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! REVIEWS<br />
HIGHLIGHTS<br />
CD<br />
PAUL ROSE<br />
DOUBLE LIFE<br />
Manchmal geschehen ja wirklich Wunder,<br />
mit denen niemand rechnet. So widerfuhr<br />
es dem englischen Gitarristen Paul Rose im<br />
vergangenen Jahr. Da arbeitete der 47-Jährige<br />
an seinem nächsten Album WHITE MOUN-<br />
TAIN ROAD, als wie aus dem Nichts das<br />
Angebot hereinschneite, in Los Angeles mit<br />
dem Produzenten John Wooler aufzunehmen,<br />
der schon mit Van Morrison, Charlie Watts,<br />
John Lee Hooker, John Hammond und Gary<br />
Moore gearbeitet hat. Wooler organisierte es,<br />
dass einige wahre Größen der US-Blues<br />
und -R&B-Szene im Studio zu Rose stießen.<br />
Herausgekommen ist dabei DOU-<br />
BLE LIFE, ein begeisterndes Album, auf<br />
dem der Brite keine einzige eigene Songkreation<br />
ertönen lässt, sondern sich mehr<br />
oder weniger bekannte Fremdvorlagen<br />
vornahm und auf ganz eigene Weise neu<br />
interpretierte. Terry Evans aus Ry Cooders<br />
Band, der zuletzt mit Hans „Euro Bluesman”<br />
Theessink gearbeitet hatte, singt<br />
ebenso beseelt wie Sweet Pea Atkinson,<br />
der einst Vokalist von Was (Not Was) war,<br />
oder der langjährige Rolling-S<strong>to</strong>nes-Backingsänger<br />
Bernard Fowler. Und mit Raffia<br />
Ford (Gloria Estefan, Melissa E<strong>the</strong>ridge) ist<br />
zwischendurch auch eine weibliche Leadstimme<br />
zu hören. Rose, der von sich selbst<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
sagt, nicht der begnadetste Sänger zu sein,<br />
konzentrierte sich diesmal nur auf seine sechs<br />
Saiten. Die stellte er dabei jeden Augenblick<br />
in den Dienst des jeweiligen Songs, ohne dabei<br />
allerdings auf einige Gitarrenfeuerwerke<br />
sowie beseelt angestimmte getragene Schleichersolos<br />
zu verzichten. Dazu kamen so versierte<br />
wie routinierte, dabei aber inspiriert<br />
agierende Begleiter wie Drummer Richie<br />
Morales (Brecker Bro<strong>the</strong>rs, Al di Meola),<br />
Gitarrist Randy Jacobs [Was (Not Was), Boneshakers,<br />
Stevie Wonder, Ringo Starr, El<strong>to</strong>n<br />
John], der als Studiobassist vielgefragte Kenny<br />
Hutchison sowie Keyboarder Tio Banks<br />
[Duran Duran, Was (Not Was)].<br />
Mit einer ungemein groovenden Neufassung<br />
von James Browns “Cold Sweat” (verfasst<br />
von Pee Wee Ellis; Vocals: Atkinson) geht<br />
es los, wobei Rose (einst von Rory Gallagher<br />
als eines der größten UK-Talente geadelt)<br />
mit seinem Solo einige rockige Untertöne<br />
setzt, die Nummer nach vorne drückt und<br />
entfernt an Stevie Ray Vaughan<br />
erinnert. Big Joe Turners “Honey<br />
Hush” gewinnt durch Fords<br />
Stimme und die wuchtig vorwärtsstürmende<br />
Instrumentalabteilung<br />
eine ganz eigene Note, während<br />
“Let’s Straighten It Out” (Benny<br />
Latimore; Vocals: Atkinson) ) für<br />
balladeske Entspannung steht und<br />
Luft holen lässt, ehe wieder auf<br />
die Energietube gedrückt wird.<br />
Danach prägt Fowler “Drowning The Sea<br />
Of Love” (Gamble/Huff) mit seinem entspannten,<br />
souligen Vortrag und sorgt für eine<br />
weitere Genre-Ergänzung. “Crazy About You<br />
Baby” hatte einst Ike Turner geschrieben –<br />
hier erinnert die Gitarre von Rose des Öfteren<br />
an CCR/John Fogerty und trägt so zu einer<br />
eingängigen Rockkomponente bei. “Dark<br />
End Of The Street” (Penn/Moman) kommt<br />
vorsichtig gospelig (Evans!) und lädt förmlich<br />
zu relaxtem Lauschen ein.<br />
“Ball And Chain” (Jacobs/Kelly) hingegen<br />
