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CD<br />
REVIEWS<br />
sechs Bonus-Tracks. Dafür haben die<br />
Angel-Air-Verantwortlichen Singles des<br />
1993 vers<strong>to</strong>rbenen Albert Collins aus den<br />
Jahren 1958 bis 1962 ausgegraben. Die ermöglichen<br />
einen Blick darauf, wie sich der<br />
„Iceman” in diesen Jahren weiterentwickelt<br />
hatte.<br />
(Angel Air/Fenn, 2000, 15/59:51) pro<br />
BILL YATES + BILLY<br />
ADAMS + DOCTOR ROSS &<br />
HIS JUMP AND JIVE BOYS<br />
BLUES LIKE MIDNIGHT +<br />
ROCK ME BABY + JUKE BOX<br />
BOOGIE<br />
Die drei neuesten<br />
Zugänge der Bear<br />
Family Reihe „The<br />
Sun Years, Plus”<br />
liefern mit drei<br />
vollgepackten CDs<br />
wieder massenhaft<br />
Material, Mt wie man es nur von ganz wenigen<br />
Labels erwarten kann. So kannte man von<br />
Bill Yates aus Memphis bisher eigentlich<br />
„nur” drei Singles aus Sun-Zeiten. BLUES<br />
LIKE MIDNIGHT (33/87:24) zeigt aber<br />
jetzt, dass der weiße, Soul-verliebte Sänger<br />
einiges mehr für Sam Phillips’ Plattenfirma<br />
aufgenommen hat. Neben den zwölf bisher<br />
unveröffentlichten Sun-Aufnahmen gibt es<br />
noch seine drei raren Singles, die er für das<br />
Pixie-Label einspielte, sowie weitere sieben<br />
bisher unveröffentlichte Tracks für Home Of<br />
The Blues. Eine vergleichbar hohe Raritätsquote<br />
erzielt ROCK ME BABY (31/80:18),<br />
die Zusammenstellung aller Singles (für<br />
Sun, Pixie und Home Of The Blues), die<br />
der ebenfalls aus Memphis stammende Billy<br />
Adams mit seiner R&B-Band in den frühen<br />
60er Jahren einspielte. Auch hier gibt es neben<br />
den (wenigen) bekannten Aufnahmen<br />
(“Rock Me Baby”, “Betty And Dupree”) drei<br />
bisher unveröffentlichte Alternativversionen<br />
sowie weitere 14 (!) unveröffentlichte Songs.<br />
Fast zehn Jahre zuvor, Anfang der 50er, war<br />
mit Isaiah Ross ein Blueser der alten Schule<br />
zu Gast in Sam Phillips’ Studio im Memphis.<br />
JUKE BOX BOOGIE (32/87:58) liefert archaischen<br />
Blues, bei der Doc<strong>to</strong>r Ross’ Gitarre<br />
und Stimme nur selten von mehr als einer<br />
Mundharmonika, etwas Schlagzeug oder<br />
einem Waschbrett unterstützt werden. Auch<br />
hier hat das deutsche Spezial-Label wieder<br />
erstklassige Arbeit abgeliefert, enthält diese<br />
Zusammenstellung doch neben allen Sunund<br />
Chess-Singles auch noch die Aufnahmen,<br />
die Mitte der 50er für drei Plattenfirmen<br />
aus Michigan (DIR, Fortune und Hi-Q)<br />
erfolgten. Wie gewohnt vorbildlich auch die<br />
ausführlichen Begleitinfos (inkl. Discographien)<br />
in den voluminösen Booklets.<br />
(Bear Family, 2013, 3 CDs)<br />
tk<br />
JOE TEX<br />
SINGLES A’S & B’S VOL. 3<br />
Joe Tex hatte seine ganz große Zeit in den<br />
Sechzigern, einer Dekade, in der er Hit<br />
nach Hit in die Charts hievte. Natürlich<br />
lag das an seiner charmanten und variationsreichen<br />
Stimme, aber auch an dem erstklassigen<br />
Material, das sich der Musiker<br />
aussuchte. Die nun erschienene Compilation<br />
(es ist die dritte) beleuchtet die Jahre<br />
1969 bis 1972. Schneller Soul (“Chicken<br />
Crazy”), intensiver Sou<strong>the</strong>rn Soul (“That’s<br />
