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Wie der<br />
Sou<strong>the</strong>rn<br />
Rock<br />
Süden Vergeltung übt<br />
Rock, Pop, Beat, Punk usw. – die Geschichte der modernen<br />
Unterhaltungsmusik ist reich an Facetten.<br />
Stilbezeichnungen überfluten spätestens seit den<br />
60er Jahren den medialen Raum. Manchmal sind Begriffe<br />
aus einer Jugend-Subkultur heraus entstanden,<br />
manchmal spontan bei einem Interview von Musikern<br />
erfunden worden. Verstärkt seit den 80ern haben Kategorisierungen<br />
allerdings häufig ihren Ursprung in<br />
Verkaufsstrategien von Plattenfirmen oder entspringen<br />
der Fantasie von Musikjournalisten, die sich lange<br />
Beschreibungen ersparen wollten oder einfach nach<br />
Synonymen suchten. Einige dieser Musikstile, die<br />
manchmal nur für kurze Zeit zum Hype wurden oder<br />
aber es nie zum Massenphänomen brachten, stellt<br />
<strong>GoodTimes</strong> in einer Serie vor.<br />
Es ist paradox: Zwar sind alle bekannten Musikgenres die Ergebnisse längerer<br />
Entwicklungsprozesse, trotzdem gibt es praktisch zu jedem Stil<br />
ein Album, das die Geburtsstunde des jeweiligen Begriffs markiert. Beim<br />
Sou<strong>the</strong>rn Rock – oft auch als Südstaaten-Rock bezeichnet – fokussieren<br />
sich sämtliche Definitionen auf das Debütalbum der Allman Bro<strong>the</strong>rs Band (1969).<br />
Dabei schwitzt es vor allem den damals gerade angesagten Blues Rock – und<br />
Canned Heat waren gar nicht so weit entfernt.<br />
Das Besondere an den Allmans waren<br />
die wie Jazz-Jams angelegten Passagen, in<br />
denen Duane Allman plötzlich mit der Slidegitarre<br />
beseelte Melodien spielte. Die waren<br />
von einem anderen Kaliber als das manchmal<br />
etwas tumbe Geschrote vieler Bluesklampfer.<br />
"Dreams" ist das Paradebeispiel für alles, was<br />
im zu Ende gehenden Aufbruchsjahrzehnt<br />
das Sou<strong>the</strong>rn-Rock-Genre definierte.<br />
Sou<strong>the</strong>rn Rock kann allerdings nicht losgelöst<br />
von den gesellschaftspolitischen<br />
Entwicklungen in den USA gesehen werden.<br />
Brandon P. Keith von der University<br />
Of South Florida begründet in der wissenschaftlichen<br />
Analyse "Sou<strong>the</strong>rn rock music<br />
as a cultural form" die Entstehung des<br />
Genres mit dem Versuch junger Rockmusiker<br />
aus den Südstaaten der USA, den durch die<br />
Bürgerrechtsbewegungen entstandenen Veränderungen Rechnung zu tragen. Im<br />
Affront zur Elterngeneration transportierten Texte und musikalische Mittel eine<br />
andere Sicht auf die Rassenfrage. Die Allmans demonstrierten das mit schwarzen<br />
Musikern in der Band. Jai Johanny Johanson (Jaimoe) spielte hier Schlagzeug<br />
und tauchte später noch einmal bei den völlig unterbewerteten und kaum bekannten<br />
Sea Level auf: Denen fehlte zwar der Dreck unter den Fingernägeln, aber<br />
sie kamen mit ihrer Mischung aus Westcoast und Jazz-Rock den Allman Bro<strong>the</strong>rs<br />
ziemlich nahe. Gleichzeitig wurden laut Brandon P. Keith mit dem Sou<strong>the</strong>rn Rock<br />
aber auch die regionalen Eigenheiten be<strong>to</strong>nt – Patriotismus schrieben selbst die<br />
liberaler denkenden Rockmusiker groß. Und das ist für US-amerikanische Verhältnisse<br />
durchaus kein Widerspruch. Erst recht nicht für Südstaatler.<br />
Bis heute wirkt der Bürgerkrieg nach. Anders als in der europäischen Lesart<br />
angenommen, ging es in dem bewaffneten Konflikt keineswegs vordergründig<br />
um die Befreiung der Schwarzen aus der Sklaverei. Wie so oft in<br />
der Politik wurde das Thema instrumentalisiert, um Emotionen auszulösen und<br />
gewisse Bevölkerungsschichten zu mobilisieren. Die Ursachen für das unerbittliche<br />
Schlachten zwischen den Nord- und Südstaaten der USA ist vielmehr in<br />
wirtschaftlichen Interessen und machtpolitischen Einordnungen zu suchen.<br />
Dass dabei die heute als moralisch fortschrittlicher dargestellten Yankees in den<br />
nach Selbstbestimmung strebenden Südstaaten ganze Landstriche verheerten,<br />
rechtfertigte auch die angebliche Befreiung der Sklaven nicht. Tod, Verlust und<br />
Demütigung sind wiederkehrende Kern<strong>the</strong>men, die sich in Literatur und Lyrik<br />
von zum Beispiel aus Alabama, Arkansas, Georgia oder Louisiana stammenden<br />
Au<strong>to</strong>ren und Musikern finden.<br />
Womit man wieder beim Sou<strong>the</strong>rn<br />
Rock wäre, der mit Beginn der<br />
70er Jahre durch immer stärker werdende<br />
Country-Einflüsse sein eigentliches Gesicht<br />
bekam. Zum Beispiel Barefoot Jerry aus<br />
Nashville, Tennessee und deren Debüt SOU-<br />
THERN DELIGHT (1971) oder die im selben<br />
Jahr erschienene erste LP von Wet Willie aus<br />
Mobile, Alabama. Beide Bands waren hörbar<br />
vom Country-Rock geprägt; Barefoot<br />
Jerry sicher deutlicher, allerdings stießen<br />
vor allem die in Wet Willies ausgeflippten<br />
Funk-Rock verborgenen, harmonischen<br />
Country-Gesangslinien neue Türen auf.<br />
1971 betraten auch ZZ Top die Bildfläche.<br />
Die am Hard Rock orientierten, Blues-getränkten<br />
Songs der Cowboys bereiteten den<br />
Boden für weitere Schwergewichte, die es<br />
Seite 70 <strong>GoodTimes</strong> 4/2013 <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>