wartet mit einem satten blues-rockigen<br />
Shuffle auf, und Atkinson röhrt heftig. Der<br />
Stax-Klassiker “(If Loving You Is Wrong)<br />
I Don’t Want To Be Right” wird geradezu<br />
leidenschaftlich angestimmt – es handelt<br />
sich um die gefühlvollste Nummer des Albums.<br />
“Just A Little<br />
Bit” (Gordon) weckt<br />
Assoziation in Richtung<br />
Albert Collins.<br />
Als regelrechter Shuffle-Schöpfer<br />
entpuppt<br />
sich Terry Evans mit<br />
dem von ihm geschriebenen<br />
“Uphill Climb”,<br />
ehe zum Ausklang das<br />
eigentlich völlig ausgenudelte<br />
dl “S<strong>to</strong>rmy Monday” von T-Bone<br />
Walker fast zehn Minuten erst zerlegt, dann<br />
wieder zusammengesetzt, neu belebt und um<br />
überraschende Facetten ergänzt wird. Und<br />
das vor allem durch das Zusammenspiel von<br />
Gitarre und Stimmen.<br />
Mit DOUBLE LIFE ist Rose ein glänzendes<br />
Werk gelungen, mit dem in dieser Form wohl<br />
niemand gerechnet hat. Natürlich leugnet er<br />
seine britischen Blues-Rockwurzeln nicht,<br />
aber er lässt an seinem musikalischen Bäumchen<br />
weitere Stiläste austreiben. Klasse!<br />
(Mita/Rough Trade, 2013, 11/61:54) pro<br />
DVD<br />
ALVIN LEE &<br />
TEN YEARS LATER<br />
LIVE AT ROCKPALAST<br />
BOX<br />
MOODY BLUES<br />
TIMELESS FLIGHT –<br />
THE JOURNEY CONTINUES<br />
In der dritten der längst legendären<br />
„Rockpalast”-Nächte war Woods<strong>to</strong>ck-<br />
Heros Alvin Lee am Start. Nachdem seine<br />
Solo-Alben unter eigenem Namen in nicht<br />
gerade berauschenden Stückzahlen über<br />
die Ladentische gegangen waren, hatte er<br />
sich auf seine alte Band Ten Years After<br />
besonnen, deren Namen aber der Ehrlichkeit<br />
halber von After in<br />
Later geändert. Schließlich<br />
hatte er in der Triobesetzung<br />
mit Drummer Tom<br />
Comp<strong>to</strong>n und Bassist <strong>Mick</strong><br />
Hawksworth neue, erstklassige<br />
Mitstreiter an seiner<br />
Seite, mit denen er am 6.<br />
Dezember 1978 in der Essener<br />
Gruga-Halle kräftig<br />
einheizte. Zurück in die<br />
Zeiten mit hart treibendem Rock’n’Roll<br />
samt Blues-Verwurzelung trieb es Lee, der<br />
sich auf seinen sechs Saiten inspiriert und<br />
spielfreudig wie lange nicht mehr aus<strong>to</strong>bte,<br />
was die trotz des hohen Alters recht ansprechenden<br />
TV-Bilder (von den WDR-Originalen<br />
remastert) immer wieder anschaulich<br />
machen. Ebenso, dass Lee trotz mancher<br />
Bedenken in Sachen TV-Auftritt im Vorfeld<br />
richtig Bock auf Rock hatte. Für das Fundament<br />
sorgten Comp<strong>to</strong>n und Hawksworth,<br />
sowohl bei der neunminütigen Fassung von<br />
“I’m Going Home” (gnadenlos/grausam<br />
vor allem auf der Audio-CD: der Schnitt<br />
bzw. die Überblendung zu “Choo Choo<br />
Mama”) als auch bei den durchaus origi-<br />
nellen Fassungen von “Hey Joe”, “Help<br />
Me” (Sonny Boy Williamson) und den damals<br />
vom WDR nicht mehr live gesendeten<br />
Zugaben in Form der Cover-Versionen<br />
“Rip It Up”, “Sweet Little Sixteen” und<br />
“Roll Over Beethoven”.<br />
Von der damals aktuellen LP RIDE ON<br />
waren mit “Gonna Turn You On” (ebenso<br />
passender wie zutreffender<br />
Show-Opener) und “Ain’t<br />
Nothing Shakin’” (mit<br />
Drumsolo) lediglich zwei<br />
Songs vertreten, offenbar<br />
wollte Lee auf Nummer sicher<br />
gehen, um die 10.000<br />
Zuschauern vor der Bühne<br />
(und Millionen vor den TV-<br />
Geräten in fast ganz Europa)<br />
auch wirklich mitzureißen.<br />
Was ihm ja schließlich auch glänzend<br />
wie locker gelang.<br />
Liner-Notes gibt’s im aufwändig gestalteten<br />