The Way”), kerniger R&B, verstärkt durch<br />
heiße Bläser, und natürlich Hits wie das<br />
angefunkte “I Gotcha” wirken durch Tex’<br />
erzählenden Stil und den unverkennbaren<br />
Humor (“Bad Feet”). Schöne Zusammenstellung<br />
der Songs eines Musikers, der viel<br />
zu früh verstarb. Das achtseitige Booklet<br />
enthält knappe, aber aussagekräftige Liner-Notes,<br />
die Session-Informationen und<br />
Charts-Platzierungen berücksichtigen.<br />
(Shout/Rough Trade, 2013, 23/74:10) at<br />
NILE RODGERS PRESENTS<br />
THE CHIC ORGANIZATION<br />
Wenn es eines Beweises<br />
bedürfte, wie<br />
relevant noch heute<br />
Disco-Musik der 70er<br />
ist, Nile Rodgers hätte<br />
ihn spätestens jetzt mit<br />
dem aktuellen Daft-<br />
Punk-Hit “Get Lucky”<br />
geliefert. An der Seite<br />
von Pharell Williams schüttelt er dabei minimalistische<br />
Riffs aus dem Handgelenk, die<br />
die House-Musik des französischen Duos in<br />
kürzester Zeit in höchste Erfolgssphären katapultiert<br />
hat. Dabei ist das gar nichts Neues,<br />
man muss sich nur zurückerinnern an die Zeit,<br />
als Rodgers, der seine Karriere in der Hausband<br />
des Apollo Theatre in Harlem startete,<br />
Mitte der 70er zusammen mit dem 1996 vers<strong>to</strong>rbenen<br />
Bassisten Bernard Edwards in New<br />
York ihre Chic Organzation Ltd. ins Leben<br />
riefen. Schnell avancierten sie zu den Zugpferden<br />
einer von pumpenden Beats und souligen<br />
Grooves inspirierten Musik, ideal geeignet<br />
für die damals wie Pilze aus dem Boden<br />
schießenden Disko<strong>the</strong>ken. Blaupause für diesen<br />
Sound war ohne Frage das unverwüstliche<br />
“Le Freak”, doch auch nach der vorläufigen<br />
Chic-Auflösung standen Edwards Basslinien<br />
Pate für zeitlose Klassiker wie “Rapper’s Delight”<br />
der Sugarhill Gang oder Queens Disco-<br />
Hit “Ano<strong>the</strong>r One Bites The Dust”. In dieser<br />
Zeit avancierte Rodgers zum gefragten Produzenten,<br />
von David Bowie (“Let’s Dance”)<br />
bis zu Madonna (“Like A Virgin”). Für die<br />
„Box Set Vol. 1 / Savoir Faire” untertitelte,<br />
hochformatige 4-CD-Box THE CHIC OR-<br />
GANIZATION hat Rodgers natürlich alle<br />
Hits von Chic zusammengepackt, hat das<br />
Spektrum zusätzlich noch um einige (bisher<br />
unveröffentlichte) Outtakes und Archivfundstücke<br />
erweitert und erlaubt mit zahlreichen<br />
Beispielen anderer Künstler auch einen Blick<br />
auf seine Produzententätigkeit. Dabei gibt es<br />
ein Wiederhören mit Sister Sledge (“We Are<br />
Family”), Diana Ross (“Upside Down”),<br />
Debbie Harry (“Backfired”), Carly Simon<br />
(“Why”) und Norma Jean (“Saturday”), dazu<br />
noch drei (warum auch immer nie veröffentlichte)<br />
Titel von Crooner Johnny Mathis sowie<br />
fünf Disco-Klassiker (darunter “I Want<br />
Your Love” und “Lost In <strong>Music</strong>”) in neuen<br />
DJ-Abmischungen. Stark auch die ausführlichen<br />
und klasse bebilderten Liner-Notes,<br />
bei denen man alle Infos und Anekdoten aus<br />
erster Hand, von Nile Rodgers höchstpersönlich,<br />
geliefert bekommt.<br />
(Warner, 2013, 4 CDs)<br />
us<br />
Blues – R&B – Soul – Funk – Reggae<br />
