Novemberpogrom - Österreich Journal
Novemberpogrom - Österreich Journal
Novemberpogrom - Österreich Journal
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 125 / 28. 11. 2013<br />
»75 Jahre <strong>Novemberpogrom</strong>«<br />
32<br />
„Sühnemaßnahmen gegen Juden“, die in Wien<br />
in den frühen Morgenstunden des 10. November<br />
1938 begannen und mehrere Tage<br />
andauerten: 42 Synagogen und Bethäuser<br />
wurden in Brand gesteckt, mit Handgranaten<br />
gesprengt oder anderweitig verwüstet. Während<br />
die NS-Presse wie etwa der „Völkische<br />
Beobachter“ den „Volkszorn“ für die Ausschreitungen<br />
verantwortlich machte, waren<br />
in Wahrheit SS- und SA-Einheiten in Zivil<br />
zu den Brandlegungen befohlen worden.<br />
Das Einschreiten der Wiener Feuerwehr beschränkte<br />
sich befehlsgemäß auf den Schutz<br />
der an die Tempel angrenzenden Gebäude.<br />
Verwüstet wurden nicht nur religiöse<br />
Stätten, sondern auch jüdische Geschäfte, in<br />
denen so wie im Zuge der Durchsuchung<br />
von Wohnungen rücksichtslos geplündert<br />
wurde. Als „den Tag und die Nacht der langen<br />
Finger“ bezeichnete dementsprechend<br />
der Wiener Gauleiter Josef Bürckel den Pogrom<br />
in einem Bericht an den Reichsluftfahrtminister<br />
und Beauftragten für den Vierjahresplan<br />
Hermann Göring.<br />
Ebenfalls am 10. November setzten die<br />
Massenverhaftungen ein: 6547 Wiener Juden<br />
und – kurzfristig und in weit geringerem<br />
Ausmaß – Jüdinnen kamen in Haft, manche<br />
wurden nach einigen Stunden, andere nach<br />
Tagen freigelassen, fast 4000 Männer wurden<br />
in das KZ Dachau überstellt. „Die Behandlung<br />
der Juden war zum Großteil eine<br />
sehr harte und artete meistens in brutale<br />
Züchtigungen aus“, heißt es in einem SD-<br />
Bericht. Mißhandlungen, Quälereien ebenso<br />
wie Plünderungen sind auch in den Verfahren<br />
dokumentiert, die nach 1945 von den<br />
österreichischen Volksgerichten durchgeführt<br />
wurden.<br />
Im achten Wiener Gemeindebezirk etwa<br />
zog eine Gruppe von elf Männern, bewaffnet<br />
mit Eisenstangen, einer Hundspeitsche, einem<br />
Gummiknüppel und einem Revolver, in der<br />
Schönborngasse von Haus zu Haus, „konfiszierte“<br />
Bargeld und Schmuck von Juden und<br />
Jüdinnen und schlug dabei mehr oder weniger<br />
wahllos zu: „Kölbl, Leopold Eiser und<br />
dessen Sohn wurden geohrfeigt, Letzterer<br />
auch zu Boden geschlagen und mit Stiefeln<br />
getreten. […] auch die Wohnungsinhaberin<br />
Fischler wurde geohrfeigt, ihre Tochter derart<br />
geschlagen, daß sie um den Mund blutig<br />
war; ihrem Schwiegersohn Scheuer wurden<br />
mehrere Zähne eingeschlagen. Der Sohn des<br />
Oskar Weiß wurde mit einem Gummiknüppel<br />
einmal auf die nach einem Bruch noch<br />
kaum verheilte Hand, ein zweites Mal in das<br />
Genick geschlagen.“ (Anklageschrift gegen<br />
Karl Klemayer und andere, 14. 2. 1948)<br />
Foto: DÖW<br />
Brennende Synagoge in der Großen Schiffgasse 8, Wien-Leopoldstadt<br />
Im Laufe einer Hausdurchsuchung in<br />
Wien-Simmering erklärte Karl Markl (Markel),<br />
Arzt im Allgemeinen Krankenhaus und<br />
Organisationsleiter der NSDAP-Gruppe Simmeringer-Heide,<br />
„die über 70 Jahre alte Flora<br />
Apfelfeld für verhaftet. […] Wiedermann,<br />
der an dieser Aktion teilgenommen hat, hat<br />
sich gegen die alte Frau besonders brutal benommen,<br />
indem er ihr, als sie zögerte, über<br />
die Stiege zu gehen, einen Tritt ins Gesäß versetzte,<br />
daß sie über die Stufe taumelte. Da sie<br />
infolge der Aufregung und ihre durch das<br />
»Österreich <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
Alter bedingte körperliche Unfähigkeit den<br />
Lastwagen nicht mit der gewünschten Eile<br />
besteigen konnte, hat er sie ‚wie ein geschlachtetes<br />
Tier‘ auf den Wagen geworfen.“<br />
Auch bei der nächsten Station wurden zwei<br />
Frauen festgenommen und in das Sammellager<br />
in der Jagdgasse gebracht: „Den Frauen<br />
Hedwig und Margarethe Deutsch gelang es,<br />
nach einiger Zeit unter Hinweis darauf, daß<br />
Hedwig Deutsch ihrer Abstammung nach<br />
Arierin war, und nach Hingabe einer sogenannten<br />
Uniformspende für die SA, aus dem