Popularität<br />
Anfang der 80er – hauptsächlich aufgrund<br />
fehlender Top-Hits – etwas nachließ, die Qualität<br />
seiner Musik litt kaum darunter. Neben<br />
den 24 regulären Studio- und Live-Alben, die<br />
John Denver bis 1986 bei RCA veröffentlicht<br />
hat, bietet THE RCA ALBUM COLLEC-<br />
TION mit JOHN DENVER SINGS aus dem<br />
Jahr 1966 zusätzlich noch einen höchst privaten<br />
Blick in seinen musikalischen Kosmos:<br />
Exklusiv für Freunde und Familienmitglieder<br />
spielte er damals Songs anderer Künstler ein,<br />
ein Streifzug, der von Phil Ochs („What’s<br />
That I Hear Now?”) über Huddie Ledbetter<br />
(„When I Was A Cowboy”) bis zu „Here,<br />
There & Everywhere”, „Yesterday”, „And<br />
I Love Her” und „In My Life” aus der Feder<br />
von John Lennon und Paul McCartney<br />
reicht. Alle Alben dieser prall gefüllten Box<br />
im Würfelformat sind als hochwertige Vinyl-<br />
Replica-CDs (teilweise aufklappbar) gestaltet,<br />
dazu gibt‘s eine kurze englische Biografie<br />
sowie alle Produktionsinfos zum Nachlesen<br />
in einem extra Booklet.<br />
(RCA/Sony <strong>Music</strong>, 2013, 25 CDs) us<br />
PATSY CLINE<br />
PATSY CLINE’S GREATEST HITS<br />
Das biedere Image<br />
von Patsy Cline und<br />
auch eine Schmachtballade<br />
wie „Sweet<br />
Dreams (Of You)”<br />
sollten nicht darüber<br />
hinweg täuschen,<br />
dass es die Dame faustdick hinter den Ohren<br />
hatte. Wer kann von sich behaupten, solche<br />
wilden Kerle wie den „Killer” Jerry Lee Lewis<br />
bei einem gemeinsam Auftritt gebändigt<br />
zu haben? Clines Karriere war gerade erst in<br />
Schwung gekommen, als die Sängerin durch<br />
einen tragischen Flugzeugabsturz jäh aus<br />
dem Leben gerissen wurde. Die ausgezeichnet<br />
zusammengestellte Compilation enthält<br />
Riesenhits wie „Crazy”, „Walking After<br />
Midnight”, „Back In Baby’s Arms” oder<br />
den bereits angesprochen Track, aber auch<br />
Material, bei dem ein hörbar Rock’n’Roll-<br />
Einfluss hörbar wird („Strange”, „She’s Got<br />
You”), wodurch ein guter Querschnitt garantiert<br />
ist. Das Remastering der hybriden<br />
SA-CD begeistert, denn bislang klangen die<br />
Songs der Dame niemals so natürlich. Sehr<br />
schön!<br />
(Analogue Productions/<br />
Sieveking Sound, 2013, 12/33:08) at<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
GHOST BROTHERS OF<br />
DARKLAND COUNTY<br />
Was für ein Trio hat denn da zusammengefunden:<br />
John Mellencamp (Songs), T-Bone<br />
Burnett (Produzent) – und Stephen King<br />
(S<strong>to</strong>ry)! Bei einer solchen Troika kann das<br />
<strong>Music</strong>al GHOST BROTHERS OF DARK-<br />
LAND COUNTY ja kaum missraten. Vor allem,<br />
wenn noch dazu solch großartige Sänger<br />
und Sängerinnen wie Kris Kris<strong>to</strong>fferson, Elvis<br />
Costello, Taj Mahal, Sheryl Crow, Rosanne<br />
Cash und Neko Case den Songs ihre Stimmen<br />
leihen. In der Tat ist es ein großartiges Stück<br />
Musik<strong>the</strong>ater (das im Herbst auf Tournee gehen<br />
soll) geworden, das Vergleiche mit ähnlichen<br />
Werken wie etwa Tom Waits’ BLACK<br />
RIDER nicht zu scheuen braucht. Da gibt es<br />
knarzig-kernigen Delta-Blues („Tear This<br />
Cabin Down”), intensiv-gefühlvolle Balladen<br />
(„Home Again”) oder Voodoo-spukenden<br />
Sou<strong>the</strong>rn Gothic („So Goddamn Good”). Die<br />
S<strong>to</strong>ry dreht sich um zwei Brüder, die sich in<br />
einem abgeschiedenen Ferienhaus im Jahre<br />
1967 aus Eifersucht umbringen und fortan als<br />
Geister wirken. Ein weiterer Bruder besucht<br />
mit seinen beiden Söhnen 40 Jahre später das<br />
Geisterhaus. Wird sich die Geschichte des<br />
Brudermords wiederholen? GHOST BRO-<br />
THERS ist als 2-CD/1DVD-, 1-CD/1-DVDoder<br />
1-CD-Version erhältlich; die CDs enthalten<br />
die Musik ohne bzw. mit Auszügen aus<br />
den gesprochenen Dialogen (rezitiert von u.a.<br />
Meg Ryan), die DVDs ein Making-Of und/<br />
oder Interviews.<br />
(Concord/Universal, 2013,<br />
35/70:23, 17/62:52) frs