Paket sowohl auf Englisch (Michael<br />
Heatley) als auch auf Deutsch (Uli Kniep).<br />
Da ist es auch hinnehmbar, dass es auf der<br />
DVD (identisch mit der beigefügten CD)<br />
keinerlei Bonus-Material gibt. Insgesamt<br />
ein rundum gelungenes Gesamtpaket für<br />
die heimische Glotze und den CD-Player<br />
im Au<strong>to</strong> – bei Letzterem muss man allerdings<br />
darauf achten, sich nicht zu sehr mitreißen<br />
zu lassen und die Geschwindigkeitsvorschriften<br />
einzuhalten.<br />
(Reper<strong>to</strong>ire/Sony <strong>Music</strong>, 2013,<br />
DVD: 69 Min. CD:10/63:29) pro<br />
R k’ ’R ll ß W ih j<br />
Selbst wenn nach “Go Now” 1965 und ”Nights<br />
In White Satin” 1967 Schluss gewesen wäre,<br />
der Moody-Blues-Sound hätte sich für Jahrzehnte<br />
eingeprägt. Balladen, Sinfonisches mit<br />
R&B und Rock, bester Satzgesang. Die neuen<br />
Bosse Jus tin Hayward (voc, g) und John<br />
Lodge (b, voc) halfen, die alte Band Denny<br />
Laines abzuwickeln. Für sie<br />
begann die His<strong>to</strong>rie erst mit<br />
dem per Tonbänder Streicher<br />
generierenden Mellotron-Keyin<br />
die<br />
Moodies brachte – auch<br />
board, das Mike Pender<br />
Flötist Ray Thomas<br />
und Drummer Graeme<br />
Edge zogen mit. Wer<br />
ahnte, dass eine derart<br />
kreative, konsistente und<br />
kolossale Bandeschichte<br />
ihren Weg nehmen würde?<br />
Sie hätte nicht besser aufbereitet werden<br />
können als hier – elf CDs und sechs DVDs<br />
sowie einem 140-seitigen Prachtband, der<br />
die Moody Blues in wunderbarem Layout,<br />
1000 Covern beschreibt und illustriert. Zentral<br />
sind die „magischen sieben” LPs vom<br />
“Satin”-DAYS OF FUTURE PASSED über<br />
IN SEARCH OF THE LOST CHORD zu<br />
SEVENTH SOJOURN, betreut vom herzlich<br />
verbundenen Produzenten Tony Clarke<br />
und Tontüftler Derek Varnals. Obwohl weitere<br />
sieben folgen sollten, bleiben die Studio<br />
Recordings 1967–2003 auf fünf randvolle<br />
CDs beschränkt. Dies trotz zahlreicher unveröffentlichter<br />
Tracks wie “Eternity Road”,<br />
“When You’re A Free Man”, der Langversion<br />
von “Isn’t Life Strange” sowie Extras wie<br />
Jus tin Haywards legendäres “Blue Guitar”<br />
mit 10cc, 1975 als Blue Jays, dem Duo-<br />
Etikett mit Lodge gechartet. Dazu Solotrips<br />
von Thomas, Pinder – und Graeme Edge mit<br />
den Gurvitz-Bro<strong>the</strong>rs, die auch Ginger Baker<br />
dienten.<br />
Sechs CDs sind Konzerten der<br />
Band zwischen 1969 und 1997<br />
gewidmet: Neben dem Moodies-<br />
Handwerk, ihre anspruchsvoll<br />
sinfonischen Balladen<br />
detailgetreu zu reproduzieren,<br />
erstaunen rockigere<br />
Töne. ”The S<strong>to</strong>ry In Your<br />
Eyes”, 1992 in Colorado<br />
eingefangen, legt los<br />
wie Status Quo auf der<br />
Suche nach dem vierten<br />
Akkord. Klar ist die Band<br />
1997 im Birmingham NEC routinierter als in<br />
der atemberaubenden Albert-Hall-Atmosphäre<br />
1969 – abgeklärt wirkt sie nie. Bleiben je<br />
drei DVDs voller Promo-Filme und Fernsehshows<br />
(„Beat-Club”, „Colour Me Pop”, „Leo<br />
Sayer Show”) und klassische Alben in 5.1<br />
Surround gemixt: Von den „Magic 7” fehlt<br />
LOST CHORD – weil es sie schon so gab.<br />
Poster, Fo<strong>to</strong>s, Tickets – magisch, opulent, völlig<br />
unverzichtbar.<br />
(Universal, 1967–2003, 21/77:08, 21/87:13,<br />
17/ 78:59, 16/76:33, 15/77:07, 14/57:50,<br />
13/66:14, 14/76:30, 10/52:14, 10/58:02,<br />
14/79:50, 6 DVDs) utw<br />
Seite 30 ■ <strong>GoodTimes</strong> 4/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>