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Novemberpogrom - Österreich Journal

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 125 / 28. 11. 2013<br />

»75 Jahre <strong>Novemberpogrom</strong>«<br />

März 1938 mit den<br />

Augen eines Zeitzeugen<br />

Gideon Eckhaus in der »Demokratiewerkstatt«: »Eine Demokratie<br />

ist nicht selbstverständlich, man muß um sie kämpfen!«<br />

40<br />

Foto: Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles KG / Mike Ranz<br />

Gruppenfoto mit den Jugendlichen, Zeitzeuge Gideon Eckhaus (10.v.re.) und Expertin Ulrike Felber (r.)<br />

Der 15jährige Gideon Eckhaus betete gerade<br />

in der Synagoge, als er die Nachricht<br />

vom Anschluß Österreichs an Nazi-<br />

Deutschland erfuhr. Der Gottesdienst wurde<br />

mit der Nachricht unterbrochen, daß Hitler<br />

einmarschiert war. 75 Jahre später stand Eckhaus<br />

nun in der „Demokratiewerkstatt“ des<br />

Parlaments vor den SchülerInnen der Klasse<br />

6A des Evangelischen Gymnasiums Wien<br />

aus dem 11. Bezirk, um den jungen Leuten<br />

in authentischen Erzählungen genau jene<br />

Geschehnisse während der Märztage 1938<br />

begreifbar zu machen, die sein Leben und<br />

das Tausender anderer auf menschenunwürdige<br />

Weise veränderte.<br />

„Es war ein Freitag, ein ziemlich kalter<br />

Freitag“, begann Eckhaus in detailgenauen<br />

Bildern seine persönliche Geschichte über<br />

den immer stärker werdenden Antisemitismus<br />

in den 30er-Jahren, die Annexion Österreichs<br />

im März 1938, den Tod seines Vaters<br />

in Auschwitz und seine Flucht als Jugendlicher<br />

aus seiner Heimat zu schildern. Aus<br />

dem frühen Plan, im Rahmen der Jugend-<br />

Alijah nach Palästina auszureisen, sei eine<br />

Flucht vor der Verfolgung der Nationalsozialisten<br />

geworden, umriß Eckhaus. Als er damals<br />

flüchtete, war er so alt wie die SchülerInnen,<br />

die vor ihm saßen und ihm zuhörten.<br />

„Plötzlich waren alle Menschen und<br />

Häuser mit einem Hakenkreuz gekennzeichnet“,<br />

erinnerte sich der Zeitzeuge und erzählte<br />

außerdem von der Arisierung der Firma<br />

seines Vaters, seiner Angst in der Schule, als<br />

die jüdischen Kinder von den nicht-jüdischen<br />

getrennt wurden und den willkürlichen Demütigungen<br />

und Repressionen auf offener<br />

Straße. „Mit Juden will ich nichts mehr zu<br />

tun haben“, war dabei einer der Sätze jener<br />

Zeit, die ihm besonders in Erinnerung geblieben<br />

seien.<br />

Ausführlich widmete sich Eckhaus auch<br />

Fragen der SchülerInnen im Zusammenhang<br />

mit Grund- und Menschenrechten. „Wir hatten<br />

nach dem Anschluß überhaupt keine<br />

Rechte. Wir konnten nicht ja und wir konnten<br />

nicht nein sagen“, berichtete er. Deshalb<br />

sei es heute auch so wichtig, nach wie vor<br />

für eine Demokratie zu kämpfen, denn diese<br />

sei nicht selbstverständlich, mahnte Eckhaus<br />

und forderte die jungen Menschen in einer<br />

eindringlichen Botschaft auf, alles zu tun,<br />

um die Welt zu verändern.<br />

Gideon Eckhaus erhielt im Juni dieses<br />

Jahres das Große Ehrenzeichen für Verdienste<br />

um die Republik Österreich. Der Vorsitzende<br />

der Israelisch-Österreichischen Gesellschaft<br />

Tel Aviv war seit 1994 maßgeblich<br />

an den Restitutionsverhandlungen mit der<br />

österreichischen Regierung beteiligt.<br />

»Österreich <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />

Parlament stellt sich<br />

historischer Bildungsarbeit<br />

Durch die authentischen Schilderungen<br />

von ZeitzeugInnen der Märztage 1938 wird<br />

im Rahmen der Workshops „Annexion<br />

1938“ Jugendlichen die Möglichkeit gegeben,<br />

sich aktiv mit den Geschehnissen und<br />

Folgen der NS-Zeit auseinanderzusetzen.<br />

Die Historikerin Ulrike Felber aus der Parlamentsdirektion<br />

hilft den Jugendlichen dabei,<br />

die Erzählungen der ZeitzeugInnen in<br />

einen historischen Kontext zu betten.<br />

Die Workshops richten sich an SchülerInnen<br />

ab der 9. Schulstufe, die das Thema<br />

Nationalsozialismus im Unterricht bereits<br />

behandelt haben. Neben anderen Jugendprojekten<br />

leistet das Parlament damit einen<br />

wichtigen Beitrag zur historischen Bildungsarbeit<br />

in Österreich. Bislang trafen die<br />

jungen Menschen im Rahmen der Workshops<br />

unter anderen auf die Widerstandskämpferin<br />

Käthe Sasso, den ehemaligen<br />

Chefredakteur der „Jerusalem Post“, Ari<br />

Rath, und den Präsidenten der israelitischen<br />

Kultusgemeinde Salzburg, Marko Feingold.<br />

Die Demokratiewerkstatt plant im Rahmen<br />

dieses Projekts weitere ZeitzeugInnen einzuladen.<br />

•<br />

http://www.parlament.gv.at/SERV/KJ/DEMWERK/AKTUELL/index.shtml<br />

Quelle: Parlamentskorrespondenz

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