NIGEL MOONEY<br />
THE BOHEMIAN MOONEY<br />
Sein Landsmann Rory Gallagher mochte<br />
den Blues rau und dreckig. Nigel<br />
Mooney ist ein Bigband-Blueser alter<br />
Schule – hier muss es Ray-Charles-esk<br />
jazzig mit bissigen Bläsersalven zugehen.<br />
Das klappt mit eigenen, launigen<br />
Uptempo-Krachern wie “I Ain’t Ready”,<br />
mit Charles’ beschwingtem “Ain’t That<br />
Love” oder dessen traditionellem 12-Bar-<br />
Blues “Hard Times”. Mooney fühlt sich<br />
auch besonders wohl im Count-Basie-<br />
Terri<strong>to</strong>rium. Ein Tribut an Basies Rhythmusgitarristen<br />
Freddie Green, “Down<br />
For Double”, wird als Duett mit seinem<br />
Freund „und Co-Konspira<strong>to</strong>r” Georgie<br />
Fame zelebriert. Fame schrieb Mooney<br />
bereits vor zehn Jahren das melancholische<br />
“How Blue Can You Get” auf<br />
den Leib, das er selbst schon 2003 auf<br />
CHARLESTONS veröffentlichte und hier<br />
in gemeinsamer Performance mit Mooney<br />
zu neuem Leben erweckt. “C’est Ci Bon”<br />
aus dem Louis-Armstrong-Kanon kommt<br />
sehr charmant rüber, das normalerweise<br />
tieftraurige “April In Paris” gewinnt als<br />
Swing. Ausgekocht.<br />
(Lyte Records/Import, 2013, 12/48:12) utw<br />
THE BLUES BAND<br />
LIVE AT ROCKPALAST<br />
Hughie Flint saß<br />
noch am Schlagzeug,<br />
als die Blues<br />
Band am 19. April<br />
1980 die sechste<br />
„Rockpalast”-Nacht<br />
eröffnete.<br />
Damals<br />
waren die Londoner Szene-Haudegen<br />
Paul Jones (voc, harp), Dave Kelly<br />
(voc, g), Tom McGuiness (g, voc), Gary<br />
Fletcher (b, voc) und Flint im UK gerade<br />
durch die Decke gegangen. Selbst in<br />
Hoch-Zeiten des Punk räumten sie mit<br />
ihrer quicklebendigen Blues-Rockmischung<br />
ab – auch in der Essener Gruga-<br />
Halle. Sie spielten sich die Seele aus dem<br />
Leib mit ihrer Mischung aus aufgefrischten<br />
Bluesklassikern und Eigenkreationen,<br />
waren sichtlich überwältigt von der Begeisterung<br />
des Publikums, wie die DVD<br />
zeigt, und spielten sich regelrecht in einen<br />
Rausch, der im abschließenden “Flip,<br />
Flop And Fly” einen ekstatischen Höhepunkt<br />
fand. Einmal mehr lobenswert: das<br />
mit (unterschiedlichen) Liner-Notes auf<br />
Deutsch und Englisch bestückte Booklet<br />
und das DVD-Interview mit Geburtstags<strong>to</strong>rte.<br />
(Reper<strong>to</strong>ire/Sony <strong>Music</strong>, 2013,<br />
14/70:25) pro<br />
DUKE ROBILLARD BAND<br />
INDEPENDENTLY BLUE<br />
Auch wenn man beim Gitarrenvirtuosen<br />
und Meister-Songschmied Duke<br />
Robillard im Grunde weiß, was man bekommt,<br />
überrascht das einstige Mitglied<br />
von Roomful Of Blues und der Fabulous<br />
Thunderbirds doch immer wieder von<br />
Neuem, wie er seinen Mix aus (Country-)Blues,<br />
Jazz, R&B, Soul, Shuffle,<br />
Rock und Rock’n’Roll der alten Schule<br />
mit neuen Facetten ansetzt. Diesmal<br />
würzt er ihn mit einer Prise Dixieland<br />
und ein wenig Swing – und seinem Gast<br />
„Monster” Mike Welch, der einige feurige<br />
Gitarrenpassagen beisteuert. Robillard<br />
kann gar nichts Schlechtes abliefern,<br />
dafür ist er als Instrumentalist und auch<br />
