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ÜBER RELIGION INS GESPRÄCH KOMMEN - Religionslehrer im ...

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sind, die mit den angebotenen Deutungen vermeintlicher Sinnhaftigkeit der<br />

Welt kollidieren.<br />

Versucht Religion an dieser Stelle mit dem Verweis auf „das ganz Andere“<br />

sinnstiftend zu vertrösten und Antwort zu geben, so befördert sie einen<br />

„Prozeß der Ernüchterung“, in dem „die Deutungen als bloße Ideologie<br />

enttarnt werden“. 41<br />

Solcherlei Verständnis von Religion arbeitet, so Luther, einem<br />

eind<strong>im</strong>ensionalen Weltverständnis zu, das die Faktizität des (schlechten)<br />

Bestehenden fortschreibt und bestätigt.<br />

Dem gegenüber setzt Luther eine andere Auffassung dessen, was<br />

„Religion“, „religiös sein“ bedeutet: Religiös sein heißt nicht „Sinn für<br />

eine (die) andere Welt zu haben, sondern die Welt anders zu sehen,<br />

einen anderen Sinn für die Welt zu bekommen“. 42<br />

Die Welt anders zu sehen, meint aus der Perspektive der Religion und ihrer<br />

Verheißungen, in Distanz zur Welt insgesamt zu gehen. Religiöse Fragen<br />

„artikulieren Differenz zur Welt, um einen (neuen) Bezug zur Welt zu<br />

gewinnen. Aussagen über ein Jenseits der Welt, eine andere Welt, die Welt<br />

des ganz anderen, machen Sinn nur, wenn in ihnen diese Differenz, d.h. der<br />

Bezug zur Welt erkennbar mitgedacht wird.“ 43<br />

Der religiöse Weltabstand erlaubt einen mehrd<strong>im</strong>ensionalen Blick auf die<br />

Welt, hält die Wunde offen, die klafft zwischen dem, was sein könnte und<br />

dem was ist, „der Widersprüchlichkeit und Brüchigkeit“ der Welt.<br />

„Das Entstehen des Möglichkeitssinnes erwächst aus der Distanz zur Welt<br />

und der Fähigkeit zu Hypothetisierung.“ 44<br />

Das Christentum als messianische, eschatologische Religion ist, so Henning<br />

Luther, der Kultivierung dieser „kritischen Unruhe“ 45 verpflichtet. Es ist<br />

nicht die Aufgabe der Religion, Antworten zu finden, Kontingenz zu<br />

bewältigen.<br />

„Religion ist <strong>im</strong> Kern nicht Sinnstiftung oder Bewältigung von<br />

Kontingenzen. Religion bewahrt viel mehr die Zerrissenheit, aus der sie<br />

41 Ebd. S. 27<br />

42 Ebd. S. 29, Hervorhebung von mir, C.F.<br />

43 Ebd. S. 25<br />

44 Ebd. S. 27<br />

45 Ebd. S. 25<br />

Christina Fabian-Heidrich, Über Religion ins Gespräch kommen, 2002 21

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