Diabetes Journal Diabetes-Folgen (Vorschau)
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<strong>Diabetes</strong> life<br />
Dienstag ist in Blantyre, Malawi, ein<br />
besonderer Tag: Männer tragen Anzug<br />
und Krawatte, Frauen haben ihre<br />
prächtigsten Kleider angezogen,<br />
oft einen farbenfrohen chitenje, den<br />
traditionellen Wickelrock in Ostafrika.<br />
Über 80 Menschen sitzen erwartungsvoll<br />
auf den schmalen<br />
Holzbänken im Halbdunkel. Vorne<br />
steht Pastor Timothy Ntambalika,<br />
der Predigen gewohnt ist.<br />
<strong>Diabetes</strong>verband seit 2008<br />
Hier im Queen Elizabeth Central<br />
Hospital (QECH), dem größten<br />
Krankenhaus des Landes, spricht er<br />
über <strong>Diabetes</strong>. Der 60-Jährige, der<br />
selbst seit 1995 von seinem Typ-2-<br />
<strong>Diabetes</strong> weiß, steht als Präsident<br />
der <strong>Diabetes</strong> Association of Malawi<br />
(DAM) eigenen Angaben zufolge<br />
über 10 000 Mitgliedern vor.<br />
Zwar gibt es den malawischen <strong>Diabetes</strong>verband<br />
erst seit 2008, aber<br />
wegen des niedrigen Jahresbeitrags<br />
von umgerechnet 1,30 Euro<br />
zögern Dia betes-Patienten nicht,<br />
DAM-Mitglied zu werden, so auch<br />
Zackeyu Kathumba (70). Der ehemalige<br />
Grundschulleiter erfuhr im<br />
Januar 2012, dass er Typ-2-<strong>Diabetes</strong><br />
hat und nimmt Tabletten. Er achtet<br />
auf seine Ernährung: Zwar verzichtet<br />
er nicht auf das Nationalgericht<br />
nsima – einen kohlenhydratreichen,<br />
weißen Maismehlbrei –, aber er isst<br />
viel Gemüse und fettarm zubereitetes<br />
Hühnchen, trinkt ungesüßten<br />
Tee und Wasser. „Ich<br />
fühle mich körperlich<br />
fit“, sagt er.<br />
Das sagen allerdings<br />
die wenigsten Patienten,<br />
die dienstags in die<br />
<strong>Diabetes</strong>-Sprechstunde<br />
ins QECH kommen.<br />
Aisha Gama zum Beispiel<br />
kann nicht lange<br />
stehen. Die elegant<br />
in Schwarzweiß<br />
gekleidete 62-Jährige<br />
mit getönter Brille lei-<br />
Aisha Gama (62): Blutzucker<br />
messen mit den<br />
wenigen Teststreifen der<br />
Tochter aus den USA.<br />
det seit 1976 an Bluthochdruck,<br />
1997 wurde<br />
Typ-2-<strong>Diabetes</strong><br />
diagnostiziert. Ihr täglicher<br />
Medikamenten-<br />
Mix besteht unter anderem<br />
aus den oralen<br />
Antidiabetika Glibenclamid<br />
und Metformin,<br />
Tabletten gegen Bluthochdruck,<br />
Aspirin zur<br />
Blutverdünnung sowie<br />
morgens und abends je<br />
20 Einheiten des Langzeitinsulins<br />
Protaphane.<br />
Der Patientin schmerzen ihre<br />
geschwollenen Beine, und sie<br />
hat eine diabetische Retinopathie.<br />
Sie berichtet von Blutungen durch<br />
Gefäßneubildungen. Augen sowie<br />
Blutzucker lasse sie quartalsweise<br />
kontrollieren, zusätzlich teste sie<br />
zu Hause morgens und manchmal<br />
nachmittags, sagt sie. Denn mit den<br />
Teststreifen, die ihre Tochter aus<br />
den USA schickt, muss sie haushalten,<br />
in Malawi sind sie teuer.<br />
Keine eigenen Messgeräte<br />
In dem südostafrikanischen Land,<br />
das zu den ärmsten Afrikas zählt,<br />
gehört Aisha Gama zu den gut versorgten<br />
Diabetikern. Die wenigsten<br />
Patienten haben wie sie ein eigenes<br />
Messgerät. „Wir bekommen<br />
Glukometer von den Herstellerfirmen,<br />
aber die Teststreifen sind teuer“,<br />
sagt Prof. Theresa Allain, Chefärztin<br />
am QECH und<br />
Dozentin an der Medizinischen<br />
Hochschule<br />
von Blantyre.<br />
Diabetiker brauchen in<br />
Malawi viel Geduld. Zu<br />
den vierteljährlichen<br />
Kontrolluntersuchungen<br />
im QECH müssen<br />
sie teilweise stundenlang<br />
anreisen und einen<br />
halben Tag auf ihr<br />
Blutzuckerergebnis<br />
warten. Das bedeutet<br />
Prof. T. Allain: Der Blutzuckerlangzeitwert<br />
der<br />
Patienten beträgt im<br />
Durchschnitt 9,5 Prozent.<br />
Verdienstausfall, weshalb<br />
berufstätige Männer<br />
seltener als Frauen<br />
kommen. Der HbA 1c -<br />
Wert wird mangels geeigneter<br />
Geräte nicht<br />
regelmäßig geprüft, der<br />
Durchschnittswert der<br />
Klinik liegt Prof. Allain<br />
zufolge bei 9,5 Prozent.<br />
Es gebe viele Notfälle<br />
wegen <strong>Diabetes</strong>. „Über<br />
95 Prozent der Diabetiker<br />
im subsaharischen<br />
Afrika leiden an Typ 2“,<br />
erklärt die Ärztin. Und nicht nur sie<br />
beobachtet, dass die Zahlen „schockierend“<br />
steigen. Laut einer Untersuchung<br />
der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) von 2009 haben<br />
5,6 Prozent der rund 14 Mio. Malawier<br />
<strong>Diabetes</strong>.<br />
Nicht zimperlich<br />
Wer Prof. Allain bei ihrer Arbeit begleitet,<br />
darf nicht zimperlich sein.<br />
Die zarte Britin legt am Tag viele<br />
Kilometer in den Klinikkorridoren<br />
zurück, macht Visite in überfüllten<br />
Krankenzimmern, wo dutzendweise<br />
Patienten liegen, umlagert von<br />
Verwandten, die sie verpflegen. „Es<br />
ist so anders hier als in Europa“, sagt<br />
die Internistin. Angesichts der Besonderheiten<br />
hat die World <strong>Diabetes</strong><br />
Foundation (WDF) die International<br />
<strong>Diabetes</strong> Federation (IDF)<br />
5,6 Prozent der<br />
14 Mio. Malawier<br />
haben <strong>Diabetes</strong>.<br />
„Die Zahlen<br />
steigen schockierend!“<br />
▸<br />
<strong>Diabetes</strong>-<strong>Journal</strong> 2 /2013<br />
www.diabetes-journal.de<br />
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