Sänger, vor allem aber als Komponist zu<br />
gut. Schade, dass er vorerst keine Zeit<br />
haben wird, die neuen Songs live zu präsentieren,<br />
aber für die nächsten Monate<br />
hat ihn kein Geringerer als Bob Dylan als<br />
Sideman verpflichtet.<br />
(S<strong>to</strong>ny Plain/Fenn, 2013, 12/52:33) pro<br />
MIKE ZITO & THE WHEEL<br />
GONE TO TEXAS<br />
Jede Band bietet<br />
Besonderes.<br />
„Ausnahmemusiker”<br />
füllen<br />
ganze Stadien<br />
– man mag es nicht<br />
mehr hören. Mike<br />
Zi<strong>to</strong> macht, auch<br />
bei bi Royal Sou<strong>the</strong>rn Bro<strong>the</strong>rhood, ganz<br />
normale Sachen. Normal solide gebauten<br />
Sou<strong>the</strong>rn Rock – mit einer Stimme, auf<br />
Klick leicht angeraut und aus dem Bauch<br />
heraus mit dem Halskloß echter Rührung:<br />
Sou<strong>the</strong>rn Soul als Erbe der Allmans eben.<br />
Zi<strong>to</strong> berichtet in “Death Row” auch aus<br />
dem Knast im Duktus Peter Greens aus<br />
THEN PLAY ON, lässt in “Don’t Break A<br />
Leg” den Basslauf von Scott Su<strong>the</strong>rland<br />
das Geschehen bestimmen und bildet sich<br />
auf seine beachtliche Axt-Agilität inklusive<br />
Slidefinesse so erstaunlich wenig ein,<br />
dass er sich den Super Trooper gerne mit<br />
Sax-Seele Jimmy Carpenter teilt. Sollte<br />
jemand alle Seger-&-Scaggs-Platten besitzen<br />
– einfach mit Zi<strong>to</strong> weitermachen.<br />
Seit der nach Texas ging, um seine Sucht<br />
loszuwerden – siehe Booklet & Texte<br />
–, macht seine Musik süchtig, wie der<br />
Groove im “Subtraction Blues”, der sich<br />
spannungshalber nicht zwischen geradem<br />
Groove und Boogie entscheidet, als wär’s<br />
ein Stück von Little Feat. Das perlt. Favoriten<br />
wechseln, momentan ”Voices In<br />
Dallas”.<br />
(Ruf/inakustik, 2013, 13/62:05) utw<br />
DANA FUCHS<br />
BLISS AVENUE<br />
Dana Fuchs kann wie Janis Joplin klingen<br />
– kein Wunder, wenn man bedenkt, dass<br />
sie im <strong>Music</strong>al „Love, Janis” in New York<br />
erste Schlagzeilen machte. Dies Klischee<br />
stört aber genauso wenig wie die Nähe<br />
Rod Stewarts zu Sam Cooke. Als Sandpaper-Shouter<br />
ist die Frontfrau aus Florida<br />
ohnehin nur unvollkommen beschrieben.<br />
Klar lässt sie in den ersten beiden Losgehnummern<br />
gleich das texanische Sou<strong>the</strong>rn-<br />
Comfort-Chick raushängen. Die Fuchs zelebriert<br />
aber in “Handful Too Many” einen<br />
Delta-Touch, der au<strong>the</strong>ntisch wirkt, und<br />
zeigt mit “Livin’ On Sunday” reife Gospelwurzeln,<br />
vertieft durch “Keep On Walking”<br />
mit lebhaften Call & Response-Passagen.<br />
Gitarrist und Rampenpartner Jon Diamond<br />
folgt ihr bei au<strong>to</strong>biografischen Ohrwürmern<br />
wie “Daddy’s Little Girl” und einem<br />
leichten Country-Touch in “Nothin’ On My<br />
Mind”, alles selbst verfasst. Kann man sich<br />
an ihrer Stimme und seiner Gitarrenarbeit<br />
nicht satt hören, so tut Glenn Patschas an<br />
der Hammondorgel ein Übriges zur Soundbereicherung.<br />
(Ruf/inakustik, 2013, 12/47:51) utw<br />
Seite 50 ■ <strong>GoodTimes</strong> 4/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>