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Novemberpogrom - Österreich Journal

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 125 / 28. 11. 2013<br />

Wissenschaft & Technik<br />

Affen »verstehen« die Regeln<br />

der Sprachmusikalität<br />

Viele von uns kennen das zwiespältige Gefühl, wenn man an die Schulzeit<br />

zurückdenkt und sich z.B. die Grammatikstunden in Latein in Erinnerung<br />

ruft: Sprachen liegen viele komplexe Regeln und Muster zugrunde.<br />

75<br />

KognitionsbiologInnen der Universität<br />

Wien haben nun gezeigt, daß Sensitivität<br />

einfache strukturelle und melodische<br />

Regeln oder Muster zu erkennen keines intensiven<br />

Lernens bedarf. Sie ist nicht nur beim<br />

Menschen, sondern nachweislich auch bei den<br />

südamerikanischen Totenkopfaffen bereits<br />

vorhanden. Aktuell erschien dazu eine Publikation<br />

im Fachmagazin „Biology Letters“.<br />

Sprache und Musik sind sehr strukturierte<br />

Systeme, mit ganz speziellen Beziehungen<br />

zwischen Silben, Wörtern oder Noten.<br />

Um zu erkennen, ob ein Mensch „native speaker“<br />

ist oder nicht, reicht das Wissen über<br />

Sprachmelodie und grammatikalische Struktur<br />

einer Sprache. Die wahrgenommene Musikalität<br />

einiger Sprachen resultiert aus der<br />

Anordnung von Selbstlauten innerhalb eines<br />

Wortes. Im Türkischen harmoniert z.B. die<br />

letzte Silbe der Wörter „kaplanar“ oder „güller“<br />

mit vorangegangen Selbstlauten – „güllar“<br />

klingt einfach nicht so gut wie „güller“.<br />

Abhängigkeiten zwischen Wörtern, Silben<br />

oder Noten gibt es in Sprachen und Musikkulturen<br />

auf der ganzen Welt. „Wir untersuchen,<br />

ob die Fähigkeit, diese Abhängigkeiten<br />

zu verarbeiten, sich gemeinsam mit der<br />

menschlichen Sprache entwickelt hat, oder<br />

schon früher in der Evolution unabhängig<br />

vom Sprachgebrauch aufgetreten ist.<br />

Wenn letzteres zutrifft, sollten wir diese Fähigkeit<br />

auch bei Tierarten finden können“,<br />

erklärt Andrea Ravignani, Doktorand in der<br />

Gruppe von Tecumseh Fitch, Leiter des Departments<br />

für Kognitionsbiologie der Universität<br />

Wien.<br />

Andrea Ravignani und seine KollegInnen<br />

untersuchten diese Abhängigkeits-Detektions-Fähigkeit<br />

bei Totenkopfaffen, kleinen<br />

auf Bäumen lebenden Primaten in Zentralund<br />

Südamerika. Die ForscherInnen entwickelten<br />

dafür eine Art „Musiksystem“ für<br />

Affen, das auf die natürlichen Vokalisationen<br />

und das Hörvermögen der untersuchten<br />

Tierart aufbaut. Die musikalischen Muster<br />

klangen ähnlich wie Affen-Laute, während<br />

die strukturellen Merkmale jedoch jenen<br />

syntaktischen und phonologischen Mustern<br />

Foto: M. Böckle<br />

Eine Gruppe von südamerikansichen Totenkopfaffen<br />

»Österreich <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />

ähnelten, die man in vielen menschlichen<br />

Sprachen wie z.B. dem Türkischen findet.<br />

Die Affen hörten zunächst „Sätze“, die<br />

strukturelle Abhängigkeiten beinhalteten. In<br />

einem weiteren Schritt wurden sie mit unterschiedlichen<br />

Stimuli konfrontiert – einige<br />

davon enthielten Abhängigkeiten, andere<br />

nicht. Ihre Reaktionen wurden nach der „violation<br />

of expectations“-Methode gemessen,<br />

also Reaktionen der Tiere auf unerwartete<br />

Stimuli.<br />

Ravignani hält dazu fest: „Man beobachtet<br />

jene Dinge länger, die nicht dem<br />

Standard entsprechen. Uns ging es nicht um<br />

absolute Wahrnehmung, sondern eher darum<br />

herauszufinden, wie die Affen diese Stimuli<br />

einordnen und ob sie sie in Gegensatz zu<br />

einem größeren System setzen.“<br />

Die ForscherInnen fanden heraus, daß die<br />

Tiere mehr auf die „ungrammatikalischen“<br />

Muster reagierten, und zeigten somit, daß sie<br />

die Abhängigkeiten wahrnehmen können.<br />

„Bei Experimenten dieser Art werden Affen<br />

normalerweise mit menschlicher Sprache<br />

konfrontiert: Die Tatsache, daß wir Stimuli,<br />

die auf die Biologie der Spezies zugeschnitten<br />

waren, verwendet haben, könnte den<br />

Tieren bei der Wahrnehmung geholfen haben“,<br />

meint Co-Authorin Ruth Sonnweber,<br />

ebenfalls vom Department für Kognitionsbiologie<br />

der Universität Wien.<br />

„Unsere Vorfahren könnten bereits vor 30<br />

Millionen Jahren die Fähigkeit zur Abhängigkeits-Detektion<br />

erlangt haben. Das würde<br />

den modernen Mensch mit vielen anderen<br />

lebenden Primaten verbinden. Die Latte dafür,<br />

was menschliche Einzigartigkeit ausmacht,<br />

muß höher gelegt werden“, folgert<br />

Andrea Ravignani. Er will auch weiterhin<br />

die evolutionären Ursprünge zwischen Sprache<br />

und Musik erforschen.<br />

Das Forschungsprojekt wurde gefördert<br />

durch den ERC Advanced Grant SOMAC-<br />

CA, den Tecumseh Fitch, Leiter des Departments<br />

für Kognitionsbiologie der Universität<br />

Wien, 2009 erhielt.<br />

•<br />

http://univie.ac.at<br />

Publikation in „Biology Letters“: Ravignani<br />

A, Sonnweber R-S, Stobbe N, Fitch WT. 2013<br />

Action at a distance: dependency sensitivity<br />

in a New World primate. Biol Lett 20130852.<br />

dx.doi.org/10.1098/rsbl.2013.0852

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